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Sozialdemokraten? =- Werner war Arbeiterjunge. Ihm war darum das Wort- nicht
jremd, wenn er auch jeinen eigentlicgen Sinn noch nicht begriff. Aber er wußte, es war
etwas Rechtſchaffenes mit dieſem Namen verbunden. Maifeiern, Arbeiterfeſte, Demonſtra-
tionen, an denen er ſich ſchon als Junge mit dem Vater beteiligte, hatten den Glauben in
ihn gepflanzt. Ein faſt jubelndes Gefühl erfüllte ihn darum, gerade dieſe Tiſchler als
Eozialdemokraten zu wiſſen. |
„Hier ſind alle Geſellen organiſiert.“ "
Werner überraſchte dieſe neue Erfahrung. Doch freute ihn auch das Bewußtſein, allen
dieſen Männern im Saal irgendwie verbunden zu ſein. Das genügte ihm aber bald nicht
mehr. Gines Nachmittags ging er zum Fabrikkaſſierer und meldete ſich zur Organijation.
„Sie?“ fragte der Kaſſierer verwundert. . „Sie wollen zu uns?“
Werner war verletzt über das Erſtaumen des Tiſchlers.
Dieſer beſchwichtigte ihn.
„Wir waren immer der Meinung, Sie kämen nicht für uns in Frage.“
In gehobenem Gefühl ſchritt Werner an ſeine Arbeit zurück. Er gehörte zum Saal,
ſtand nicht mehr getrennt von den anderen, zählte als Neunundvierzigſter der Neunundvierzig.
„Sie müſſen vorſichtig ſein. Der Meiſter darf nicht wiſſen, daß Sie zu uns gehören.“
Retri war es, einer der heimlichen Freunde Werners, der ihm die Warnung zuflüſterte.
Am Morgen und am Mittag hatte Werner in Vertretung des Meiſters die von Zuſpät-
kommenden nicht entnommenen Kontrollmarken aus dem Schrank zu holen und den Schrank
abzuſchließen. Er tat dies pünktlich und gewiſſenhaft, wie jede ſeiner Arbeiten, gab aber
dod) den Geſellen, die ihn gerade beim Schließen trafen, noch die Marke.
„Sie dürfen keine Marke mehr herausgeben, die ſie einmal in Händen haben. Auch nicht,
wenn der Schrank noch offen ſteht. Sprechen Sie nur mit den Tiſchlern, was Sie unbedingt
mit ihnen ſprechen müſſen.“
Werner merkte auf.
Was bezwedte der Meiſter, daß er ihn ſo vom Arbeitsſaal zu trennen verſuchte?
Cines Tages betrat ein Herr der Direktion die Ausgabe. Er ſprach mit dem Meiſter.
Unabläſſig haftete dabei ſein Blik auf dem arbeitenden Werner,
„Wie ſteht es mit ihm? Haben Sie ihn ſoweit?“
Werner lauſchte. Die Frage bezog ſich auf ihn.
Der Meiſter verneinte. „Noch nicht. Aber laſſen Sie mich nur machen. Er kommt ſchon.“
Werner grübelte über den Sinn der Unterhaltung und des Meiſters Abſichten.
„Na, bleiben Sie nur weiter ſo eifrig. Wir brauchen tüchtige Leute im Betrieb.“
Ureundlich ſprach es der Herr beim Hinausgehen, indem er ihn wohlwollend auf die
SOGdculter klopfte.
Werner wurde tiefrot. Doch die Belobigung freute ihn nicht. Das heimliche Geſpräch, die
Verſuche des Meiſters, ihn von den Tiſchlern zu trennen, we>ten den Argwohn in ihm.
„Werner, wir haben hier im Betrieb einen Unterſtüßungsverein. Wie iſt es, wollen
Gie ihm nicht beitreten? Faſt alle Meiſter und Angeſtellte gehören ihm an.“ |
Harmlos hatte der Meiſter eines Sonnabends die Frage getan.
War es das, wozu er ihn zu gewinnen ſtrebte, ſchoß es in Werner auf, und der Verdacht
ſuchte in der Frage nach dem Verſchwiegenen.
„Faſt alle Meiſter und Angeſtellten gehören ihm an.“
Werner ſtutzte. Meiſter und Angeſtellte? War er Meiſter? War er Angeſtellter? Nur
ſie gehören dem Verein an? Und die Arbeiter?
Die Fragen jagten ſich in ſeinem Gehirn. Er blieb die Antwort auf des Meiſters Frage
ſchuldig.
„Was iſt das für ein Unterſtüßungsverein, in den mich der Meiſter haben will," wandte
ſich Werner auf dem Heimweg an Retri.
„Oo, da iſt er nun doch auch zu Ihnen gekommen? Der alte Fuchs.“
Unwillig waren die Worte geſprochen.
„Fören Sie, Werner. Sie können entweder bei uns ſein oder bei den Gelben. Eins
von beiden iſt nur möglich.“
„Ie den Gelben?“ fragte Werner erſtaunt,