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erſten, Jtarken Berührung mit dem jahrtauſendealten <ineſiſchen Geiſt. Dieſer „war“ vllens
was die Japaner bisher geſchaffen, ſo himmeiweit überlegen, daß der angefangene eigens
Bau als zwecklos ſaſt völlig verſiel und die Japaner mit Hout und Haaren unter 4Hineſiſchen
Einſluß gerieten. .
Mit der <ineſiſchen Kultur, die den Kaiſergedanken, die Formen - chineſiſcher Bureau»
kratie und dem Buddhismus nach Japan brachte, drang auch <ineſiſche Kunſt, auf.-dem
Umweg über Korea, im Inſelreich ein. Japan nahm ſie mit Begeiſterung auf, paßte ſie
ſeinen eigenen Bedürfniſſen an, verlor aber niemals die enge Verbindung mit den großen: por-
bildlichen <ineſiſchen Meiſtern. Der eigentümliche oſtaſiatiſche Kunſtcharakter, den die Chinejen
Ichufen, findet ich) Darum auch in allen japaniſchen Werken.
Während ver Herrſchaft der Han-Dynaſtie (von etwa 200 v. Chr. bis etwa 200 n. Chr. ).
waren in China die Grundbedingungen für eine reiche Kunſtentfaltung geſchaffen worden.
Die Staatsform wurde gefeſtigt, die Wirtſchaft blühte empor. Aber erſt, wenn die [c<were,
grobe Arbeit getan iſt, kommt die zarte Pflanze der Kunſt zur vollen Entfaltung. Die Tang-
Zeit (618--907) konnte genießen, was die vorhergehenden Generationen geſchaffen hatten,
Neben die von religiöſer Begeiſterung getragene Kunſt. des Buddhismus trat eine. heitere
Auffaſſung des Lebens und die ihr entſprechende klaſſiſche Kunſt. Wollen wir ſie ganz ver-
ſtehen, müſſen wir von der „Schrift“ den Ausgangspunkt nehmen. Der Schönſchreiber, der
Kalligraph, ſtand in der Schäßzung der Kenner höher noch als der berühmteſte Maler. Für
uns iſt das nicht recht erſaßbar. Betrachten wir aber die hinperlende Schönheit einer wahrhaft
vollendeten <ineſiſchen Schrift, von der Abb. 11 (im Text) nur einen ſchwachen Abglanz gibt, ſo
können wir uns ihrem Reiz nicht verſchließen und müſſen verſtehen, wie ſie den Kenner zu
höchſter Begeiſterung brachte.
Die Liebe zur Kalligraphie, gur Schönſchreibkunſt, offenbart den tieſſten Sinn der oſt»
aſiatiſchen Kunſt. Nicht um Wahrheit oder um Wirklichkeit iſt ſie bemüht, ſondern um ein
Symbol (Sinnbild). Schriftzüge aber ſind die reinſten, von jeder erdennahen , Bindung
befreiten Symbole. Darum werden ſie vom Kenner geliebt. Solche Schäzung der Kalli»
graphie hat die Malerei in den Bannkreis des ſchreibenden Pinſels gezogen. Auch die Bilder
werden mit Pinſel und Waſſerfarbe auf jaugendes Papier oder auf Seide „geſchrieben“. So
werden die Bilder Symbole, Ideogramme (Begriffszeichen) der dargeſtellten Gegenſtände.
Um Naturtreue iſt der große oſtaſiatiſche Künſtler höchſtens in den Endzeiten bemüht. Die
„tlaſjiſche“ Kunſt aber bringt jymbolhajte Andeutung zur höchſten Vollendung. Der Chineſe
malt eine Landſchaft, einen Bli> in die Ferne, ohne auch nur eine Linie der in der Ferne
vorhandenen Dinge zu geben. Der Aſt eines Baumes, der Rand eines Abſturzes und ein
Jinnender, ausblikender Mann genügen, um dem Betrachter auf leerer Seidenfläche Fernen
vorzugaukeln, die kein Pinſel jo gart, ſo duftig, [1o fein hätte darſtellen können, wie der durch
des Meiſters kühne Striche angeregte, das Leere ausfüllende Geiſt. (Abb. 3, Beilage.)
Japaniſche Malerei, durch Chinas Ginfluß zum Leben erwedt, ruht auf dem gleichen
geiſtigen Grunde. Sie verzichtet auf Täuſchung. Sie iſt jymbolhaft, ideal und“ damit
dekorativ. Als „ſchreibende“ Glächenkunſt kennt ſie keine „Körper“, keine „Rundung“ und
auch keinen „Schatten“. All das würde einen dem Symbolhaften weſensfremden Naturalismus
(Naturnachahmung) und Realismus (Wirklichkeitsſinn) bedeuten. Der DOſtaſiate will nicht
malen, wie die Dinge ſind, und will auch nicht malen, wie ſie erſcheinen. Er kennt unſern
weſteuropäiſchen Individualismus *) nicht. Er fühlt ſich als Teil des ihn umgebenden Kosmos
(Alls), trennt ſich nicht ab von der Welt der Natur, ſondern lebt in ihr. Er malt ſeine
Bilder darum auch nicht perſpektiviſch. Berſpektive iſt höchſter Ausdru> des Individualismus,
denn ſie zwingt die Natur in ein durc unſeren perſönlichen Standpunkt gegebenes Schema.
Der Oſtaſiate, dem die Natur frei iſt vom Ich, malt jedes Ding nach ſeiner Bedeutung, oder
beſſer: er ſetzt ſein Symbol, ſeine Begriffszeichen dafür. Wie ſich das Bild einem Schrift»
zeichen annähern kann, zeigt das Jdeogramm eines Pferdes in Abb. 3 (Beilage). |
Die aus fremder, <ineſiſcher Kultur übernommene Kunſt kann ſelbſtverſtändlich nicht
Igfort im japaniſchen Volke Wurzel faſſen. Sie bleibt ein Erlebnis der führenden Geiſter, ein
Erlebnis der Ariſtokratie. Ia, die Maler ſelbſt gehören Jahrhunderte lang den adligen
Familien an, Vom 14, bis zum 16. Jahrhundert wird Japan durch innere Kriege erſchüttert,
*) Auffaſſung, die von der Perſönlichkeit ausgeht.