Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

282 Arbeiter-Jugend 
 
und Politik. In der ſozialiſtiſchen Gemeinſchaft ſollen alle Menſchen gleiche Entwicklungs- 
mögiichfeiten haben. Zu dieſem großen Kampſe vm und für die ſozialiſtiſche Gemeinſcha]t 
brauchen wir Menſchen, die nicht aus irgendwelchen materiellen und ähnlichen Gründen 
Sozialijten ſind, ſondern Menſchen, welche verſtandesmäßig den Sozialismus erkannt haben, 
aber auch mit ihrem ganzen inneren Leben, mit ihrem Gefühl bei der großen Sache ſind, 
und dieſes, eben die Erfaſſung des ganzen inneren Menſchen für den Sozialismus, iſt meine 
Religion. Religion, -- gewiß, wir könnten Ueberzeugung oder Weltanſchauung ſagen; aber 
dieſe Begriſſe ſind zu eng, denn ſie berühren ja nur den Verſtand, während das Geſühis- 
mäßige dabei nicht berückſichtigt wird. Gerade Religion, nicht in dem Sinn, wie ſie von der 
heutigen Kirc<e vertreten wird, ſondern in dem Sinn. der Erfaſſung des ganzen inneren 
Menſchen jür den Sozialismus, iſt etwas, was uns einen ſicheren und feſten Halt im Kampj 
um die ſozialiſtiſche Gemeinſchaft gibt. 
Jugend und Eſperanto. 
IZ An den Schriſten alter Philoſophen und Religionsbegründer finden wir den Glauben 
"Pu damaligen Bölker niedergelegt, daß die Sprachverſchiedenheit eine der größten 
Strafen Goites, und daß die Haupturſache aller Kriege dem gegenſeitigen „Sichnicht- 
verſtehen“ beizumeſſen ſei. Dieſem Glauben und dieſer Erkenntais entſprang das Sehnen 
noch einem BVölkerverſtändigungsmittel, das durch all die Jahrhunderte hindurch in der 
Bolksſeele unbewußt lebte und bewußt von den Größten ihrer Zeiten als ſittliche Forderung 
immer wieder auſs neue verkündet wurde. Noch nie aber war der Ruf nach einem 
internationalen Verſtändigungsmittel ſo ſiark wie in unſerer gegenwärtigen Zeit, in der 
Jeit des Telephons, des Telegraphen, des Radio, des Luftſ&hiſfs, des internationalen Handels 
und Verkehrs. Dank den Errungenſchaſten der modernen Technik ſind wir heute imſtande, 
in wenigen Stunden in ein fremdes Sprachgebiet zu kommen, in Sekunden um den ganzen 
Cröball Nachrichten zu funken. Durch dieſen ſchnellen Verkehr kommen ſich die einzelnen 
Bölker immer näher, ihre wirtſchaftliche Abhängigkeit von einander wird immer größer, 
das Bedürfnis, ſich mit allen gleichmäßig zu verſtändigen, täglich aktueller, der Ruf nach 
einer Weltſprache immer lauter. 
Nun könnte man meinen, daß es doch ganz einfach wäre, irgendeine nationale Sprache 
alis Weltſprache zu proklamieren und ſie überail einzuführen, 3. B. Engliſch, das zurzeit 
em weiteſten verbreitet iſt, oder Deutſch oder Franzöſiſch. Wenn wir darüber nachdenkeon, 
werden wir finden, daß eine nationale Sprache nicht von allen Völkern der Welt angenommen 
werden würde, weil ſich dadurch das Nationalbewußtſein der einzelnen Völker verletzt fühlen 
fönnte. Es muß daher eine neutrale Sprache ſein, die in Betracht kommt, eine Sprache, 
die leicht erlernbar iſt, Wohlklang boſißzt, von allen Völkern der Erde leicht ausſprechbar, deren 
Woriſtämme möglichſt bereits internationale Geltung haben, allen Sprachgruppen entnommen 
ſind, und die eine einfache Grammatik ohne Unregelmäßigkeiten beſitzt. 
Solc<h eine neutrale Sprache beſitzen wir bereits, und ſie hat ſich ſicher in den vier 
Jahrzehnten ihres Beſtehens auf das glänzendſte bewährt. Cs iſt das große Verdienſt des 
ruſſichen Augenarztes Dr. L. ZKamenhof, eine ſolche Sprache geſchaffen zu Haven, die 
nach ſeinem Rſeudonym, unter dem er ſie der Deffentlichkeit übergeben hat, „Eſperanto“, zu 
Deutſch: „ein Hoſfender“, genannt wird. | 
Eſperanto hat den Beweis ſeiner Brauchbarkeit auf allen Gebieten vollauf geliefert. 
Auf den internationalen Eſperantiſtenkongreſſen kamen jährlich mehrere Tauſend Eſperan- 
tiſicn aus allen Ländern zuſammen, die ſich vollkommen und mühelos verſtändigen konnton. 
Die großen internationalen Meſſen in Helſingfors, Leipzig, Lyon, Padua, Raris, Prag, 
Frankfurt verwenden ſeit Jahren Eſperanto zur Propaganda. Die Muſtermeſſe in Baſel 
ſc<reibt über Eſperanto: „Der Erfolg war überraſchend“. 
Der Bölkerbund, die Handelsfkammer in Paris, die lettiſche Regierung uſw. haben ſich 
anerkennend über Eſperanto ausgeſprohen. In vielen Ländern iſt Eſperanto bereits als 
wahlſreies Unterrichtsfach eingeführt, und es iſt auch als offene Sprache im Telegramm:e- 
verkehr zugelaſſen. Für Radio eignet ſich Eſperanto infolge ſeiner klaren Ausdru>smöglichkeit 
und deutlicgzen Verſtändlichkeit beſonders guit und wird auch ſchon häufig angewendet.
	        
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