Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Arbeiter-Jüged 2 u os J78 
allen genoſſen werden konnten, wurden damit zum zeik- und ortsgemäßen Ausdruc> 
neuen Schönheitsſinns. Die intime Wirkung graphiſcher Blätter begegnete keinem 
allzuſtarken Intereſſe. 
Ganz anders in Deutſchland. Das Klima verweiſt uns für einen großen Teil 
des Jahres auf's Haus, in den engen perſönlichen Kreis. Wurde in dieſem, unter 
vem Einfluß der Zeit, die Liebe zum Kunſtwerk lebendig, ſo mußte das Bedürfnis 
nad) handlichen, billigen, jedermann zugänglichen Bildern erwachſen. Dieſe aber 
liefert die Graphik. | 
Sie bringt, als neue Kunſtform, wertvolle Freiheit mit ſich. Alle Tradition, 
welche die große, kirchlich gebundene Malerei noch lange beſchwert, iſt ihr nicht 
bekannt oder ſtreift ſie nur von fern. Man benußt die graphiſchen Blätter zwar 
gelegentlich als „Gemäldeerſatz“, kann ſich längere Zeit von ihrer Kolorierung 
nicht befreien, | nächſtnicht hod). 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
überwindet ; Wie im fernen 
aber doch ver- | Oſten verlangt 
hältnismäßig das Volk nach 
raſch alle inne- Andachts- 
re Gebundens- bildern, nach 
Heit und macht Erinnerungs- 
damit die Gra- blättern an 
phik zum wah- Wallfahrtstage 
ren Spiegel der und -- nad) 
Zeit. Als ſol» JZ u 0 WA Vie Spielkarten 
<her ſind die RERSEITS ZE DIES b SS SNHS Ez auch. Die Künſt» 
Blätter in eng- EDERSEE STAA ZARGEN RA S8 ler ſchaffen die 
ſter Wechſelwir- Ga et DID GEE A 2 Blätter und 
kung mit den WIEN ſchaffen ſie gleich 
Bedürfniſſen am Anfang in 
des Publikums hoher BVollen- 
verbunden. emi NEIN II DENK ES 22 | dung. Es iſt 
Dieſe ſtehen in “ dieſelbe Erſchei- 
künſtleriſcher Abb. 4. Bildnis der Trivulzia 1497, nung, der wir 
Beziehung zu- | ſchon in Oſtaſien 
begegneten. Die erſten Produkte einer neuen Technik ſind meiſt nicht taſtende Verſuche, 
ſondern erweiſen ſich als künſtleriſch wertvoll, weil nur die beweglichſten, tüchtigſten 
Kräfte von ver neuen Arbeitsweije angezogen werden. Die bloßen Hand»- 
langer ſind träge, nehmen das Neue erſt an, wenn es ſich ordentlich eingeführt hat, 
und verhelien ihm dann dur) ihre verhängnisvolle Liebe nach der erſten Blüte zu 
einem verhängnisvollen Abſtieg. | 
Die handwerksmäßige Verflachung des Bilddru>s ſeßzte die Graphik in den 
Augen der Gebildeten herab, was wiederum eine weitere Verflachung der graphiſchen 
Künſte, denen kein Großer ſich zuwandte, bedingte. Die Vornehmen hielten ſich an 
geſchriebene Bücher und gemalte Miniaturen (kleine Bilder in den Büchern). 
So war die Graphik ganz auf die Bedürfniſſe der „Aermeren im Geiſte“ angewieſen, 
auf die Bedürfniſſe der einfachen Leute, die im Gegenſatz zu früher aber doch 
immerhin ſc<on Bedürfniſſe hatten. Es entſtanden darum, was auf den erſten Blick 
höchſt jonderbar erſcheint, gedru>te Bilderbücher vor den eigentlichen Büchern. 
„Blodbücher“ ſind ſie genannt, und bringen für den einfachen Geiſtlichen oder Laien 
eindringliche Bilder aus den heiligen Geſchichten oder moraliſierende Schriften mit 
kurzen, erſt eingeſchriebenen, dann auſ denſelben Blo> geſchnittenen Texten (Abb. 1.),
	        
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