Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Arbeiker-Jügenb 293 
verkommen zu laſſen, bringt keine Pietiſtenſeele in die Hölle, beſonders, wenn ſie 
ülle Sonntage zweimal in die Kirche geht“"*). | 
. Engels wurde körperlich gut erzogen. Er ging viel ſpazieren, focht leidenſchaft» 
lich -=- eine damals beliebte Körperübung =-, an Sonntagen machte er weite Ausflüge 
zu Pferde. Er war auch ein ſehr guter Schwimmer. All dieſer Körperſport, den er 
zum großen Teil auch in ſpäteren Jahren betrieb, war eine Hauptgrundlage ſeiner 
körperlichen Geſundheit, die ihm ein arbeitsreiches Leben durch viele Jahre, ein 
Leben doppelter Arbeit ermöglichte. (Engels arbeitete für die ſozialiſtiſche Bewegung 
in den Jahren 1850 bis 1870 hauptſächlich in den Nachtſtunden, da er den Erwerbs 
beruf, das Kaufmannsgeſchäft, ſo lange nicht aufgeben konnte, um dem Freunde 
Marx helfen zu können.) 
Der erjte innere Kampf von Bedeutung ſpielte ſich im Kopfe von Engels bei 
der Frage der Berufswahl ab. Engels hatte nach der Volksſchule bis zum vierzehnten 
Lebensjahr die Realſchule, dann bis zum achtzehnten Jahre ein Gymnaſium in 
Clberfeld beſucht. Seine innere Neigung war der Dichtkunſt zugewendet, doc 
wählte er den Kaufmannsberuſ, hauptſächlich wohl durch den Einfluß der Familiz2, 
zum Teil aber durch die Ausſicht beſtimmt, ſo die Welt zu ſehen. So ging Engels 
zur kaufmänniſchen Ausbildung nach Bremen. Schon in dieſen Jahren betätigte 
er ſich ſchriftſtelleriſch, freilich unter einem De&namen, dem Namen Friedrich Oswald. 
Seine innerſte Natur, ſeine edle, revolutionäre und zugleich opferbereite Seele 
zeigte ſich manchmal in dieſen Arbeiten im Keime, ſo in dem Gedicht „Der Abend“ 
(„Schriſten der Frühzeit“, Seite 128 ff.): 
| Geduld, ein Morgen kommt, ein Freiheitsmorgen . . « 
Vern bleibt die Nacht mit ihren trüben Sorgen . . . 
Dann trägt das Schiff, das durch die Wogen ſchäumt, 
Nicht Waren mehr, nur einz'lne zu bereichern . . . 
Es bringt die Saat, der Menſchenglüc>k entkeimt . . . 
Dann wölbt die Liebe Brücken, unſichtbare, 
Von Herz zu Herzen . . . 
- Dieſe Lebensauffaſſung ſtand natürlich in tiefſtem, innerem Widerſpruch zu 
dem äußeren Beruf, den Engels erlernte, zum Kaufmannsberuf, deſſen Ziel es ja 
iſt -- viel deutlicher ſichtbar als bei anderen Berufen in der heutigen Welt! -- 
„einzelne zu bereichern“. 
In anderen Aeußerungen von Engels aus dieſer Zeit zeigt ſich wieder cin 
anderer innerer Kampfſ, der auch heute noch die Seelen vieler junger Menſchen 
aufrührt: der Konſlikt zwiſchen einem tiefen religiöſen Gefühl und dem Gegenſatz 
gegen die firchlich-religiöſen Lehren mit ihren vielfach unwiſſenſchaftlichen, ſtarren 
Lehrſäßen (Dogmen). Für Engels ſelbſt wurde freilich dieſer Konflikt bald gegen- 
ſtandslos, indem er den Gottesglauben beiſeiteſchob und Atheiſt wurde, eine Löſung, 
die, ſo nüßlich ſie für manche Sozialiſten zur Ueberwindung der Lehren der 
herrichenden Kirchen, zur Stüßung der antikirchlichen, ſozialiſtiſchen Politik iſt, 
religiös gerichteten Sozialiſten mit gutem Grund als nicht richtig erſcheint. 
| Nach zweieinhalbjähriger Ausbildung verließ Engels Bremen, verbrachte ſeine 
Militärdienſtzeit als Einjährig-Freiwilliger in Berlin und überſiedelte dann 1842 
nach England, wo er in das Kontor des väterlichen Kompagniegeſchäftes (Ermen 
u. Engels) in Mancheſter eintrat. Hier in England war der richtige Boden zur 
En 
 
*) Aus „Brieſe aus dem Wuppertal" (1839); ſiehe Friedrich Engels: „Schriften der 
„Frühzeit“, herausgegeben von Guſtav Mayer, Berlin 1920, Seite 23. Dieſes ausgezeichnete 
8weibändige Werk, insbeſondere der erſte Band, die Biographie des jungen Engels, iſt die 
':Hauptquelle des vorliegenden Artikels,
	        
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