Full text: Arbeiter-Jugend - 17.1925 (17)

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Arbeiter-Jugend 
Immer noch enge Straßen, windſchiefe Häuſer, ſchmale Gänge. Und in einer Gtraße, ein 
paar Häuſer weiter als vorhin, ſtand wahrhaftig noch das Mütterchen init dem Kartoffelſack 
und ſtöhnte. . 
„Kiek, dor is de narrſche Jung mit ſin Apenkaſten (Affenkaſten) all wedder!“ rief ſie 
mir nach. „Hol mal eben ſtill.“ Da hab ich meinen Wagen angehalten, und ſie iſt etwas 
höflicher geworden: „N ſchönen ſtarken Wagen. Wo wullt du dormit hen?“ 
„Rach dem Seumeplatz, Oma (Großmama), iſt dies der richtige Weg?“ 
„Bejie Jung, dor will i> ja ok hen. Weeßt wat? Du nimmſt min Sack up din Wagen, 
und i> wies di den Weg. Dat gele Frominſch (Frauenmenſch) hett -ja woll nix dagegen.“ 
3) hab ihr beim Auſladen geholfen. „Bloß nicht an der Blauer Grotte vorbei, Oma, 
da bin ich ſchon geweſen“. 
Die Ulte iſt immer ſtumm nebenher gegangen, immer tiefer in das Gängeviertel hinein; 
nur wenn es um die E>e oder in eine Nebenſtraße hineinging, hat ſie den Mund auf- 
gemacht: „Hierher, Jung! Paß doch up!“ Zuletzt hat ſie geſchimpft, als ob ſie mit ſich 
jelber ſpricht: Jeden Tag dieſelbe Schlepperei, wenn ſie den Kram für ihren Laden zuſammen- 
holen muß, und kein Menſch hilft ihr. 
Endlich ſind wir vor ihrem Laden geweſen, der lag tief unten im Keller, da hat ſie Prr! 
fommandiert. Und hat die Hände in die Seite geſtemmt: „Segg mal, Jung, biſt du jeden Dag 
mit dat vogelige (verrückte) Bild unnerwegen5? Is doch ne Schanne, dat ſon Frominſd 
mit ehre geſunnen Been ſi> rumfohren lett, un i> ole Perſon mutt mi ſchinnen un plogen. 
Morgen um diſſe Tid biſt wedder hier, min Jung, verſteiſt mi?“ 
Dann hat ſie ihren Kartoffelſa> die Treppen hinunter in den Keller gezogen und bat 
mich ſtehen laſſen. Und vom richtigen Weg hat ſie überhaupt keinen Ton geſagt. Recht hat 
ſic wohl, hab ich gedacht, aber eine Apfelſine hätte ſie mir doch wenigſtens dafür geben 
fönnen, daß ſie mich als Packeſel gebraucht hat. Sie hat mich ſchön in der Gegend herum- 
gezogen; an einem ganz andern Ende der Stadt bin ich aus dem krummen Viertel wieder 
zum Vorſchein gekommen. | | 
Meine drei Stunden ſind längſt umgeweſen, als ich bei Schönemann ankam und den 
Wagen wieder an ſeinen Plaß ſtellte. Fritz Schottmeier war ſchon fertig zum Weggehen. 
„Kanu“, ſagie Herr Schönemann, „ſchon zurück? Jetßt geht der Betrieb in den Straßen 
doch erſt recht los!" Und hat gleich den Hörer in die Hand genommen: „Hallo, habt ihr 
unjern Boten vom Kontor aus geſehen? Nicht? Hat nicht geblißt? Aha! Schluß.“ Und 
ich hab eine lange Strafpredigt zu hören gekriegt, daß ich ſeinen Auftrag nur mit einem 
Ohr angehört oder mich herumgetrieben habe. 
Erſt hab ich nichts darauf geſagt; ich war ja baff, daß er mit dem Telefon hinter mir 
berguden kann. Daß ich aber noch keinen Feierabend haben ſollte, hat mir nicht gepaßt. 
„Drei Stunden iſt bloß abgemacht, und das iſt auch alles, was die Polizei erlaubt“, hab ich 
patzig geſagt und bin hinausgegangen. : : 
Die Uniform hab ich wohl zum erſten- und zum letztenmal angehabt, hab ich beim Um- 
öiehen zu Schottmeier geſagt. Schottmeier hat aber gelacht; er hat an der Tür gelauſcht 
und wußte ſchon alles. „Keen Jedanke, Peter. Zu Blitz jehört ooch n - Donnerwetter. 
Morjen früh is wieder der ſcheenſte Sonnenſchein, da kannſte dir heilig zu verlaſſen. Bloß 
wat veinen Umjang mit Menſchen anbelangt, da mußte dir noch ändern. Du mußt die 
höheren Weſen nich ſo unjnädig vorn Bauch ſtoßen.“ .- 
== 44244 44424222 2 24 ( d 67 Kan AÜ duu 
r-Lehrgang in Tännich. bilden. Aus allen deutſchen Gauen etpit 
Kürzlich veranſtaltete der Hauptvorſtand aus dem Freiſtaat Danzig) waren Teilneh» 
 
  
  
 
  
 
 
Dd. 4 
5 [3 
ae, El 
unſerer Sozialiſtiſchen Arbeiterjugend Deutſch- 
lands im herrlich gelegenen Friedrich-Ebert» 
Seim des Verbandes einen ſehr gutbeſuchten 
Kurſus für Jugendwanderer. Dem Plane 
lag die ÜÄbſicht zugrunde, durch eine acht» 
tägige gründliche Schulung geeignete Wander- 
führer für die einzelnen Bezirke heranzu- 
mer, darunter auch vier Mädel, erſchiene. 
Die meiſten waren bereits am Oſtermontag 
eingetroffen, von unſerem freundlichen Heina- 
verwalter, Genoſſen Karl Heintz, auf . das 
herzlichſte bewillkommnet, und hatten ſo G.:e- 
legenheit, den Betrieb unſeres Ferienhein1s 
eingehend kennen zu lernen. - |
	        
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