Full text: Arbeiter-Jugend - 16.1924 (16)

Arbetker-Jugenß 323 
verfügen. Ich gebe denen, die die bisberige Ausſtattung der Herberge gegenüber dem Ferien 
heim bemängelten, durc<aus recht. Aber da wir nur Schritt für Schritt vorankönnen (das liegt 
am Geldbeutel), jo muß eben eines nach dem anderen erledigt werden. Und wenn die 
Kritiker in einigen Wochen noch einmal Einſchau halten könnten, würden ſie ſicherlich höchſt 
befriedigt ſein. Es hat ein Kritiker aber ſich verſtiegen zu der Behauptung, in dem Neben- 
einander des Ferienheims und der Jugendherberge verkörpere ſich der Klaſſengegenſaß der 
heutigen Geſellſchaftzordnung. Man könnte darüber lächeln, aber diejenigen, die ſich mit 
beſten Kräſten mühen, für unſere Jugend das Beſte zu ſchaffen, werden gerade durch ſolche 
vn jeder Beziehung unverſtändliche Bemerkungen ſchwer gekränkt, Daß Jugendherberge und 
Ferienheim zwei ganz verſchiedene Einrichtungen ſind, die ganz verſchiedene Aufgaben zu 
erfüllen haben, muß das wirklich noch beſonders klargeſtellt werden? Ich glaube: nicht. 
Und ebenſowenig brauche ich wohl zu beteuern, daß beide Einrichtungen. von uns gleich 
ſauber, freundlich und ſorgfältig behandelt werden. Aber die Jugendherberge wird nach wie 
vor den „durchgehenden“ Wanderern Bleibe bieten und das Ferienheim den länger ver- 
weilenden Gäſten. Wenn das „Klaſſengegenſaß“ bedeutet, dann müſſen wir die „Schmach“ 
KX 
eben tragen. * . 
„Ihr ſeht, troß den mehr als 1400 zufriedenen Gäſten können einige wenige Beſchwerden 
einem doh das Herz bedrü>en. Denn wir wollen uns nicht dazu verleiten laſſen, etwaige 
Beſchwerden gering zu achten, weil ſoviele Lobesbezeugungen dagegen ſtehen. Wir haben 
in der Verwaltung unſeres Heimes noch manches zu lernen, iſt es doch das erſtemal, daß 
Wir ſo etwas „in den Fingern“ haben. Und für jeden Ratſchlag, auch wenn er einmal 
in grober Hülle an uns gelangt, ſind wir dankbar. Nicht weniger dankbar ſind wir natürlich 
für jede Zuwendung, die uns hilft, den weiteren Ausbau unſeres Heims durchzuführen. 
x X . 
: * 
Der große „Spartopf“, den uns Alfred Hanf mit dem Jungen, der die Hände recht 
breit offenhält, bemalt hat, und der oben an der Einwurföffnung den ſinnigen Spruch trägt: 
„I3d) lade ein“, iſt immer der Endpunkt für die Führungen, die unſer Heimvater für die 
vielen Beſucher des Ferienheimes veranſtalten muß. In der näheren Umgebung des 
Schloſſes gibt es wohl in den Dörfern nur wenig Einwohner, die unſer Heim noch nicht 
beſichtigt haben, denn das Intereſſe für unſer Werk iſt groß. Bei den Beſichtigungen gibt 
es manchen Spaß, beſonders durch die ſtaunenden Bemerkungen mancher Bauersleute Über 
das Hanſſche Wandgemälde. Als vor einiger Zeit wieder einmal ſo eine Gruppe wacerer 
Landleute vor dem Gemälde ſtand und der Führer das Schlußbild „Selig im Sein“, das 
Mann und Weib in edler Nadtheit zeigt, als ein Sinnbild für eine neue, ſchönere Zukunſt 
der Menſchheit bezeichnete, rief ein Bäuerlein ganz entrüſtet aus: „Was? So wollen die Ipäter 
rumlaufen ?121“ * * %* 
Uebrigens . . „ =- und damit ſoll dann Schluß ſein =“-“ merkt es euch, daß in allernädſter 
Zeit vom Hauplvorſtand eine Sparkaſſe eröffnet wird, in der jeder ſeine Groſchen „anlegen“ 
kann, die er ſich für den nächſtjährigen Terienaufenthalt in Tännich ſchon jeßt zurüc- 
legen will. 
 
 
Der Glücsſchuſfer. 
Modernes Märchen von Homo. 
“Ä 1 der ganzen Entengaſſe galt vor Jahren ider Schuhmachermeiſter Anton Borſtig für den 
B glüdlichſten Mann. Unten in ſeiner Werkſtatt hämmerte es nicht nur, wie es in jeder 
z/ Schuſterwerkſtatt hämmert, es ſlötete, pfiff und tvillerte auch wie jn einer Kanarien» 
vogelhandlung oder, um beim Handwerk zu bleiben, wie in einer Konſtantinopolitaniſchen. 
Dudelſaä>spfeifergeſellenherberge. Anton Borſtig war nämlich der reinſte Kunſtpfeiſer, wenn 
er auch nur zwei Stücke auf ſeiner angeborenen Orcheſtrionwalze hatte und ſtets umſchichtig 
bie Marſeillaiſe mit der „Lore am Tore“ abwedhſeln ließ. Oben drüber aber ſchmetterte es in 
den hellſten Soprontönen, als ob idort eine Primadonna höchſten Rangs ſämtliche gaſſen= 
läufigen Gaſſenhauer ider Neuzeit ihrem Programm einverleibe. Die unermüdliche Lerche war 
Anton Borſtigs Ehefrau Lore. 

	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.