Arboiter-Fyigend N 189
dem Menſchen Hilft, der die arme Kreatur nicht verkommen läßt und aus aller Verbitterung
herausreißt. An dieſen Gott glaube ich. Das äſt nicht der Fetiſch des Wilden oder die
geſhnißte Maske des Kannibalen, dieſer Gott iſt Geiſt vom Geiſt der ungeheuren Mutter
aller Dinge, der Natur, die für ihre Kinder ſorgt und ſie nicht verkommen und ausſterben
läßt, der großen Samenmutter alles Lebens, die den Tod beſiegt und aud) manchmal den
einzelnen auf ſeinen Wegen begleitet und ihn vor allen anderen Menſchen auszeichnet.
Das iſt keine Erfindung von mnir; denke an idie griechiſchen Götter und an ihre römiſchen
Brüder und Schweſtern. Du haſt ſicher ſchon von den Lieblingen der Götter gehört. Das
ſind die Menſchen, die vor allen anderen durch Herz und Hirn ausgezeichnet ſind und ein
großes Beiſpiel oder Vorbild geben. Aber auch die, für idie mitten auf der Landſtraße ein
rundes Brot liegt. Und jenes Brot auf dem Weg war das erſte Wunder meiner Reiſe, das
erſte Geſchenk günſtiger Götter, wenn ic< ſo ſagen darf. Ich glaube beſtimmt, daß jenes
Brot die Frau des Bauern verloren hatte, der mich fluchend von ſginem Felde vertrieb...
Später erlebte ich noch einige Stunden, die ebenſo leuchteten wie das Erlebnis von der
Zuſammengehörigkeit aller Dinge. Ic erlebte das Mädchen in all ſeiner Süße und Ver-
wirrung. Und jene Stunden ſtrichen wie langſam fallende Sterne an mir vorüber und
ſtrahlen auc) jeßt noch in unvermindertem, heftigem Glanz.“
Der Erzähler ſchwieg. Wir überſchritten den Tiber. Seine gelben Fluten gurgelten.
(Schluß folgt.)
Junges Mädchen.
Will nicht in der Stuben hocken,
Kinder wiegen, Lumpen flicken.
Aus der Ferne klingt ein Locken,
Klingt mir lieblich ins Gemüte,
Zieht mir wirbelnd ins Geblüte.
Möchte tanzen, ſelig ſchreiten,
Und mich wiegen, -ringeln, gleiten,
Ueber Blumenwieſen ſchweben,
- Hod) mid) zu den Sternen heben.
Will nicht in der Stuben hoden,
Aus der Ferne greift ein Locken:
O du JIvnge, o du Feine,
O du Dumme, Zarte, Reine,
Mödte lächeln deiner Worte,
Bitter lächeln -- lieber weinen,
Wirſt dich nicht im Tanze drehen,
Wirſt an der Maſchine ſtehen,
Darfſt vielleicht kein Kindlein wiegen, |
Wirſt nicht zu den Sternen fliegen.
Möchte lachen deiner Worte,
Bitter lachen, zornig weinen.
Unſer Leben iſt kein Garten,
Daß wir wie die Blumen blühen,
Regen, Sonne, Wind erwarten,
Lichte Wieſen, die uns winken,
Sprudelbäche, draus zu trinken,
Tauſend Eiſenarme greifen,
Tauſend Eiſenfäuſte kneifen
Unſre Seelen, unſre Leiber,
Kinder, Greiſe, junge Weiber.
Unſer Leben iſt kein Garten,
Daß wir Sonnenglüc> erwarten,
Iſt ein Stöhnen und ein Klagen,
ſt ein Ringen, iſt ein Schlagen,
Und es fallen harte Worte,
Böſe Worte -- Peitſchenriemen.
Wirſt den jungen Nacken neigen,
Wirſt ins alte Joch dich beugen --
Ewig ſchleppen wir die Ketten.
Hilfſt du nicht, uns zu erretten!
Drohend ſauſen böſe Worte,
Brennen wie die Geißelſtriemen..
Graues Leben, graue Tage,
In den grauen Staub getreten,
Tröpfelt eure graue Klage.
Aber unſre Herzen blühen,
Aber unſre Gipfel glühen!
Jugend hebt die jungen Smrnen
Kühnlich) zu den Purpurfirnen.
Alle Kraft der Sonnen ſaugen
Wir in ſtaubesblinde Augen.
Licht erhellt die grauen Tage,
Kampflied droſſelt alte Klage.
Ihr zu grauem Leid geboren,
Wir zu Kampf und Tanz erkoren ==
Sturmwind ſingt uns neue Worte,
Starke Worte, Zauberrunen.
Werde mit den Brüdern ſchreiten
Veber grüne Felderbreiten,
Mit den Schweſtern ſelig ſchweben,
drei mich auf zum Lichte heben.
In uns brauſen junge Worte,
Geben Kraft wie Zauberrunen.
Berta Selinger.