Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

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174 Arbeiter-Jugend 
' Die Bildung, das ganze Mittelalter hindurch faſt ausſchließlich Privileg der 
Geiſilichen und Mönche, breitete ſich in der Zeit erwachenden Bürgertums immer 
raſcher aus. Damit wurde das Verlangen nach Büchern in weite und weitere 
Kreiſe getragen, und die Erfindung des Drucks mit beweglichen Leitern, die allein 
vas Buch verbilligen konnte, war notwendig geworden. Die Kreiſe, die jezt Bücher 
kaufen konnten und fauften, wollten die Bücher illuſtriert. Damit trat an den 
Holzſchnitt eine neue Aufgabe heran. Es galt nicht nur für die Bedürfniſſe mehx 
oder weniger ungebildeter Kreiſe Holzſtöke zu ſchneiven, ſondern höher liegenden 
Anſprüchen voll zu genügen. Eine zweite Blüte des Holzſchnittes nach dem erſten 
raſchen Verfall war die Folge. Am Ende des Jahrhunderts lieferten wieder Künjtlex 
die Zeichnungen für den Sto>, und tüchtige Holzſchneider verſuchten den. Ab» 
ſichten der Künſtler möglichſt nahe zu kommen. Eine große Reihe hervorragen» 
der illuſtrierter ten, ohne Hilfs 
Werke entſtand. WK einer Werkſtatt» 
 
Gie behandel»- Überlieferung zv 
ten, dem Geiſt loſen. (Abb. 3.) 
der neuen Zeit Als Bildillu» 
entſpredend, tration war der 
nicht nur religi- Holzſchnitt aud) 
öſe, jondern auch in Italien bes» 
Höchſt weltliche rufen eine große 
Themen, und ſie Rolle zu ſpielen, 
zwangen damit denn Idas Be» 
den Künſtler dürfnis gebilde» 
alle Traditionen ter Schichten 
zu vergeſſen, um. nac< BBüchern 
die nie da? war dort no) 
geweſene Auf- =8 größer als dies» 
gabe mit ur- YAbb.5. Iuftration einer venezianiſchen Dru>erei 1499. ſeits der Alpen. 
eigenſten Kräf»- Die Graphik, die 
als Einzelblatt in dem von monumentalen Kunſtwerken geſegneten Land zunächſt 
keine große Rolle geſpielt hatte, fand als Buchbild Gelegenheit, ſich in echt italieniſche 
Formen zu kleiden, die uns die Bodenſtändigkeit der Künſte eindringlich vor Augen 
führen. Es iſt eine andere Welt, die wir erbliden. Hell, leuchtend und klar, wie die 
italieniſche Sonne ſie malt, wie die antiken Denkmöler ſie ſpiegeln, treten die Formen 
in ſcharfen Umriſſen hervor. (Abb. 5.) An die Intarſienarbeit der Tiſchler erinnert 
das Nebeneinander weißer und tiefſchwarzer Flächen. Helle Lebensfreude ſteht 
neben der Bußpredigt Savonarolas, deren düſterer Ernſt die Weltſreude nur noch 
ſchärfer beleuchtet (Abb. 2), und als höchſtes Sinnbild der in Italien geborenen 
Verehrung der Rerſönlichkeit erſcheinen die erſten in Holz geſchnittenen Porträts. 
(Abb. 4.) So werden Zeit und Land lebendig im Holzſchnitt. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Die Kunſt fängt nicht mit den Künſtlern an, ſondern mit der Geſamtheit. 
Die Geſamtheit iſt ihr Erdboden, die Künſtler ſind fruczttragende Bäume 
darin, und ihre Werk2 ſind die Früchte. Dieſe Früchte aber gleichen der 
Erde, der ſie entſproſſen, und ſie enthalten vie Säſte, mit denen ſie ge- 
nährt wurden, Holzamer. 
Jede Zeit ſchreibt ihre Geſhi<te am wahrſten in den Kunſtwerken, die ſie 
gejqafſt. Hermann Grimm,
	        
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