WW Arbeiter-Jugend
bei der Heimkehr damit zu ſchmüden. Was würde die Polizei ſagen? .Ihr mußie ein
Ednippen geſchlagen werden.
Die Gruppen des Arbeiterjugendbundes trafen in mehreren kurz aufeianderſolgenden
Zügen auf dem Hamdurger Hauptbähnhof ein. Die Führer wußten Beſcheid. Die Gruppen
ſianden verteilt um den Bahnhof, bis alles da war, Die ſragenden Poliziſten erhielten
beruhigende Erklärungen, man würde ſoſort abmarſchieren. Durch Kundichafter war feſt-
geſtelli, daß am Denkmal „die Luft rein“ ſei. Das Signal kam. Alle Gruppen ſetzten ſich in
Bewegung. In wenigen Augenbliden war ein ſtarker Zug ſormiert, und mit flinken
Schritten eilte die Jugend zum Denkmal. Es mußte alles ſehr raſch gehen. Wenn vie Polizei
kam, mußte man fertig ſein. Dicht gedrängt ſtand die Arbeiterjugend am Denkmal, vas von
einigen Genoſſen mit den großen mitgebrachten Kränzen geſchmücdt wurde. Ein Junge
jprach ein Gedicht, ein anderer hielt eine kurze Anſprache, dann ſang die ganze Menge leiſe,
andächtig das feine Liedchen: „Leiſe zieht durch mein Gemüt, liebliches Geläute . . .“ Als
der lezte Klang verhallt war, verſchwand die Jugend eilenden Schrittes.
In den folgenden Nächten haben immer einige unſerer Jungen beim Denkmal Boſten
geſtanden.
Die Zeit verging, die Gemüter beruhigten ſich. Bis eines Tages abermals die Kunde
kam, nichtsnutzige Dredſinken hätten ein neues Attentat auf das Heine-Denkmal vollführt.
Wioderumn ſtaute ſich die Menſchenmenge vor dem Denkmal. Jeden Tag dasſelbe Bild.
Dod) eines Tages nicht mehr dasſelbe, jondern ein anderes. Die Menge beſchaute nicht
mehr das Denkmal, ſondern . .. einen großen, ſeldgrau angeſtrichenen
Holzkaſten. Das Heine-Denkmal war eingeſperrt worden und iſt es noc< heute. Wenn
ihr nac) Hamburg kommt, verſäumnt nicht, es eu< anzuſehen. Iſt das nicht eine Löſung
von imponierender Einſachheit? Hinter dieſer gemeinen Holzwand da ſitt er nun, der
große Dichter, deſſen Werle zu den meiſtgeleſenen der Welt zählen, der in allen Kultur-
ländern hoch geſchätzt wird. Da ſizt er nun in ſeinem Seſſel, leicht vorgebeugt und ſchaut
ſinnend . . . gegen die Holzwand.
Und die nichtsnutßzigen Dredfjinken haben geſiegt. Max Weſtphal.
Hamburger Kunfft.
H-Ddvenn ich Jugend, die unſere Stadt kennenlernen will, mit ihrer Kunſt vertraut
3 5 93 machen möchte, ſo würde ich ſie, wie man es ſonſt mit „Fremden“ tut, nicht
pr zuerſt ins Muſeum führen, um ihnen den koſtparſien Kulturbeſitz, den unſer
Gemeinweſen bewahrt, zu zeigen. Ich führte fie auf die Plaitform der Michaelskirche,
um ſür ihren Blik das zuſjammenzuſchließen, was vie Stadt als Organismus bedzutet.
Und ich würde ihnen dort ſagen: In dem Lehrbuche für Erdkunde, das euch als
Schülern in die Hand gegeben iſt, wird von München geſagt, dieſe Stadt ſei vank der
Fürſorge ſeiner Fürſten eine. Hauptpflegeſtätte deuiſcyer Kunſt und deutſchen Kunſt-
gewerbes geworden. Und ich würde hinzufügen: Hamburg iſt keine Kunſtſtadt. Nie-
mals hat ein Fürſt ihr das Gepräge ſeiner Macht gegeben. Was ſie geworden iſt,
wurde ſie durc) die Tatkraſt ihrer Bürger, die auf vem gegebenen Boden am Ufer der
Elbe das geſchaffen haben, was vor dem Bli> liegt. Ich würde ihnen zeigen, wie auf
dem Marſchboden an den Ufern der Elbe das entſtanven iſt, was wir den Stadikern
nennen, das einſt von vem Feſtungsgürtel eng begrenzie Gebiet, wie es der Raum
bietet, auf dem Hamburg gewachyſen und weiter zu gedeihen berufen iſt, und ich
würde ſie die geſtalteriſchen Mächte ahnen laſſen, die durch die Jahrhunderte den
Erdboden am Etrom und dieſen ſelbſt ſo geformt haben, wie er jetzt ſichtbar unter
uns liegt. Was hat Geſchlecht auſ Geſchlecht an Erfindungsgabe, Umſicht und politi
icher Klugheit aufwenden müſſen, um die Elbe zur „Lebensader“ Hamburgs z1
machen?! Der Hafen wird ſtets aufs neue wieder zu einem techniſchen Problem in
elementarer Bedeutung. Wie hat man es angeſangen, dem Strom eine Tiefe von
12 Metern ſchaffen zu helſen, die auch den Schiffen größten Ausmaßes den Zugang