Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Übirdid. 
Weil der viertägige Kurſus, den die Berliner 
SAI. zu Oſtern dieſes Jahres in ihrem Land- 
heim bei Brandenburg a. H. veranſtaltete, : 
von ganz beſonderer Art war: während ſonſt 
rein ſachliche, unperſönliche Organiſations- 
fragen behandelt werden, waren es hier 
Themen, die jeden einzelnen im Innerſten 
bewegen, für jeden Lebensfragen ſind. Nicht 
von außen her wurden hier Fragen an den 
Jugendlichen herangebracht, ſondern es waren 
Dinge, die jeden Teilnehmer, überhaupt 
jeden jungen Menſchen, lebhaft perſönlich be- 
ſIczäſtigen, und die hier einmal aus innerem 
Bedürfnis in gemeinſamer Ausſprache ge- 
klärt werden ſollten. 
„Sozialismus und Religion“ 
war das erſte Thema, über das der Genoſſe 
Mennice, einer der Führer des religiöſen 
Gozialismus, ſprach. Klar wurden die Be- 
griffe Kirche und Religion von ihm unter- 
I<ieden. Ueber das aber, was Religion iſt, 
wurden wir uns nicht einig, -- einig nur 
darin, daß hier ein allgemein-gültiges Urteil 
nicht möglich iſt. Zwei Meinungen waren 
vertreten? die eine proklamierte mit dem 
Referent das ſtete Forſchen und Ringen nach 
dem Sinn des Lebens als Religion, während 
auf der anderen Geite Religion als das Ge- 
fühl der Gebundenheit und Abhängigkeit von 
einer übergeordneten, beherrſchenden Macht 
veirachtet und daher als mit der ſozialiſtiſchen 
Anſchauung wmvereinbar abgelehnt wurde. 
Hingegen wurde das Gefühl der Gebunden 
beit an menſchliche Gemeinſchaft als etwas 
dem Weſen der Religion Verwandtes aner- 
kannt. Daß aber in dieſe neue Auffaſſung 
der Religion nichts von den alten kirchlich- 
religiöſen Formen herübergenommen werden 
darf, und daß wir der Kirche als Organi- 
fation |chärfſten Kampf anſagen müſſen, --- 
darüber herrſc<te unter uns allen Ein- 
jtimmigkeit. . . 
- Am zweiten Tage ſprüch Genoſſe Kriſche 
über „Das Gemeinſchaftsleben in 
der Jugendbewegung“ Wir durch- 
forſchten vie verſchiedenen Gemeinſchaftskreiſe, 
vor allem den der Arbeit und des Eros. 
Bejyn erſten wurden deutlich die Mängel, 
die in ven Beiriebon in bezug auf Goli- 
varifät und Gemeinſchaftsgeiſt herrſchen, 
herausgeftellt. Beim Gemeinſchaftskreis des 
Cros behandelten wir die Liebe und Freund- 
 
3 PE ald. 
„INnfernalionale ſozialiſtiſche Iugendarbeit“. 
Verlag des Sekretariats der Sozialiſtiſchen 
Itigend-Internationale, Verlin SW. 61, Beolle- 
Alliance-Platz 8. 190 S. Rreis 2,75 Mk. 
Als würdiger Auftakt zum Amſierdamer 
Kongreß der Sozialiſtiſhen Iugend-Inter- 
notionale erſchien dieſe nach Inhalt und Aus- 
Arbelter-Jugend 
NAIV Bücher ſür die Jugend Z/SGIOSES 
' - 4 
191 
ſhaft zwiſchen den Menſchen, gingen auch 
auf die Frage der freien Liebe und der 
„Zugendehe näher ein und ſtellten feſt, daß 
Liebe und Ehe nur dann wertvoll ſein 
können, wenn das Verhältnis zwiſchen Weib 
und Mann nicht ein rein körperlich-ſexuelles, 
ſondern eine auf gegenſeitigem Verſtändnis 
aufgebaute Gemeinſchaft iſt. 
Ueber das Gemeinſchaftsleben in der 
Gruppe als Glied der großen Organiſation 
wurde rege diskutiert. Bei der Erörterung 
der Gemeinſchaft zwiſchen jung und alt wurde 
die hemmende Wirkung des ſich ſtets auf 
ſeine Erfahrung berufenden Alters beſprochen, 
die es mit ſich bringt, daß die Gemein- 
ſchaft in der Jugendbewegung den Jugend- 
lichen oft höher ſteht als ſelbſt das Eltern- 
haus. Die Forderung, gleichwohl mit dem 
Elternhaus eine Verſtändigung in den Le- 
bensfragen der Jugend anzuſtreben, war das 
Ergebnis dieſes Teils der Ausſprache. 
Die beiden letzten Tage waren ausgeſüllt 
mit der Erörterung des Führerpro- 
blems, über welches Genoſſe Alexander 
Stein referierte. Er gab einen geſchichtlichen 
Ueberbli&, behandelte die Stellung des ein» 
zelnen in der Bewegung. Maſſe und Führer, 
ihr Verhältnis zueinander wurde beſonders 
flar herausgearbeitet, Veber die Fragen 
der Führerausleſe und Führer- 
ſchulung ſchafffen wir in gemeinſamer 
Ausſprache Klarheit. Hier zeigte uns Genoſſe 
Abraham den Weg, den wir in der prak- 
tiſchen Arbeit gehen müſſen, um wahre und 
gute Führer zu erziehen. 
In den Freiſtunden wurde weiter in kleinen 
Kreiſen rege diskutiert, während in den Ge- 
ſamtrahmen eingepaßte Feierſtunden zu quter 
Harmonie beitrugen. Alles in allem: ſür 
jeden, der Gelegenheit gehabt hat, dabei zu 
ſein, war es ein Erlebnis, zumal da auch die 
älteren Neferenten durch die Art ihrer Arbeit 
und ihres Zuſammenlebens mit der Jugend 
viel dazu beitrugen, den Charakter unſcrer 
Gemeinſchaſtsarbeit zu vertiefen. 
Hofſſentlich regen unſere guten Erfahrungen 
vazu an, daß auch andere Bezirke den Bor- 
ſuch unternehmen, ſo ſchwierige und pro- 
blematiſche Lebensfragen der arbeitenden 
„Jugend in den Rahmen ihrer Bildungsarbeit 
einzugliedern. Günter Heins. 
ds 
 
 
ſtattung wertolle Schrift, die über unſere 
Jugend-Internationake und die ihr ange- 
ſchloſſenen Verbände erſchöpfende Auskunft 
erteili. In ſeinem einleitenden, ausführlichen 
Arbeitsbericht ſchildert der internationale 
Sckreiär, Genoſſe Dllenhauer, die aufe 
ſteigende Entwieklung, die die Jugend-Inter-
	        
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