350 Arbeiter-Jugend
neg,
Werden, jei es in mühevoller Arbeit, in ruhiger Betracytung oder auch im genießenden Auſ-
nehmen leichterer und doc) wertvoller Geiſtesnahrung. Vorausfezung ſür alles iſt eine ge-
wiſſe innere Vorbereitung und eine Beſreiung von Einjtüſſen der Außenwelt, die eine Zu-=
jammenſaſſung der inneren Kräfte auf den aufzunehmenden Stoſſf zuläßt. Traurig genug,
wo beides in der Haſt des erſchöpfenden Alliagstreibens, in der Ruhelofigkeit des nirgends
heimiſchen modernen Nomaden unmöglich iſt. Die meiſten aber werden in der Lage ſein,
ſich wenigſtens in einem gewiſſen Maße dieſe Sammlung ſür eine gewiſſe Zeit zu verſchaffen.
Es iſt gar nicht notwendig, daß das an jedem Tage mehrere Stunden ſind. Die Maſſen-
auſnahme geiſtigen Stoſſes wird zumeiſt deſſen ernſtliche Verarbeitung verhindern. Ab-
geſehen von wenigen, beſonders bevorzugten Köpfen, die, oft ſreilich nur auf Koſten ihrer
Geſundheit und Lebensdauer, ſolc<e doppelte Arbeit zu leiſten vermögen, wird es ſich dann
auch meiſt um wenig gehaltvollen, oft im höchſten Grade minderwertigen Leſeſtoff handeln.
Nicht bloß wiſſenſchaftliche Bücher, auch Dichtungen und ſelbſt die an ſich leicht lesbaren
Romane laſſen ſich, wenn ſie wirklich Kern und Gehalt haben, nicht als Maſſenfutter ver:
ihlingen. Alſo wenigund gut!
Was iſt eigentlich ver Büchßer?reis ?
Von Paul Gerli4.
er vor einem Jahr begründete „Bücherkreis“ iſt in den Kreiſen der Jugendgenoſſen
D YFnicht fo bekannt, wie er es eigentlich verdient. Iſt er doch ein Stüc> ſozialiſtiſcher
/ Kulturarbeit, hochbedeutſam in den Anfängen und richtunggebend, was das Prinzip
ſeiner Organiſation angeht, für die Zukunft. Die überaus raſche Entwicklung, die er ges
nommen hat -- 20 090 Mitglieder in einem Jahr -- beweiſt, daß die ihm zugrunde gelegten
Gedanken von breiteſten Schichten für richtig gehalten werden.
Der „Bücherktreis“ iſt eine Vereinigung, die Bücher, wie ſie der Weltanſchauung - der
arbeitenden Maſſen entjprechen, in techniſch erſtklaſſigen Ausgaben zu verblüffend billigem
Preiſe herausbringen will. Man bezahlt, ohne ein Eintrittsgeld zu entrichten, 1 Mk. monat-
lichen Beitrag und erhält vafür vierteljährlich ein Buch und außerdem gratis eine illuſtrierte
Monatsſchrijt. m
Das Prinzip, das der Organiſation zugrunde liegt, iſt jedem Sozialiſten geläufig. Es
iſt das Prinzip der genoſſenſchaftlichen Gemeinwirtſchaft, wie wir es von den Konſum:
vereinen her kennen. Es iſt übertragen worden auf das literariſche Gebiet.
Wenn ſich eine Anzahl Leute zuſammentun und ſagen, wir vereinbaren, Bücher einer
von uns beſtimmten Gattung in beſtimmter Auflage für uns zu drucken, ſo wird dadurch der
kauſmänniſche und techniſche Abwicklungsprozeß außerordentlich vereinfacht und, was das
Entſcheidende iſt, weſentlich verbilligt gegenüber der Methode des freien, privatwirtſchaft-
lichen Vertriebs. Daraus erklärt ſich die auffällige Villigkeit der Bücherkreis-Bücher, zu der
noch die Lieſerung der koſtenloſen Monatsſchriſt kommt, obwohl dieſe Monatsſchrift mit
ihren vielſarbigen Wiedergaben von Gemälden alter und neuer Meiſter und in ihrem
jonſtigen reichen Inhalt keine billige Angelegenheit iſt.
Nun werden manche ſagen, es paßt mir gar nicht, daß ich Bücher einer beſtimmten
Gattung, eben die Bücher, die der Literariſche Beirat des Vücherkreiſes ausſucht, in die Hand
gedrü>t bekomme. Ich will frei wählen können unter einem Haufen von Büchern.
Wer jo denkt und ſpricht, iſt nicht in die Tieſe gegangen. Der „Bücherkreis“ iſt ein
weltanſchaulich geſchloſſener Kreis. Es wurde ſchon geſagt, daß er Bücher herausbringt, wie
ſie der Weltanſchauung der arbeitenden Maſſen entſprechen. Soll der Schund ausſcheiden,
joll eine beſtimmte Höhe des literariſchen Niveaus innegehalten werden, ſo iſt damit ſchon
eine gewiſſe Umgrenzung des Verlagsprogramms gegeben. Da der Bücherkreis ferner keine
politiſche Literatur pſlegen will, ſondern ſchöngeiſtige und populär-wiſſenſchaftliche, allgemein
intereſſierende Bücher herausbringt, iſt abermals die Umgrenzung noch enger gezogen. Sie
hat aber damit ein ſcharſumriſſenes Terrain erreicht, das jedem nur genehm ſein kann, der
es ernſt meint mit der Pflege proletariſchen Kulturlebens.
Man muß außerdem jolgendes bedenken: Die Mitglieder des Bücherkreiſes wählen
Obleute, die die beſonderen Wünſche der Mitglieder hinſichtlich der zu pflegenden Literatur