ß Arbeiter-Jugend
Kommunismus und Sozialigmus.
Von &K. fiory,
ie deutſche Arbeiterbewegung ſcheidet ſich bekanntlich ſeit einiger Zeit in zwei
€ Yſchroff ſich gegenüberſtehende Lager: hie Sozialiſten =- dort Kommuniſten.
nu Bon Anfang an bekämpften ſich beide Richtungen mit ſolcher Erbitterung, daß
ein oberflächlicher Beobachter auf die Vermutung geraten konnte, es handle ſich um
zwei verſchiedene Klaſſen, die in Grundſätzen und Taktik ſich ſo gegenſäßlich, ja
feindlich zueinander verhielten, wie nur irgend die Klaſſe der Ausbeuter und der
Ausgebeuteten, wie Bourgeoiſie und Proletariat. Natürlich wäre das ein ſundamen»
taler Irrtum, denn beide Parteien haben die überwiegende Mehrzahl ihrer Anhänger
in Arbeiterkreiſen, wurzeln ihren Zielen und ihrer Weltanſchauung nach im Prole»
tariat. Ia, wenn man nur die grundſäßlichen Teile ihrer Programme berückſichtigt,
findet man ſogar, daß Sozialdemokratie und Kommuniſtiſche Partei vielfach ähnliche
Anſchauungen und Forderungen vertreten, daß jedenfalls von dieſer Seite her ihr
ſchroffer Gegenſatz nicht zu erfaſſen iſt.
Dieſe Uebereinſtimmung in der Theorie iſt übrigens geſchichtlich ohne weiteres
verſtändlich. Sozialismus und Kommunismius waren bis in die jüngſte Zeit nur ver-
ſchiedene Ausdrücke ſür dieſelbe Auſſaſſung geſellſchaftlicher und wirtſchaftlicher Zu-
jammenhänge, und insbeſondere war der Kommunismus, die früher allein übliche Be-
nennung, wo imer er in der Geſchichte auftrat, nichts anderes als die geſühls-
mäßige Vorwegnahme der Lehre, die wir ſeit ihrer wiſſenſchaftlichen Begründung
durch Marx und Engels ausſchließlich als Sozialismus zu bezeichnen uns gewöhnt
haben. Nannten ſich doch ſelbſt Marx und Engels noc) in ihren Anfängen ebenſo
häufig Kommuniſten wie Sozialiſten. Will man einen Unterſchied zwiſchen dieſen
Bezeichnungen, ſoweit Marx' und Engels' Frühzeit in Betrocht kommt, heraus»
flügeln, ſo könnte man ſagen, daß ſich die beiden als Forſcher Sozialiſten, als Po-
litiker Kommuniſten nannten. Sie waren um die Wende der vierziger und fünſ-
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts führende Mitglieder ves Bundes der Kom-
muniſten, und das Ziel des Bundes war die Herbeiſührung der ſozialiſtiſchen Geſell-
ſchaftsordnung. Ihre in der Folgezeit wiſſenſchaftlich begründete wirtſchaftliche und
geſellſchaftliche Lehre aber haben ſie immer nur als Sozialismmus bezeichnet, und auch
für die politiſche Auswirkung der Lehre, für die ſozialiſtiſche Arbeiterbewegung, geriet
nach der Auflöſung des Bundes der Kommuniſten der alte Name bald in völlige Ver»
geſſenheit. Erſt die ruſſiſchen Bolſchewiki, eine beſondere Richtung des ruſſiſchen
Sozialismus, haben ihn wieder aus dem Schuit der Vergangenheit ausgegraben
und als Parteiname akzeptiert, um ſich dadurch von anderen ſozialiſtiſchen Richtungen
zu unterſcheiden. Ihre deutſchen Geſinnungsgenoſſen, die ſich anſangs, während des
Weltkrieges, Spartakus-Bartei (nach dem altrömiſchen Sklavenrebellen Gpartakus)
oder „internationale Sozialiſten“ nannten, haben dann neben anderen ruſſiſchen Ge-
pflogenheiten auch die kommuniſtiſche Parteiſirma von Moskau übernommen, Aber
wohlgemerkt, als Lehre, als wirlſchaftliche (ökonomiſche) und geſellſchaftliche (ſozio»
logiſche) Theorie, alſo im „Endziel“ iſt auch dieſer modernſie Kommunismus* der
Ruſſen und ihrer Internationale kaum von dem durch Marx und Engels begrün-
deten Sozialismus unterſchieden, ja, die Anhänger der Kommuniſtiſchen Inter-
nationale bilden ſich ſogar ein, im Gegenſaßz zu der Sozialdemokratie die einzig
wahren „Marriſten“ zu jein.
Kommunismus alſo, als ökonomiſch-ſoziologiſches Syſtem, iſt gleichbedeutend mit
Sozialismus; beide Bezriſſe kennzeichnen eine Ordnung des Wirtſchaft5s- und Geſell-