BE -... Arbeiter-Jugend
Deutſchlands und ging mit Vorliebe gegen die freiheitlich geſinnten 1. Studentenkreiſe
vor. Liedpknecht hatte wiederholt unter ihren Verfolgungen zu leiden und lernte
bald einſehen, daß für einen Mann ſeiner Geſinnung keine Ausſicht auf einen aka»
demiſchen Lehrſtuhl beſtand. Schon ſchi>te or ſich an, nach Amerika auszuwandern,
als er durch zufällige Umſtände bewogen wurde, ſtatt deſſen in der Schweiz ſeinen
Aufenthalt. zu nehmen. Hier wirkte er als Lehrer und. beteiligte ſich gründlich am
dſfentlichen Leben, namentlich, als im Jahr 1848 der Sturm der Revolution von
Frankreich aus durch Europa brauſte. Seine Rednergabe bewährte er vor der Oef-
jentlichfeit zuerſt in einer großen Verſammlung der „patriotiſchen“ Deutſchen in
Zürich, in der ein Profeſſor Bobrich Stimmung für die deutſche Flottenbewegung
zu machen ſuchte. Liebknecht trat kühn gegen ihn auf und vertrat die Sache des
Republikaniſchen Aktionsvereins mit ſolchem Geſchi>, daß eine Reſolution in ſeinem
Sinne mit großer Majorität angenommen wurde. Doch ließ er es nicht beim Reden
bewenden, ſondern ging nach Deutſchland und kämpſte als Freiſchärler in Baden für
die Republik. Bei Säcingen geriet er in Gefangenſchaft, ſaß in Freiburg acht
Monate in Unterſuchungshaft und machte hier die Bekanntſchaſt der noch ſehr
jungen Tochter des Gefängnisinſpektors, Erneſtine Landolt. Zwiſchen beiden erwuchs
eine herzliche Zuneigung, die ſpäter zur glücklichen Ehe führen ſollte.
Der vorläufige Sieg der freiheitlichen Bewegung trug dazu bei, daß Lieb»
knecht und die übrigen Geſangenen in der Gerichtzverhandlung im Mai 1849 unter
dem Jubel der Zuhörer freigeſprochen wurden. Sofort warf ſich Liebknecht wieder in
vie Bewegung, machte jetzt ober trübe Erfahrungen, auch im eigenen Lager, inſofern
der republikaniſche Diktator Brentano ihn als des Verrats verdächtig feſtnehmen
ließ. Nach dem Sieg der Reaktion flüchtete Liebknecht wieder in die Schweiz und
jetzte ſeine agitatoriſche Tätigkeit fort, ſo als Leiter des Genfer Arbeitervereins,
wurde aber alsbald verhaftet und 1850 zwar vor Gericht freigeſprochen, aber aus
ver Schweiz ausgewieſen und nach Frankreich geſchofft. Doc guch die franzöſiſchen
Behörden wollten von dem gefährlichen Geſellen nichts wiſſen und ließen ihn mit
Zwangspaß nach London gehen.
Hier waren ihm endlich einige Jahre des Friedens beſchieden, und er konnte
dur) Unterricht, Schriftſtellerei, Ueberſetzungen uſw. ſich mühſam ſein Brot verdienen.
Ein großer Gewinn für ihn war, daß Karl Marx ihm gaſtlich ſein Haus öffnete.
Bei Marx machte Liebknecht auf philoſophiſchem, politiſchem und volkswirtichaſt-
lichem Gebiet eine zweite Studienzeit durch, die ihn befähigte, ſpäter als der her-
vorragendſte Vertreter der Marxiſtiſchen Ideen in Deutſchland zu wirken. Das freund»
liche Familienleben, das er bei Marx kennen lernte, beſtärkte ihn auch in ſeinem
Verlangen, einen eigenen Herd zu begründen. So veranlaßte er Erneſtine Landolt,
ihm nad) Londcn zu ſolgen, und nahm ſie zum Weibe., Von den Kindern, die ſic ihm
gebar, wuchſen die Töchter Alice und Gertrud heran.
So ſicher ſich Lieblnecht auch in England fühlte, ſo 30g es ihn hoch wieder nad)
Der deutſchen Heimat. Im Jahre. 1862 kehrte er dorthin zurü> und fand in Berlin
Beſchäftigung an der Redaktion der „Norddeutſchen Allgemeinen Zeitung“. Bei der
Erwägung, wie ſehr das Blatt ſpäter ins Fahrwaſſer der Reaktion geraten iſt, mag
es manchen befremden, daß ein Mann wie Liebknecht an ihm gewirkt hat. Tat-
ſächlich aber hatte die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ unter Leitung von Auguſt
Braß damals noch eine hochgradig demokratiſche Färbung. Als Braß aber bald ins
Lager Bismard>s überging, ſchied Liebknecht aus der Redaktion aus. Der Arbeiter-
bewegung, die jeßzt auch in Deutſchland einen großen Auſſchwung nahm, gab er ſid)
mit regem Eifer hin, wurde Mitglied des Allgemeinen Deutſchen Arbeitervereins,