Arbeiter-Jugend DIRE 185
Entgegenkommen, und gleich ihnen ſollte man allen denen die Tür weiſen, die heute noch ſo
ziel- und planlos herumreiſen. Unſere Jugendlichen, die auf Fahrt gehen, werden ihre
Wanderung ſo einrichten und auch finanziell ſo vorbereiten, daß ſie nicht auf das Schnorren
angewieſen ſind. Darum muß ſich jetzt jeder Funktionär zum Grundſatz nehmen: hier keine
ſalſc<e Sentimentalität und Gutmütigkeit. Türen und Taſchen zu. Unſere Bewegung iſt
keine Unterſtüßzungsorganiſation für fragwürdige Fahrtenbrüder.
Auf der Fabrik wehk's ſ<hwarzweißrot ...
Von Rudi Eims. |
» HN uf den weitausladenden Aeſten der Kaſtanien, die vor den Toren der großen Fabrik
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f 8 ſtanden, leuchteten zwiſchen dem ſaftigen Grün die roten Blütenkerzen. Vögel zwit-
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“DS (cherten ein Lied von Freiheit und Glück in den herrlichen Maimorgen. Wonnelech»-
zend öffnete der Flieder ſeine Kelche und erfüllte den Aether mit ſüßem, betäubendem Duſt.
Blendendweiße Sonne ſtrahlte vom tiefblauen Himmel und breitete ſich über die Dächer und
Mauern der Fabrik. Durch die ſchmutzigen Tenſter drängten der Arbeit brauſende Akkorde,
um mitzuſchwingen in die ſchimmernde Lichtfülle der lebensjauchzenden Frühlingsſym-
phonie. --
Ein Fenſter wurde geöffnet. Ein Arbeiter ſteckte den Kopf heraus und blickte intereſſiert
hinauf nach dem Dachfirſt des gegenüberliegenden Werkgebäudes. Dort war man mit dem
Hiſſen einer Flagge beſchäftigt. Zu Ehren des monarchiſtiſchen Generals, der heute der Repus-
blik, als Präſident, den Treueid ſchwören ſollte. Noch hing die Fahne ſchlapp am Maſt. Da
blähte ein Windſtoß das Tuch . . .
Die Augen des Arbeiters weiteten ſich.
„Gdwarzweißrot . . .?" murmelten ſeine Lippen.
„Ochwarzweißrot!“ ſprach er zu ſeinem Nachbar und deutete mit der Hand in die Höhe.
„Scwarzweißrot!“ lief es durch die Werkſtatt, durch den ganzen Betrieb.
„Schwarzweißrot!“ ſangen höhniſch die Maſchinen.
In den Fabrikſälen traten die Arbeiter zuſammen. „Sollen wir uns dieſe Provokation
gefallen laſſen?“ zu>te die Frage durch ihre Reihen. .
„Niemals!“ kam es aus rauhen Kehlen. „Wir arbeiten nicht unter dieſer Flagge.“
Sie verließen Drehbank und Schraubſto> --- ihr Strom ergoß ſich in den Fabritkhof.
Berklungen der Arbeit Melodie, ſtill ſtanden die Räder. --
Hunderte von Augenpaaren waren hinauf zum Dach gerichtet. Ihre republikaniſchen Ge»
fühle verleßzend, flatterte das ſchwarzweißrote Tuch frec< im Winde, Fäuſte. ballten ſich und
Rufe der Entrüſtung wurden laut...
„Arbeitsbrüder“, begann ein blaſſer, ſchmächtiger Arbeiter auf die Verſammelten einzu-
reden. Er klopfte mit der flachen Hand auf ſeine. Beinprotheſe -- ein ſchmerzliches Zucken
ſpielte um ſeinen Mund. „Ihr ſeht die Fahne da oben. Cuch geht es, wie mir. Alte Wunz-
den ſchmerzen wieder. Hört ihr den Marſchtritt der Regimenter, die in das Bölkermorden
hinausziehen mußten? Blühende Menſchen, liebende, hoffende Jugend. Denkt an die
Gdjüßengräben, die euch zu Totenkammern wurden. Hört ihr die Schreie, das Stöhnen der
Verwundeten und Sterbenden? Gelt euch nicht das ſehnſüchtige, herzzerreißende Wort ---
Mutter! -- in den Ohren, das Wort, das aus Seelennot und Todesſchmerz geboren, durch
gasverpejtete Luft zum Himmel ſchwebte?“
„Blut“, fuhr er fort, „bedeutet das Rot der Flagge, die über unſeren Köpfen weht. Das
Gdcwarz die Unvernunft, die unſere Brüder auf die Schlachtbank führte, Das Weiß den
grauenvollen Tod. Und unter dieſen Farben ſollen wir arbeiten?“
„Niemals! Herunter mit der Flagge!“ ſcholl es dröhnend über den Hof.
Der Ruf pflanzte ſich fort und brandete an die Türen und Venſter, hinter denen die
Werksdirektion mit den Wortführern der Arbeiter verhandelte.
„Es bleibt dabei!“ ſchrie der Direktor dem Obmann des Betriebsrates entgegen. „Ich
laſſe die Fahne hiſſen, die mir paßt.“
„Bewahren Sie den Betrieb vor Erſchütterungen. Rrovozieren Sie die Arbeiter nicht*,
warnte in ruhigem Ton der Obmann, der ſchon ſeit einer halben Stunde mit dem Direktor
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