Full text: Arbeiter-Jugend - 17.1925 (17)

8 ' Urbeiter-Jugend M 
Gewohnheit einbürgerte, den Acer zu verpachten. Auch auf dem Lande draußen 
hatte das alte Syſtem der Fronwirtſchaft dem Pachtſyſtem Vilaßz gemacht: die ehe- 
mals hörigen Bauern waren allmählich zu tatſächlichen Eigentümern ihres Bodens 
geworden; anſtatt der Fronden und Abgäben zahlten ſie eine beſtimmte Pacht. Dies 
jhlug auf die Dauer zum Nachteil der Grundherren aus, weil mit wachſendem Ertrag 
des Bodens die Pachtſumme nicht ſtieg. Ungefähr ſeit der Mitte des 14. Jahr- 
hunderts verſuchten ſie deshalb, die alten Zuſtände wiederherzuſlellen, was zu 
furchtbaren Bedrükungen des Landvolks führte. Der dadurch erzeugte Haß entlud 
jich in einer langen Reihe von Revolten, die zuleßt um 1525 in den ſogenannten 
Bavernkriegen gipfelten. = u 
 
 
Der Glaube an das Wunder. 
Von Franz Layfſkötfer. 
CH 4'!5 der alternde Fauſt in Goethes Drama in der Oſternacht voll Lebensekel 
B und Lebensüberdruß in ſeinem einſamen Studierzimmer ſaß und nach dem 
VS Biſte griff, um ſeinem elenden Daſein ein Ende zu machen, ertönten plößlich 
überirdiſh<e Stimmen, die von Glaube und Hoffnung ſangen. Sie verkündeten, daß 
Chriſtus vom Tode auferſtanden ſei, und daß er auch die Menſchen vom Tode erlöſen 
werde. Dieſer wunderbare Geſang. flößte den- Lebensmüden neuen Lebensmut ein, 
jein Geiſt wurde wieder friſch, ſeine Glieder ſtrafſten. ſich, und durch ein Wunder 
fühlt er fich verjüngt und dem Leben zurückgegeben. Er konnte wieder glauben, 
denn er ſah wunderbare Zeichen und Geſichte, und er war innerlich felſenfeſt Über 
zeugt, daß an ihm ein Wunder geſchehen ſei. Da ſtammelte er die Worte: „Das 
Wunder iſt des Glaubens liebſtes Kind“, womit er zum Ausdruck 
bringen wollte, daß nur der Gläubige Wunder ſieht, daß man glauben muß, um 
Wunder zu erleben, daß aber dem, der keinen ſtarken Glauben hat, die Wunderwelt 
verſchloſſen iſt. “ un | 
Der Glaube.an das Wunderbare ſte>t tief in der menſchlichen Natur. Beſonders 
die jugendlichen Menſchen und alle jene, die ſich den Kinderglauben bewahrt haben, 
leben in einer Welt voll Wunder. . Ihre Phantaſie malt ihnen Bilder und Träume, 
die nichts mit der Wirklichkeit gemein Haben; ihr Geiſt bewegt ſich in höheren 
Regionen und im Bereiche des Uebernatürlichen; ſie beſchäftigen ſich mit Vorliebe 
mit Dingen, die nirgends anders exiſtieren als in ihrem Kopfe. Dieſe Wunderſucht 
und dieſer Wunderglaube tritt, wie in der Kinderzeit des Einzelmenſchen,- auch in 
Der Frühzeit der Menſchheit deutlich. zutage. Davon zeugen die Sagen, Märchen und 
Legenden, die wir bei allen Völkern finden; davon erzählen die wunderbaren Ge- 
Ihichten von der Entſtehung der Welt und des Menſchen, von den Abenteuern und 
Taten der Helden, von dem Leben und Treiben der unſterblichen Götter. Wenn man 
hineinblickt in die Götterwelt der alten Völker, die heute längſt verſunken iſt, wenn 
man jich hineinverſentkt in den ewig unverſiegbaren Born der Lieder und- Geſänge, 
die aus der Vorzeit in die Gegenwart hineinragen, ſo bekommt man eine Vorſtellung 
von dem ſtarken Wunderglauben, der in der Menſchheit lebt. Heute können wir 
nur mit Wehmut zurücbli>en auf dieſe verſunkenne Wunderwelt, wie ein erwachſener 
Mann im Sturm des Lebens zurückbli>t auf die Tage der Kindheit. . 
Der Wunderglaube iſt eine Sache des Gefühls, nicht des Verſtandes, und darum 
faßt er ausſchließlich dort .Wurzel, wo die Menſchen gefühlsmäßig eingeſtellt ſind 
und den nüchternen Verſtand ausſchalten; wo ſie nicht auf deni Wege des Experiments 
au ermitteln ſuchen, ob es ſich in ginem. gegebenen Fall auch wirklich um einen 
wunderbaren, nicht auf natürliche Weiſe zu erklärenden Vorgang handelt. Da dies
	        
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