Arbeiter-Jugend | „263
Hamburg und der Hanſabund.
PB -4y vd heute nennt ſich Hamburg --- neben ihm Bremen und Lübeck -- mit Be-
5 A tonung eine Hanſeſtadt. Der Stolz auf dieſen Namen, auf die Zugehörig-
'& Seit zu dieſem einſt mächtigen Bund norddeutſcher Städte, iſt durchaus be-
rechtigt. Bei aller üblen Dituerei und falſchen Sentimentalität heutig2r Spießbürger
und Kriegervereinler, die mit dem „Hanſeaten“ium koketiieren, ohne von ſein2in
wirklichen Weſen eine Vorſtellung zu haben, iſt es eine Tatſache von geſchichtlicher
Wucht, daß die Hanſe die größte und eigenartigſte Leiſtung des alten Bürgertums
an der deutſchen Oſt- und Norvſee darſtellt. H u
Kaufhandel treiben war im Mittelalter wahrlich kein bequemer Beruf und kein
ſicheres Brot. Ueberall, zur See wie zu Lande, war der Kaufmann, der in jenen
Zeiten faſt immer ſeine Ware perſönlich bei der Aus- und Einfuhr begleiteie, in
Gefahr, beraubt und gekränkt zu werden. In der Auffaſſung der damaligen, von
keinerlei völkerrechtlichen und kaum von nationalen Bedenken angetkränkelten ſeß-
"haften: Menſchen war der Handel eines Volks- oder auch nur Ortsfremden eigentlich
grundſäßlich vogelfrei. Daran änderten Erlaſſe von Kaiſern und Päpſten nicht viel.
Ein barbariſches Strandrecht machte den Schiffsverkehr, allgemeine Uebung des
Straßenraubs und der Zollerpreſſungen durch Fürſten und Ritter, ſowie das zah
feſtgehaltene Recht der „Grundruhr“ machten den Güterverkehr zu Land höchſt un-
ſicher. Wenn das Schiff ſtrandete oder der Flußkahn auf Grund geriet, war die
Tracht dem Eigentümer verloren. Das ausgeworfene, angetriebene Gut verfiel den
Strandbewohnern oder dem Herrn des Landes. Was der Schiffbrüchige ſelbſt barg,
ward ihm roh entriſſen, er ſelbſt oft erſchiagen, vamit man ihm alles nehmen konnte.
Der Wagen, dem ein Rad brach und deſſen Achſe die Straße berührte (daher der
Begriff der „Grundruhr“), gehörte ebenſo wie die herabfallenden oder -geſtoßenen
Warenballen dem Grundeigentümer. Gelangte der Kauſmann mit unverſehrtom
'Fahrzeug ans ferne Ziel, ſo ſtand er recht- und ſchutzlos der Willkür des Marktherren
und dem Handelsneid der Einheimiſchen gegenüber. Starb er zum Beiſpiel in der
Fremde, ſo ward ſein Gut vom Landesfürſten weggenommen. Hatte vor ſeiner
Ankunſt und ohne ſein Zutun und Wiſſen ein Landsmann von ihm irgendein Unrecht
verübt, jo wurde er ſchonungslos als Geiſel feſtgehalten, heraubt oder gar am Leben
bedroht.“ Daß :trog dieſer Erſchwerungen überhaupt in ſolchen Zeiten Handel ge-
trieben wurde, iſt nur erklärlich aus den außerordentlich hohen Profiten, die deim
Glüdlichen winkten. - | u
Um nun den überall drohenden Gefahren beſſer begegnen zu können, ſchloſſ2n
ſich die deutſchen Kaufleute im Ausland zu Genoſſenſchafien zuſammen, di»
'gemeinſam ausfuhren, gemeinſam am fremden Markt ihr Gut und Leben verteidigten
„und gemeinſam Gchuß- und ſogar Vorrechte von den fremden Machthabern er-
wirkten. So entſtand eine „Hanſe“, d. h. Vereinigung, deutſcher Händler in Wisb y
auf der Inſel Gotland, von wo aus der Oſtſeehandel ſich am ſicherſten betreiben ließ.
Wisby war vor achthundert Jahren eine ſehr große und reiche Stadi mit achtzehn
Kirchen. Die Sage erzählt, daß die Haustüren in Wisby aus Kupfer, die Fenſter
vergoldet geweſen ſeien, die Hausfrauen hätten mit goldenen Spindeln geſponnen,
die Schweine aus ſilbernen Trögen gefreſſen. Die rieſigen Trümmer der alten
Stadtmauer bezeugen noch heute die frühere Größe dieſer Stadt. Hier trafen ſich die
Lübeder, Wismarer, Roſto>er, Stralſunder, Danziger mit den Schweden und Finnen
und ſchufen ſich genoſſenſchaftlich eigenes Handelsrecht und Sicherheit. Von hier fuhr
man in geſchloſſener „Hanſe“ (Schar) in den Finniſchen Meerbuſen durch die Newa
und den Ladogaſee, die Wolchow aufwärts nach dem blühenden altruſſiſchen