Arbeiter-Jugend 167
Käthchen angehört, entde>t, Ein geſtrenges Verhör wird angeſtellt, und nun zeigt es ſich,
daß dieſe Geſellſchaft ſich mit Dingen beſchäftigt, von denen die Haustöchter der guten alten
Zeit. nie eiwas erfuhren. Man denke,. in den Jugendgruppen wurden Vorträge gehalten
über Weltentſtehung, Darwinismus, die materialiſtiſche Geſchichtsauffaſſung, die Hygiene des
tüglichen Lebens und anderes mehr. Das ſchlimmſte aber war, daß die Jugendlichen. ſich
duzten. Man denke, eine junge Dame von 17 Jahren wird wie ein „gewöhnliches“ Mädchen
mit „Du“ und nicht mit, gnädiges Fräulein" angeredet, wie es in der guten alten Zeit ſo
üblich war, wenn man zu jungen „Damen“ ſprach. vn
Der waere Vater war entrüſtet. Er ſegzte ſich hin und ſchrieb dem unverſchämten ZdA.
einen Brief, den dieſer, wie der Schreiber annahm, ſich nicht Hinter den Spiegel ſteFen würde.
Der ZdA. aber war ſchamlos genug, dieſes Schreiben in ſeiner Jugendzeitſchrift abzudru>en.
Hier iſt es:
„3 ertläre hiermit den Austritt meiner Tochter Käthe aus dem Zentralverband der
Angeſtellten. Sie iſt damals ohne mein Wiſſen, vielleicht durch ſanften Dru> der anderen
Angeſtellten, in dieſen Verband eingetreten. Es hat niemand anders zu beſtimmen außer
mir, auch die Dienſtſtelle nicht, welchem Verbande ſie ſich anſchließen ſoll, jedenfalls dem
dortigen nicht, Bekanntlich bin ich, bis ſie volljährig iſt, ihr Vormund.
Heute kam mir die famoſe Einladung der Jugendgruppe Wedding in die Hände. Da
Mmyß id) doch Jagen, ein 17% jähriges Mädchen redet man nicht mehr mit =-+ Du --“ an,
es riecht ganz nach Tauenßienſtraße. Vielleicht ſind es die Gepflogenheiten gewiſſer
Straßenpaſſanten, jedes Mädel mit --- Du anzureden, vielleicht iſt es auch recht republika»
niſch, ich weiß es nicht. Ich weiß nur ſoviel: „Die ganze Richtung paßt mir nicht!“ Franz
LüF, Aufſichtsbeamter, Berlin N 65, Genter Straße 37 11.“
Käthchen mag geweint haben. Der Vater aber hat ſein Recht gewahrt: Er wird es noch
3% Jahre lang tun. Indeſſen geht die Zeit ihren Lauf. Käthchen und viele ihrer Mit»
ſchweſtern werden es lernen, mit offenen Augen ins Leben zu bli&en, und ſpäter werden ſie
entſcheiden, welche Richtung i hn en paßt
Was uns fehlt.
T
- Das Fragen. |
In der Jugendbeilage der Chemnißer „Volksſtimme“ gibt ein Jugendgenoſſe
folgende Anregungen:
n Tauſenden von Vorträgen gibt man uns eine Fülle von Antworten; aus ungezählten
Büchern und Broſchüren ſehen uns Antworten entgegen; man ſagt uns von allen
möglichen Dingen, dieſes und jenes iſt ſo und ſo =“+“ .aber kaum einer hat danach ge»
tragt. Wir haben das Fragen verlernt) .
Die Ueberfülle von Antworten erſtickte unſere Tähigkeiten, ſelber Fragen zu ſtellen. Die
Folge iſt, daß die Vortragsſäle oft leer ſind, daß die Bücher auf den Borden verſtauben, daß
die Worte der Redner ohne Widerhall verklingen ... Wir müſſen wieder fragen lernen!
Es mag für manchen ein glücklicher Zuſtand ſein, mit ruhigem Gemüt, nicht von Fragen
gequält, zufrieden wie das Tier auf der Weide ſein Leben zu verbringen. Dieſer Zuſtand iſt
aber heute, in einer Zeit, die zerriſſen iſt wie kaum je eine Zeit, ein Zuſtand des Stumpffinnes,
dem ſic wohl ein ſattes Raſfketum hingeben kann, nicht aber kämpfende proletariſche Jugend..
Warum ſind wir elend? Warum iſt dieſer ganze Unterſchied zwiſchen unſerer Sehn-
jucht, unſeren Worten, die ſtammelnd Ideale verkünden, und der uns umgebenden Wirklichkeit?
Warum? Warum? Warum das alles?
11,
Der Fragetsſten,
Zum Inventar jedes Jugendheims ſollte ein Fragezettelkaſten gehören. Soweit ich bis»
her mit ihm Bekanntſchaſt gemacht habe, ſind ſeine weſentlichen Eigenſchaften die folgenden
drei: Entweder er iſt überhaupt nicht da, oder er iſt kaputt, oder er iſt leer,
Cs beſteht ſelten das Bedürfnis, in der Reihe der Veranſtaltungen Fragezettel-Abende
abzuhalten. (Dafür werden Vorträge über Themen gehalten, die den meiſten noch gar nicht