Full text: Arbeiter-Jugend - 17.1925 (17)

150 Arbeijer-Jugend 
Hornegg, rechts das intereſſante Schloß Guttenberg und links die-graue Ruine der 
Chrenberg. Alles aber überragt an Wirkung --- landſchaftlicher wie künſtleriſcher = 
eine Gilhouette, die ſich immer mehr nähert, und die, hoch über dem Redar, mit 
Türmen, Mauerwerk und Bauten phantaſtiſch ſchön aufgebaut, ſchon von weitem 
einen prachtvoll maleriſchen Anbli>k bietet: Wimpfen am Berg. | 
Scarf gegen den freien Himmel gezeichnet ein ſtreng mittelalterliches Städte- 
bild: mit Mauer, Tor und Türmchen beginnend, im Roten Blutturm ſich hebend, 
in den Arkaden der Hohenſtaufen-Kaiſerpfalz3 ſich fortſezend, im Blauen Turm 
hochaufragend gekrönt, um, in den Türmen der gotiſchen Stadikirche abfallend, in 
alten, ſchrägen Häuſern langſam zu verebben. Ein ſeltſam ſchönes, einzigartiges 
Bild! So auch das Innere mit dem wuchtigen Hohenſtaufentor, mit den vielen 
Vachwerkbauten aus dem 15. Jahrhundert, darunter die entzücendſten in der 
Kloſtergaſſe, das anſprechendſte (leider im Verfall begriffen) das Bürgermeiſter 
Cljäſjer-Haus mit herrlichſtem Holzerker. Intereſſant auch das tiefer gelegene 
Wimpſen im Tal mit der berühmten Stiftskirche, dem älteſten gotiſchen Kirchenbay 
gm Near (1252---1280). 
Ein kurzer Weg trennt uns noch von Heilbronn, wo manches, ſchönen Ab»- 
I<luß gebend, das Anſehen lohnt --, ſo die ſpätromaniſche Friedenskirche, die 
gotiſche Kilianskirche mit ſchönem Chor, prachtvollem, 12 Meter hohem Schnißaltar 
von Riemenſchneider, intereſſantem Sakramentshäuschen aus dem 15. Jahrhundert 
und prächtiger Orgel; ferner das Schiller-Haus, wo der Dichter im Jahr 1793 Zus» 
flucht fand, der Gößenturm, wo Göß gefangen ſaß, und in dem Goethe ihn ſterben 
läßt, am Markt das E>haus, in dem Käthchen von Heilbronn wohnte, und endlich 
das in ſc<öner Renaiſſance gehaltene Rathaus mit künſtleriſch wohltuendem Inneren 
und dem Ratsjaal, in dem Göß ſeine Ohrfeigen anbot, die „Kopfweh, Zahnweh und 
glies Weh der Erden aus deim Grund kurieren“. 
» 
Die Nachmittagsſonne ſpielte auf der Verandenbrüſtung mit den Geranien, 
die das Rathaus bunt ummalten. Ihre Buntheit ſetzt ſich ſort in Iſaak Habrechts 
berühmter Kunjſtuhr, die ſich mitten über ihnen an der Faſſade hochhebt, dem köſt- 
lichen Meiſterwerk, das auf drei Tafeln Tag und Monat, Stunde und Minute, ſowie 
die Mondphaſen zeigt, in dem Engel beim Stundenſchlag Pojaune blaſen, mit einem 
Szepter ſie anzeigen, die Glo>en ſchlagen, in dem zwei Böcke ſich beſpringen und 
dreimal am Tag ein Hahn ſlügelſchlagend kräht -=“ und das alles höchſt pußig 
Ichon ſeit dem Jahr 1580, zwar etwas verbraucht, aber doch ſehr luſtig. 
Oder doch etwas melancholiſch? Mir ſchien es faſt doch ſo =- und das vielleicht 
darum, weil mir der Hahn nicht nur eine Stunde, ſondern auch meine Ned>artage 
zu Ende krähte, Tage, die eigentlich zu ſchön waren, als daß ſie je hätten endigen 
Dürjen. 
Doch ſüdlich lo>kten der Schwarzwald ſchon und ſeine Berge. . . . 
 
Streifzüge durch Hamburg. - 
Zum Luſſmäachen für unſern Ingendkag. 
GY nſere Rudſäcke liegen im Quartier, wir ſchreiten durch die Stadt, In den Schau- 
WM fenſtern aller Papierhandlungen ſind Anſichtspoſtkarten ausgeſtellt, Hamburger Stadt- 
WG bilder in Nebel und Regen, Bilder aus einer naſſen, verquollenen, nebelqualmigen 
Nordlandsjtadt ohne Sonne, mit Bogenlampenlicht am Tage, mit Aſphalt, der wie Waſſer 
glänzt, und in dem Menſchen und Häuſer und Pferde ſich trübe ſpiegeln. Unter den Bildern 
Pehdt: Hamburger Schmuvdelwetier. . 

	        
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