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werden dieſe Einwände häufig auch von völlig ehrlichen Menſchen gemacht, denen
es wegen dieſer Gedankengänge unmöglich iſt, Sozialiſt zu werden.
. Mein Kritiker ſagt: „Schult nennt Kapital nur ſolche Werte, die zum Zweck
des Profits unter Beſchäftigung von Lohnarbeitern . . . verwendet werden. Je]
meine, dieſer „Begriff iſt zu eng geſaßt. Kapital iſt jeder Wert, . . . der dem
ſofortigen Verbrauch entzogen, vielmehr feſtgehalten wird, um damit die Bedürfniſſe
Jpäterer Zeit zu ſichern oder zu befriedigen.“ u
- - Dangoch müßten Vorräte, Waren, Geld und Produktionsmittel imm e rund
unter allen Umſtänden Kapital ſein. Dieſe Auffaſſung iſt ſehr verbreitet,
ſie iſt aber auch grundfalſch. | .
Vorräte, Waren, Geld und Rroduktionsmittel hat es gegeben, lange bevor
es einen Kapitalismus gab. Danach hätte ſchon Abraham in ſeinen Ae>ern und
Triſten und Herden Kapital gehabt, danach wären die alten Germanen, die Bauern
und Bürger des Mittelalters, die Indianer im Innern Südamerikas Beſizer von
Kapitalien. Das iſt natürlich Unſinn. Sie ſind im Beſitz von Reichtümern, Vorräten,
Produktionsmitteln, Waren, Geld; aber dieſe ſind d a mit noch keineswegs Kapital.
Der Begriff Kapitaliſt überhaupt nicht logiſch (im folgerichtigen Denken)
aus unveränderlichen Grundtatſachen abzuleiten, er iſt vielmehr ein hiſtoriſcher
(geſchichtlicher) Begriff, wie die mit Kapital bezeichnete Erſcheinung eine hiſtoriſche
Erſcheinung iſt. Der hiſtoriſch Denkende ſagt ſich: Kapital iſt nicht immer dageweſen
und braucht auch nicht immer zu ſein. Das iſt das Schi>ſal aller Erſcheinungen in
der menſchlichen Geſchichte. Ewig iſt nur der ſtändige Wechſel... .
Der Denkfehler meines Kritikers iſt der folgende: Er ſeßzt Kapital = Vorräte,
Produktionsmittel, Reichtümer, Geld. . -
Welcher Art dieſer Denkfehler iſt, ergibt ſich aus einem anderen Saz. Richtig
iſt: ein Löwe iſt ein Raubtier. Kehren wir den Satz um: ein Raubtier iſt ein
Löwe. Gleich ſieht jeder: das iſt falſch; denn es gibt noch viele andere Raubtiere.
. Genau ſo gibt es neben Produktionsmitteln, Vorräten uſw., die wirklich Kapital
ſind, auch noch Produktionsmittel, Vorräteuſw., dienicht Kapital
ſind. Raubtier iſt der weitere, Löwe der engere Begriff. Kapital beſteht immer
aus Vorräten, Produktionsmitteln, Geld oder Waren; aber umgekehrt ſind dieſe
nicht immer und überall Kapital, ſondern nur unter ganz beſtimmten Umſtänden.
Der Hammer iſt immer und unter allen Umſtänden ein Produktionsmittel,
aber er braucht kein Kapital zu ſein. Er iſt es nicht in der Hand des Kleinbauern,
des Kleinhandwerkers, des Schrebergärtners; er iſt aber Kapital in der Hand des
Fabrikarbeiters. im Betriebe. Die Nähmaſchine der Hausfrau iſt gewiß ein Produk-
tionsmittel, aber ſie iſt kein Kapital. Dieſelbe Nähmaſchine in einem großen
Konfektionsgeſchäft iſt dagegen Kapital, Der Aker des Tagelöhners oder des
Kleinbauern iſt wohl ein Produktionsmittel, aber kein Kapital. Das Geld der
Hausfrau, das ſie ſich einige Zeit zurücklegt, iſt Geld, iſt Zirkulationsmittel, aber
kein Kapital. Das Geld dagegen, das zinstragend angelegt iſt, iſt Kapital.
Welchesiſtnunderbeſondere Umſtand, der Geld, Vorräte,
Reichtümer, Waren, Werkzeuge, Maſchinen, Gebäude, Grund
und Boden zu Kapital macht?
Noch vor hundert Jahren ſprach man in Deutſchland ſelten von Kapital; denn
wir waren erſt am Anſang der kapitaliſtiſchen Zeit. iMan nannte ein Werkzeug
ein Werkzeug, Boden nannte man Boden, Rroduktionsmittel nannte man eben
Produktionsmittel.
Da kam das Neue ins Land. Kürzlich drückte das auf einer Tagung ein
Nichtjozialiſt jo aus: Ein' Handwerker ſagte zu mir: als ich noch Geſelle war, hatte