204 Arbeiter-Jugend
Mustkelſyſtem, ſein Nervenſyſtem, ſeinen Stoffwechſel auf das ſorgfältigſte zu prüfen;
genau feſtzuſtellen, wieweit der Organismus angeſpannt werden kann, welcher Aufſ-
füllung, Nahrung, welcher Erholung, welchen Ausgleichs zwiſchen mechaniſcher
Arbeit und geiſtiger Tätigkeit er bedarf, um ein geſundes Weſen zu bleiben.
Von einer ſolchen Prüfung der Kräfteökonomie, wie man jagt, iſt im Taylor-
ſyſtem und in allen kapitaliſtiſch angewandten Syſtemen ähnlicher Art ernſthaft keine
Rede. Dieſe Art Unterſuchung würde olsbald den ſchärfſten Widerſpruch der Projfit-
maedjer hervorrufen, denn ſie würde den Raubbau, der va im großen mit der
Menſchenkraft getrieben wird, enthüllen. Taylors „wiſſenſchaftliche“ Bewegungs-
ſtudien und Zeitſtudien, die Feſtſezung ſeines „Penſums“ werden vorgenommen an
einem erſtklaſſigen, beſonders ſtarken und eifrigen Arbeiter, und zwar dann, wenn
er mit der größten Geſchwindigkeit arbeitet, noch geſtachelt durch Zuſatlohn. Solche
Bewegungen werden vann noch durch möglichſt kundige Ingenieure zu verbeſſern.
geſucht. Daraus wird die Norm entwidelt, daraus der Arbeitslohn abgeleitet. So
dient in Wahrheit die Stoppuhr nicht, -- was auch gar nicht möglich iſt -- einer
tieſeren Unterſuchung der menſchlichen Bewegungen und ihrer Zuſammenhänge,
ſondern der Feſtſtellung höchſter Geſchwindigkeit, und damit in der Folge der Er-
höhung Der „Intenſität“ der Arbeit, d. h. der größtmöglichen Steigerung, unbe-
tümmert, um welchen Preis. Die Intenſität aber läßt ſich nicht unbegrenzt ſteigern,
ſie geht auf Koſten der Geſundheit, der Normalität des Arbeitenden.
Sein kapitaliſtiſches Antliß enthüllt das - Taylorſyſtem gleich Deutlich in ſeiner
Entlohnungsweiſe. Dieſe iſt eins der vielen ſogenannten Prämienſyſteme; es nennt
ſich „Differentiallohnſyſtem“. Alle Prämienſyſteme hauen den Arbeiter in irgend-
einer Weiſe übers Ohr. Das Taylorſche Syſtem beſteht darin: „Hoher Lohn für die
Ausführung des Penſums, Einbuße an Lohn bei Mindeſtleiſtung.“ Das Penſum
aber iſt, wie man ſchon weiß, ſo feſtgeſeßzt, daß nur ein mit ſchwerer Anſpannung
Arbeitender es erreichen. kann. Bei Minderleiſtung nun verliert dor Arveiter „nicht
nur jene Prämie, die nur im Fall der vollen Leiſtung gewährt würde, jondern er
hat auch einen direkten Schaden, weil der -Akkordlohn für die Arbeit im Falle Der
Nichtleiſtung des Penſums heruntergeſezt wird“. | - -
Zu dieſer Art Prämienſyſtem gehört noch ein überaus raffiniertes Syſtem mit.
„Anſtochelungsprämien“. für Meiſter, pſychologiſcher (geiſtiger) Beeinfluſſung, aller-
ſei Lo>mitteln, der Zerſpaltung der Arbeiter untereinander, dem Gegeneinander-
ausſpielen verſchiedener Gruppen, der Art der Prämienzahlung (täglich, ſtündlich,
anders an-. Jüngere, anders an Aeltere, anders an Mädchen wie an Jungen) und
ie fort. Dröhnende Reklame tut ein übriges. Wer das Penſum nicht leiſtet, wird
jofort entlaſſen. . 7“
Alles in allem: Immer wieder handelt es ſich beim Taylorſyſtem nicht um wirk-
liche, den Menſchen, den. Arbeiter und Angeſtellten als Produktionselement in erſter
Linie berüdſichtigende Rationaliſierung, um wirkliche Erhöhung der Rroduktivität
Der geſellſchaftlichen Wirtſchaft, ſondern um geſteigerte Ausbeutung der Arbeiter im
Intereſſe der kapitaliſtiſchen Profitwirtſchaft, um „wiſſenſchaftliche“ Menſchen-
Ichinderei; zugleich um eine raffinierte Methode, die Arbeiter zu beherrſchen, zu
knebeln, ſie von jeder, ihren Klaſſenintereſſen und damit den wirklichen Menſchhzits-
intereſſen dienenden Art der Organiſation fernzuhalten. |
Muß man das ſeſtſtellen, und man wird es immer wieder feſtſtellen können bei
jeder Art „Rationaliſierung“ innerhalb und von ſeiten der tapitaliſtiſchen Geſell-
ſchaft, jo ergeben ſich daraus Pflichten. Die überragende Pflicht, eine Geſellſchaft,
eine Wirtſchaftsform herbeizuführen, in der nicht ſteigende Belaſtung, jondern Ent-
laſtung ſtattfinden kann, in der Arbeit nicht zum Fluch wird, zu etwas Wider«-