Arbeiter-Jugend 223
löſchen. Auch am anderen Tag noch trieb ich mich unruhig durch alle Straßen der Stadt, aber
Angelica, das Mädchen mit den Oleanderblüten blieb verſchollen. War verblüht. Abgefallen
vom Baum. Verzaubert. Entführt. -
Erſt am dritten Tag verließ ich die Stadt. Wohl waren mir die Tränen nahe, dann
aber jauchzte mein Herz. Schön war die Welt, und die Mädchen waren von ihrer himmliſchen
Höhe herabgeſtiegen, und der Duſt aus ihrem Haar war -noch oundervoller als der Geruch
Des Brotes aus ven ſommerlichen Feldern.“ - -
Nun brach ein neuer Trupp Ausflügler mit großem Geſchrei aus dem Dunkel der Kuppel.
Allen voran lärmte ein Führer, der mit tönenden Worten und heftigen Gebärden das
gauberbhafte Geſpinſt der Erzählung und der fernen Landſchaft zerriß.
„Spmm!“ jagte der Bildhauer, „komm, wir gehen zu Pauli und trinken eine Flaſche Wein.“
„Ind was kam dann?“ fragte ich, als wir bei Pauli ſaßen, und griff damit den Faden
der Liebesgeſchichte wieder auf. |
„Das iſt es ja, dieſes und was kam dann?“ ſeufzte mein Freund. „Dann kam nichts
mehr. Id wanderte weiter, kam nach den Alpen und nach Venedig, kam ſpäter nach Rom und
erzuhle dir jezt meine Geſchichten.“
„Und Angelica?“ fragte ich.
- „Ja, und das Mädchen mit den weißen Fäden im ſchwarzen Haar?“ höhnte Jonas.
„Hör zu! Im vorigen Jahr bin ich noch einmal die alte Stre>e vom Neckar bis zur Donau
gewandert. Ic<h habe aud) lange vor jener Spinnerei gewartet, aber das Mädchen habe ich
nicht gefunden. Auch in der Donauſtadt blieb ich drei Tage. Id wohnte ſogar im Gaſthaus
„Der goldene Engel“. Als ich den Wirt nun nach Angelica fragte, wußte er von keiner
Angelica. Sage mir, habe ich alles geträumt? Nein, ich habe nicht geträumt! Wenn ich die
Augen ſchließe, ſehe „ich zwei Mädchen im Spiegel meiner Seele: das eine mit den weißen
Fäden im ſchwarzen Haar und das andere mit den Oleanderblüten . . .“
Er ſchloß die Augen. Sein Geſicht verklärte ſich. Und ich wußte, daß er jezt wieder im
Spiegel ſeiner Seele die zwei Mädchen erbli>te. Dann ſchlug er groß die Augen auf.
„Ein Glas für das Mädchen am Nedar,“ ſagte er. |
„Und ein Glas aud) für das Mädchen von der Donau!“ antwortete ich,
Wir leerten ſchweigend vnſoro Gläſer. . |
„Und nun ein volles Glas für all e Mädchen,“ rief Jonas und ſchenkte neu ein, „auch
für die zwei armen Kü>en auf dem Monte Teſtaccio!“
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liegen jet noch im Krankenhaus. Ein
trauriges Schi>ſal: Wir fühlen herzlichſtes
Mitleid mit den Eltern und Verwandten des
jungen Genoſſen und mit dem Holzarbeiter-
Berband trauern wir um den Verluſt des
jungen Kämpfers. Den Verletzten aber
wünſchen wir herzlichſt gute Beſſerung. .
Der Hauptvorſtand hat dieſes Mal keinen
beſonderen Aufruf zur Teilnahme an den
Arbeiten. für den Volksentſ<eid er-
laſen. Es zeigte ſich uns ſchon ſehr früh-
zeitig, daß es für unſere Jugendſreunde eine
glatte Selbſtverſtändlichkeit iſt, daß auch der
Berlin, den 10. Juni 1926.
Durch alle Zeitungen
iſt die Trauerkunde von
vem entſetzlichen Eiſen-
bahnunglüd verbreitet
worden, das ſich am
Abend des 2. Pfingſt-
tages bei München er-
eignete. Unter den zahl-
reichen Toten und Ver-
lezten beſanden ſich
auc) Mitglieder einer
Jugendgruppe des Holz-
München. Von fröh-
- licher Wanderfahrt heim-
x fehrend, ereilte einen
jungen Genoſſen der
Tod in dem Innern der zerſchmetterten
Eiſenbahnwaggons. Mehrere andere er-
litten ſchwere oder leichtere Verlezungen und
arbeiter = Verbandes in.
lezte Mann ſeine Kraft mit für die große
Entſcheidungsſ<lacht zur Verfügung ſtellt.
Die Sozialiſtiſc<e Arbeiterjugend iſt ſtolz
darauf, dem erwachſenen Rroletariat bei
ſeinen großen Kämpfen eine kleine Hilfe
leiſten zu können. Von beſonderen Veran
ſtaltungen haben uns bis heute verſtändigt:
Die Hamburger, die eine Jugendkundgebung
im großen Saal des Gewerkſchaftshauſes