Full text: Arbeiter-Jugend - 15.1923 (15)

Wu Buikſn 
ziehungsarbeit“ trägt, ſahen wir am Ra- 
thenau-Mord. Wer aber glaubte, daß als 
Folge dieſer Greueltat ein neuer Kurs in - 
den reaktionären Bewegungen Plaßz griffe, 
Yatta ſich getäuſcht. Die nationaliſtiſchen 
ugendorganiſationen ſtehen heute unge- 
ſc<wächt da, und ihr verbrecheriſches Treiben 
iſt ſchlimmer als je. Freche Provokationen 
der arbeitenden Bevölkerung, Ueberfälle auf 
proletariſche Jugendgruppen ſind an der 
Tagesordnung. 
Die ſtaatlichen Organe ſehen all dem taten» 
los zu. Wir haben zwor ein Geſetz zum 
Schuß der Republik, xs wird aber nur gegen 
links angewandt. 
unter dem wir leben, obwohl er angeblich 
gegen - das renftionäre Treiben, die ſaſchiſüi- 
djen Ausſchreitungen gerichtet war, wird 
hauptſächlich dazu benußt, die Arbeiter zu 
entrechten. So kann das nicht weitergehen! 
Die Gefahr, die die reaktionären Jugend- 
organiſationen, jo der Bismard>bund, der 
Deutſchnationake Jugendbund, die Partei- 
jugend vd York von Wartenberg und die 
alldeutſche Jugend für die Republik bilden, 
liegt klar auf der Hand. Sie werden im- Ge» 
brauc< von Waffen ſyſtematiſch ausgebildet. 
Zum größten Teil ſind die Mitglieder dieſer 
Drganiſationen ſelbſt im Beſitz von Waffen. 
Als der Genoſſe Scheidemann am 12. Mai 
dieſes Jahres im Reichstag gegen die Deutſch- 
völkiſche „Freiheitspartei"“ Stellung nahm, 
lente er auch eine ganze Reihe von Material 
über die völkiſchen Jugendorganiſationen vor. 
Er bewies, daß die nationaliſtiſche Jugend 
auf Schießpläßen mit Militärgewehr, Mo- 
dell 98, ausoebildet wird. Er bewies, daß 
die Turngruppen der reaktionären Jugend 
Kampforganiſationen ſind. Das Treiben 
dieſer Organiſationen hat daraufhin nicht 
etwa aufgehört, es hat ſich verſchlimmert! 
In der republikaniſchen, beſonders der ar- 
beitenden Jugend herrſcht darüber ſtarke Er- 
regung, ja Empörung. Sie tritt entſchloſſen 
für die Republik ein; ſie verlangt aber aud) 
von der Republik, daß ſie ſich den Reaktio- 
nären gegenüber tatkräftig zeige. Sie ver» 
fanat, daß ſchon in der Schule die Erziehung 
zur republikaniſchen Geſinnung einſetzt und 
daß die Organiſationen, die ſich dieſes Ziel 
geſtet haben, 
fahren. Und die Jugend ſelbſt, ſie will nicht 
zurüſtehen. Durch reſtloſe Aufklärung ihrer 
Alters= und Klaſſengenoſſen will. ſie do2u bei= 
tragen, den Gedanken der Republik in den 
jugendlichen Herzen feſt zu verankern. Aber 
ſie fordert auch immer ſtürmiſcher, daß die 
Schußgeſeze der Republik nicht gegen die 
erprobten Anhänger und Verteidiger der Re- 
publik, ſondern gegen ihre geſchworenen 
Feinde angewandt werden. 
H. Löggow, Kaulsdorf. 
 
".. Arbeiter-Jugend 
Der Ausnahmezuſtand, 
weitgehende Förderung er- - 
* wieder 
203 
Ein Brief. 
Aus dem Städtchen Idſtein im Taunus 
waren zirka 20 Burſchen und Mädels zum 
Reichsjugendtag in Nürnberg gefahren. Am 
nächſten Taae erzählten ſich die Leute in 
Idſtein, die Stadt Nürnberg ſtehe in Flam» 
men. Die Eltern der Nürnbergſahrer be» 
fanden ſich begreiflicherweiſe in größter Auf» 
regung. Als ihre Kinder wieder geſund „und 
munter zu Hauſe ankamen, herrſchte über 
jenes Gerücht allgemeine Heiterkeit. Eine 
Idſteiner Jugendgenoſſin bedankte ſiH nun 
bei ihren Nürnberger Quartierleuten für die 
freundliche Aufnahme und berichtete ihnen 
auch von jenem Gerede, worauf ihr dann 
außer der Antwort ihrer Quartierleute nod) 
ein Brief folgenden Inhalts zuging: 
Fräulein T. P., Idſtein i. T. - 
Dur<h Zufall erhalte ich Kenntnis des von Jhnen 
an Familie H. gerichketen Brieſes, 
Die Sorge, daß Nürnberg in Flammen ſteht, 
war alſo ganz unnötig, denn nie wird ſich das er» 
eianen. Gänzlich ausgeſchloſſen iſt, daß dies an- 
läßlich eines „internationalen Scherenſchleifertage3“, 
* wie der e3 war, an dem Sie Nürnbergs ſch<leh- 
teſte Seite kennen lernten, vorkommen fann, 
Zweiſello3 war jener Tag der unwürdigſte der in 
Nürnberg biöSber gefeierten; dentt ſolHhe Banden von 
Geſindel und ſittenloſem Zeug betraten die ehr» 
würdigen Pflaſier der e<t deutſchen Stadt (mit 
Ansnahme des Ober . . . Dr. Luppe) noh nie und, 
hören Sie, werden dieſe auch nie mehr betreten 
und nicht mehr ſo ungeſchoren verlaſſen, wie es 
leider geſchehen. Damals ließ man hier die rote 
Jugend gewähren und boffte, daß unſer „Deutſcher 
Tag" ebenfall3 von den rvotken Alten nicht geſtört 
wird; es geſchah dies allerdings au< nicht, do9H 
einzelne Teilnehmer wurden in feiger Weiſe, wie 
man es anders auc<; ticht erwarten konnte, von 
mehreren „MoS3kauern" angegriffen, die ja zum 
größten Teil von dem Angriff mehr davontrugen, 
als der alleinſtehende Deutſche. 
Wenn auc ſeinerzeit die „Hakenkrewzler" ſc<ött 
ruhig waren und keine der unglücklichen, verirrten 
Volksgenoſſen ſchlugen und verwundeten, ſo bekam 
das Krankenhaus zu Nürnberg doh verſchtedenen 
Zugang. ES iſt auch kein Wunder, wenn die freie 
Iugend =“-- Männlein wie Weiblein -- zu Haufen 
unter freiem Himmel übernachteten, Quartiere 
konnten nicht genügend aufgetrieben werden, denn 
jo zahlreich jind die verfunkenen' Menſchen in Nürn 
berg nun dod) nicht mehr und zudem --- wer wollte 
ſo einen, nur . halb gefleideten, ſh<hmußigen und 
ſtruppigen Gefährten in ſeinem Hoim wiſſen? 
Sie ſelbſt werden, wenn Sie Augen für dis 
Stimmung der Stadt hatten, geſehen haben, daß 
Nürnberg nicht der PBlaß für derartige Aufzüge iſt. 
Begreifen kann ich nur nicht, wie Sie beſtätigen 
können, daßß es ſo ſchön geweſen war. Schön iſt e3 
' jeßt wieder! 
Sollten Sie Luſt und Liebe haben, Nürnberg 
no< mal zu ſehen, fo beſuchen Sie dieſe Stadt als 
„Deutſ< Mäd<c<en“" und nicht al3 
jes 
„Internationale Iugendgardiſtin“ 
„mif dem Sowjetſtern, dem roten Schandfeen und 
dem haßerfüllten Geſicht gegen alles, wa3 ſeine 
Heimat liebt, deutſc< denkt und 
fühlt!! Sie werden in Nürnberg dann beſſere 
Aufnahme finden, man wird Sie nicht mehr ſo 
verächtlich anſehen, Ihnen nicht aus dem Wege 
gehen und ſpöttiſch, wie es ſich auch gehörte, über 
Sie lachen; dann werden Ihnen auch, ebe Ste 
geben, die Sehen5würdigkeiten der alten 
deutſchen Stad? Nürnberg gezeigt werden, denn 
ſüx „Internationale“ gibts keine „Deuts- 
ſ<en" SehenSwürdigſleiten,
	        
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