Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Arbeiter-Jugend 117 
gute Werkzeug abzuſtumpfen!" Mit dem Hantieren an den Maſchinen hatte es auch) ſeine 
Bewandtnis. Das kommt ſpäter, ſagten die Geſellen, er ſolle erſt einmal lernen, einen geraden 
Strich zu feilen, und im übrigen: „Helmuth, dort im Regal ſteht eine Kaffeekanne, die holſte 
voll warmes Waſſer, aber dalli, und in der Mittagspauſe gehſte zum Krämer und bringſt 
zwei Rollmöpſe mit!" Was ſollte er dagegen unternehmen? u 
Einmal hatte er zu widerſprechen verſucht, da waren ihm ein paar Holzpantinen um 
die Ohren geflogen. Das beſte war, man biß die Zähne aufeinander uyd ließ über ſich 
ergehen, was kam. Nur das konnte er nicht verhindern, daß er mit jedem Morgen wider» 
williger ſeiner Arbeitsſtelle zuſtrebte, daß er immer häufiger währen5 der Arbeitszeit den 
Klang der Feierabendglo>e herbeiſehnte, damit er hinaus kam aus dem langſam zum Zucht» 
haus werdenden Fabrikgemäuer, dorthin, von wo her, auch burch bei&unutzte und ölige Fenſter 
ertennbar, das Grün der waldigen Berge lockte. | hp. 
 
 
Die Arbeiterjugend und der Krieg. - 
MES it der Fanfare „An die deutſche Jugend!“ wendet ſich der „Volksbund deutſche 
y 8 8 Kriegsgräöberfürſorge, e. V.“ an die Schulen und mutet in den Kernſäßen ſeines 
&- K 8» Jlugblattes den Lehrern und Schülern folgende Gedankenloſigkeiten zu: - 
„Du. liebe, begeiſterungsfähige, aufopferungsbereite deutſche Jugend, dir ruft der 
Volksbund zu: 
1. Vergiß nie, was deine Väter und Brüder in den Jahren des Weltkrieges geleiſtet haben! 
2. Vergiß nie, daß ihr Leben und Leiden euch galten! 
8. Vergiß nie die Jugend von Langemard>, die ihre Heimat mehr liebte als ihr eigenes 
Leben! 
4. In dem Geiſt, in dem ſie ſtarben, wollen wir leben!“ 
Das ſind nur die eingerüd>ten oder fettgedruckten Sätze. Aber ſie genügen wohl, die 
Abſicht volikommen erkennen zu laſſen. 
Gibt es vielleicht immer noch Lehrer und Schulleiter, die ſich das bieten laſſen? Oder 
die vielleicht in den aufgeblaſenen hohlen Sätzen des Vlugblattes ſich nicht ungern wider- 
ſpiegeln? Dreizehnjährige Schüler einer Frankfurter Arbeitsſchule gerieten in Aufregung, 
al5 der Lehrer ihnen das Flugblatt vorlegte. Die Ausdrücde der Entrüſtung ſind hier nicht 
wiederzugeben. Aber die Kritik, die dann ſchriftlich niedergelegt wurde, enthielt folgende 
Kernſäßze: 
Zu ?: Nein, das werden wir nie vergeſſen, was unſere Väter gelitten haben. Erſt 
geſtern hat die Mutter Vaters Briefe vorgeleſen, die nichts als Klagen und Groll über den 
unſinnigen Krieg enthalten: „Wir werden wie das Viey zur Schlachtbank kommandiert“ uſw. 
Zu 2: Für uns brauchten ſie nicht zu ſterben und zu leiden. Für uns konnten ſie daheim 
viel beſſer ſorgen, ohne ſterben zu müſſen. Für uns hätten ſie das Vurchtbare nie getan. -- 
Man hat ſie in den Krieg mit Todes- und Zuchthausſtrafen gezwungen. 
Zu 3: Langemar>, dieſes Schandkapitel wahnſinniger Heeresführung! Weil man 
dort dumme brave Jungen vor ſich hatte, konnte man ſie in die englijcgen Maſchinengewehre 
heken. Sie mußten noch dazu ſingen. Nein, das werden wir nie vergeſſen. Nach Vater 
und Mutter haben ſie geſchrien in ihrer Hilfloſigkeit. Und die Kommandierenden ſtanden 
hinten am den Scherenfernrohren und ſchrieben im Fanfarenton des „Volksbundes“ Sieges- 
depeſchen. Arme betrogene Jungen von Langemarc>, wir werden euer gedenken, aber 
anders, als der „Volksbund“ vorausſeßt! 
Zu 4: In dem Geiſt, in dem unſere Väter und Brüder ſtarben, dem Geiſt und Ungeiſt 
dieſer Gemordeten, wollen wir nicht leben. Wir wollen dafür ſorgen, daß der Weitkrieg 
der lezte Volksbetrug geweſen iſt. Wir ſagen das nicht aus Feigheit. Wir ſind vielmehr 
bereit, unſer Leben einzuſezen, wenn es die Menſchheit emporzuſchaſſen gilt. Nicht für 
Landesgrenzen geben wir unſer Biut. Auch nicht für Kronen, Kanonenkönige und Generale. 
Für die, die am meiſten leiden in der Welt! Für die kämpfen und ſterben, das wollen 
wir, du [chwarzweißroter volksfeindlicher Volksbund! granfk. 

	        
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