234 | Arbeiter-Jugend
jeine genialen Skizzen befehlen, malen unter ſeinem übermächtigen Zwang, können
nicht anders, als tun, was er ſie heißt. An das faſt vollendete Bild tritt ver Meiſter
heran, nimmt den Pinſel zur Hand, haut hierhin und dorthin -- und aus dem !Wer?k
tüchtigſter Gehilfen iſt ein Bild des Rubens 'geworden, durchglüht von ſeiner heiße
ſprühenden Kraft und gepeitſcht vom Tempo ſeines Lebens. Von Anfang an hat
ihn dieſes Tempo gepackt. In Italien hat er mit faſt wilder Wut die Renaiſſance-
meijter ſtudiert, ohne ihnen jein eigenes Können auszuliefern. In Italien hat er
die erſten Schritte auf einer ſchwindelnd emporſteigenden 'Ruhmeslaufbahn getan.
Die Heimat -- Antwerpen -- überhäuft ihn mit Ehren und Reichtümern. Könige
buhlen um des bürgerlichen Malers Gunſt, wiegen ſeine Bilder mit Gold -- ver-
trauen ihm höchſte diplomatiſche Miſſionen an. Lange Jahre jagt Rubens zu Roß
durc die Länder, durch Frankreich und Spanien, um bald darauf wieder in England
zu ſein. Ein Leben iſt's, das die ruhigen Vorfahren nicht kannten. Neue Menſchen
beherrſchen die Zeit. Gewalttätig, heroiſch und wild =- von ungeheurem Ehrgeiz
und ungeheurer Genußſucht beſeſſen. Selbſt die Religion wird zum gegenreforma-
ioriſchen Taumel. Das iſt die Zeit des „Baro>“. Und wie die Zeit ſind die Bilder
des Rubens.
In der „Bekehrung des Paulus“ (Berlin, Kaiſer-Friedrich-Muſeum) ſind die
Menſchen und Pferde von wilder Bewegung in die Diagonale des Bildes geſchmiſſen.
Durch die kleinſten Skizzen zittern Bewegungsſtröme hindurch. Ueppige Frauen-
leiber atmen Sinnenglut =- rieſige Bildformate, in Farbentaumel getaucht, ſind der
Ausdru> höfiſchen Prunkes. Dieſe „große“ Kunſt ides wildhinſtürmenden „Großen“,
dieſe repräſentative Kunſt genußfreudiger und kriegsbegeiſterter Höfe bietet für die
bürgerliche Graphik nicht Raum. Wo ſie verwendet wird, hat ſie dem ungeheuren
Ehrgeiz zu dienen, der iden Maler zwingt, ſeinen Ruhm auch bei denen zu ſuchen,
die ſeine Bilder nicht ſehen. So, wie Rubens große Maler, von Dy> und andere,
ganz oder zum großen Teil in ſeine Dienſte zwingt, ſo läßt er Graphiker ſchaffen,
damit ſie ſeine Gemälde reproduzieren und mit graphiſchen Blättern des Meiſters
Ruhm in allen Ländern verbreiten. vin Zn
“ In Nordholland ſtehen wir vor einer anderen Welt. Demokratiſche Geſinnung
verbietet die übermächtige Herrſcherſtellung des einzelnen Mannes. Zahlreiche Maler
wirkten nebeneinander. Keiner zwingt den anderen. Und doch ſind ſie alle mehr
dder minder vom gleichen Geiſt beherrſcht. Das Leben der Bürger bewegt ſich in
unheroiſchen, abgezirkelten, ein wenig nüchternen Bahnen. Große Aufgaben, wie
ſüdliche Kirchen und iHöſe ſie boten, werden nicht geſtellt. Das Bild iſt zum Schmuck
des Bürgerhauſes beſtimmt und paßt ſich dieſer Aufgabe in Format und Inhalt an.
Die ſinnlich-derben und idoch gemäßigten Freuden bürgerlicher Geſelligkeit werden
geſchildert. Im Mittelpunkt ſteht ein gemütlicher SchluF aus dem Becher und ein
dralles, volſbuſiges Weib. Tierſtü>e und Stilleben überſetzen die Freuden der Tafel
in Farbenharmonie, und Landſchaften bieten wie Blumen dem Auge eine will»
fkommene Ruhe. Solch bürgerlicher Hauskunſt iſt die Graphik gemäß. Sie tritt
darum in Holland völlig ſelbſtändig, nicht nur als reproduzierende Dienerin auf.
Herrliche Blätter ſind ihr zu verdanken. Eine Landſchaft Rui sd a els ſtehe, ſoweit
ſie ſich auf dem Papier der Zeitſchriſt wiedergeben läßt, als typiſches Beiſpiel.
Die größten Aufgaben, die eine ſolche Umwelt vergibt, ſind die „Regenten-
ſtü>e“ == die repräſentativen Gemälde demokratiſcher Staatsverfaſſung. Die Vor»
ſteher einer 'Zunft oder Gilde, die Tuchmacher, Chirurgen oder die Schüßen laſſen
ſich in bald ſeſtſtehender Manier auf einer großen Leinwand nebeneinander ab-
konterſeien. Jeder Dargeſtellte zahlt ſeinen Anteil -- und dann wird das Ganze der
Zunft oder Gilde zum Geſchenke gemacht. Sie hängt es =“- für ewige Zeiten ==