Full text: Arbeiter-Jugend - 15.1923 (15)

2 Arbeiter-Jugend 
Der Streitplaß des politiſchen Tageskampfes ſteht den Jugendlichen nicht offen. 
Nicht daß Verbote, Geſeße ihnen hinderlich wären, =- ſie ſollten ihm aus eigener 
Erkenntnis, aus eigenem Verantwortungsgefühl fernbleiben. Wer als Jugendlicher 
ſich nur einmal ganz ernſthaft einer wichtigen politiſchen Frage gegenübergeſtellt ſah, 
der wird ſeine tatſächliche Unzulänglichkeit, wenn er ehrlich gegen ſid) ſetbit iſt, 
kennen. Hat er überhaupt politiſches Intereſſe, wird er lernen wollen, wird er ſic 
bemühen, ſeine Kenntniſſe, ſeinen Geſichtskreis zu erweitern, um mit reiferen Kräften 
ſeine politiſche Wirkſamkeit aufnehmen zu können. Dieſen Weg weiſen wir 
der Arbeiterjugend. Hier aber iſt unſer Gegenſag zur kommuniſtiſchen 
Jugend wohl mit am ſchärſſten. Sie verkennt zwar nicht, daß alles, was gut getan 
werden ſoll, gelernt ſein muß, reſpektive daß jede Arbeit ein beſtimmtes Rüſtzeug 
verlangt. Sie begeht jedod) den großen und verderblichen Fehler, die Jugendlichen 
einfach ins politiſche Kampfgetümmel zu heßzen, weil ſie „im Kampfe“ lernen ſollen, 
In ihrer Praxis zeigt ſich das als eine außerordentlich falſche Auslegung des Ge> 
dankens der Erziehung durd) didekte Betätigung. Wir ſind gewiß Anhänger dieſes 
Gedankens, aber wir überſehen nicht die wichtige Vorausſetzung, daß zwiſchen der 
jungen Kraft, die ſich entwickeln ſoll, und der Arbeit, in der ſie ſich erproben und 
entwideln ſoll, ein beſtimmtes Berhältnis herrſchen muß, wenn ein Crfolg erhofft 
werden jo. Es wurde ſchon angedeutet, daß auch wir den politiſchen Geiſt, den 
politiſhen Willen der Jugend wecken und entwickeln wollen. Aber als Arbeitsplaßz, 
als Lehrſtätte dafür taugt nicht das heutige öſſentliche politiſche Leben. Zwiſchen 
jeiner Bewegtheit, ſeiner großen Zahl ſchwer zu löſender Fragen und der Kraſt 
unſerer Jugendlichen wird das richtige, der Kraft des „Jugendlichen angepaßte Ver»- 
hältnis n i d) t hergeſtellt, wenn man ihnen zuruft, wie die kommuniſtiſche Jugend es 
tut: Hinein ins Getümmel! Dieſe Erziehung endet im Verſammlungskrakeel. Die 
junge Kraft will und muß ernſter genommen werden. Nur kurzſichtige Leute 
können glauben, daß die kommuniſtiſche Jugend die Jugendlichen ernſter nimmt als 
wir, wei! ſie ihnen doch ſchon „politiſche“ Aufgaben zuweiſt. Dieſes Treiben iſt in 
Wahrheit ein höchſt verantwortungsloſes Spielen mit jungen Menſchen. 
Die Erziehungs» und Bildungsarbeit, die wir hier zu leiſten uns bemühen, iſt 
nicht nur rein menſchlicher, jondern vor allen Dingen auch in politiſcher Hinſicht 
außerordentlich viel wertvoller und erfolgreicher. Faſſen wir die von uns geleiſtete 
Arbeit unter weniger großen Geſichtspunkten zuſammen, um das deutlich zu machen. 
Wir wecken und ſtärken in der arbeitenden Jugend den Willen zur Ge» 
ſundung. Das erwachſene Proletariat kämpft u. a. um beſſere Ernährung, 
beſſere Wohnung, beſſere Geſundheitspfiege. Die Jugend will ihren Körper und Geiſt 
vor Ausbeutung, Ausmergelung, Verſtümmelung ſchüßen, ihre Jugendſchußforderun» 
gen reden cine deutliche Sprache. Die Jugend will aber Körper und Geiſt nicht nur 
vor Schaden bewahren, ſondern ſie will beides entwickeln, fördern. Sie hält ſich frei 
von Giſten, ſie wandert, turnt, ſpielt, treibt mancherlei ſonſtige Art Körperpflege. 
Wir ſragen einfach: Wem darf die erwachſene Arbeiterſchaft die Kampfnachfolge ver- 
trauensvoller übertragen, einer kranken und ſchwachen oder einer geſunden und 
ſtarken Jugend? Wer unterwirft ſic) eher, der Schwache oder der Starke? Die 
junge Generation der Arbeiterklaſſe muß mit eiſernem Willen zur Geſundung 
ſtreben, der Gozialismus fordert es! == Geht uns mit euren Vorwürfen, wir ſeien 
„Opielijugend“1 
Wir wecen und pflegen den Willen zur Bildung. In den Diskuſſions» 
und Leſeabenden, in den Vorträgen und Beſichtigungen von Muſeen und Betrieben 
liegt das Zeugnis dieſes Strebens. Der Geiſt der jungen Arbeitergeneration muß
	        
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