Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

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Arbeiter-Jugend 
 
Kerl bekannt, jo daß der Hauptvorſtand ſich 
Darin ſicher fühlt, daß er im Sinne der ge- 
jamten Mitgliedſchaft gehandelt hat. --- 
: Die neue Beitragsregelung hat 
einige Drtsgruppenleitungen ſchwer in Har- - 
nijc) gebracht. Sie kündigen den Bankerott 
ihrer Gruppen an, wenn ſie die drei Pfennig 
monatlich an den Hauptvorſtand abſühren 
jollen. I< denke nicht daran, mich über die 
Bedenken der Drtskajſierer etwa einfach hin- 
wegzuſeßzen, oder ſie gar zu verſpotten. I< 
weiß, daß ehrliche Sorge manche zu ihren 
Proteſten bewegt --, aber weiß andererſeits 
doh aud), daß manche gar zu ängſtlich jind. 
Bei der heutigen Wirtſchaſtslage zählt für 
uns jeder Pfennig, aber wenn man ſich doh 
auch einmal in aller Ruhe eingeſteht, daß drei 
Pſennig pro Mitglied bei zehn Mitgliedern 
erſt ganze 30 deutſche Reichspſennige ergeben 
und bei hundert Mitgliedern erſt drei Mark, 
dann muß ſich jeder jagen, das kann uns nicht 
banferott machen! Eine Gruppe, die bei 
50 Mitgliedern nicht 1,50 M“., bei 14100 Mits- 
gliedern nicht 3,-- Mk. abführen kann, um 
die iſt es ſchon ſehr ſchlecht beſtellt, die darf 
dem Hauptvorſtand wegen ſeiner beſcheidenen, 
für eine Gruppe mit geſunder Geldwirtſchaft 
gar nicht ins Gewicht fallenden «Anſprüche 
keine ſeitenlangen Vorwurfs- -und Proteſt- 
briefe ſchreiben. Wir erwarten, -'daß jede 
Gruppe es ſich zur beſonderen. Aufgabe 
machen wird, die Verbandsarbeit mit zu 
finanzieren. Unſere Organiſation ruht auf 
den Gultern der Mitgliedſchaft. Berſagt 
die Organiſation aus Mangel an Mitteln, 
dann trägt die Berantwortung dafür aud) die 
Mitgliedſchaft ſelbſt. Aber wir hoſſen, daß 
dem Bezirk, der uns ſchon Mitte des Monats 
meldete, daß über die Hälfte der Gruppen be- 
reits den erſten Beitrag abgerechnet häiten, 
recht bald alle anderen Bezirke ſolgen. Kaſſic- 
rer, an die Front! | 
Frei Heil! 
Max Weſtphal. 
 
OX Eul 
Lehrlingsfürjorge in DODeſterreich. 
Nicht nur in Deſterreich, in Deutſchland 
nicht minder müſſen die Eltern der Lehrlinge 
immer wieder die Erfahrung machen, daß 
Sohn oder Tochter nach beendeter 
Lehre ſofort entlaſſen werden, Da- 
mit Platz frei wird für einen neuen Lehr- 
ling. Den Ausgelernten wird von der zU- 
ſtändigen Zunft in feierlicher Form beſchei- 
nigt, daß Jie das Gewerbe ordnungsmäßig 
eriernt haben und nun allen Berufsgenoſſen 
als Geſellen oder Gehilfen beſtens empfohlen 
werden können. In ihrem bisherigen Lehr- 
verhältnis haben ſie ihren Zweck als billige, 
willige Arbeitskräſte vollauf erfüllt und ſind 
daher überflüſſig geworden. Troßdem 
mit oder ohne tarifliche Regelung es des 
Landes ſo der Brauch iſt, vaß der Ausge- 
lernte im erſten Jahre nach der Lehre einen 
beſonders niedrigen Lohn erhält, um ge- 
wiſſermaßen eine „Nacherziehungskur“ durc» 
zumachen, trozdem iſt der Ausgelernte ſei- 
nem bisherigen Lehrherrn zu teuer gewor- 
den. Er ſchi>t ihn fort = um ihm Gelegen- 
heit zu geben, ſich weiter auszubilden. Da 
es an ſolcher Gelegenheit fehlt, obwohl die 
neu Ausgelernten als immer nod) billige Ar- 
beitsfräſte unter normalen Verhältniſſen am 
meiſten begehrt ſind, liegen die Aus- 
gelernten auf der Gtraße, ihren 
Eltern zur Laſt. 
Die Eltern als Einzelperſonen ſtehen den 
Dingen machtlos gegenüber. Die Gewerk- 
ſhaſten müßen es daher als ihre Aufgabe 
betrachten, in Verbindung mit den Linkspar- 
Dehrlngefragen uns Jugenöſchun, 
teien im Parlament aud) in dieſem Punkt auſ 
Abhilfe zu drängen. 
Wie das geſchehen kann, zeigt eine Ge- 
jezesbeſtimmung, die neuerdings in Deſter- 
r eid) herbeigeführt wurde, wonach der aus- 
gelernte Lehrling von ſeinem Meiſter no d) 
drei Monate na< beendeter 
„Lehre in Arbeit behalten wer- 
den muß. Es waren bürgerliche Abgeord- 
nete, die im Nationalrat einen entſprechen- 
den Antrag geſtellt und deſſen Annähme 
durchgeſeßt haben, einmal mit Rüdſicht auf 
die Cliern als Wähler, dann aber auch, um 
weitergehende Anträge der Sozialdemokra- 
tiſchen Bartei, die Anträge Dannebergs zu 
all bringen. Dieſe Anträge forderten: 
1. die Sdaffung eigener Lehrlings- 
jektionen; 
2. Errichtung von Jugendſenaten beim Ge- 
werbegeridt; 
83. die dreimonatige Beibehaltspflicht für 
ausgelernte Lehrlinge ohne jede Ein- 
ſchränkung; 
4. eine Lehrlingsentſchädigung bis zu 
70 Prozent des Gehilfenlohnes. 
Mit der Herbeiführung der Geſeßzesbe- 
ſtimmung auf Dreimonatige Beibehaltspflicht 
Haben die bürgerlichen Abgeordneten es je- 
doch mit ihren zünftleriſchen Freunden, vor- 
ab den Lehrlingshaltern, total verdorben. 
Die Sorge um den Profit iſt bei dieſen 
„Chriſtlichen“ ſtärker ausgeprägt als etwa die 
Sorge der Allgemeinheit darum, wo die 
Ausgelernten bleiben ſollen, was aus ihnen - 
werden ſoll.“ 
 
BHeranlwortlich ſür die Redaktion: ECE. Ollenh auer. = Verlag: Arbeiterjugend-Verlag (Aug. Albrecht) 
Druck: Buchdruckerei Vorwärts, =-- Sämilich in Berlin GW. 68, Lindenſtraße 3,
	        
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