Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Arbeiter»-Juged. u 60. 329 
werden dieſe Einwände häufig auch von völlig ehrlichen Menſchen gemacht, denen 
es wegen dieſer Gedankengänge unmöglich iſt, Sozialiſt zu werden. 
. Mein Kritiker ſagt: „Schult nennt Kapital nur ſolche Werte, die zum Zweck 
des Profits unter Beſchäftigung von Lohnarbeitern . . . verwendet werden. Je] 
meine, dieſer „Begriff iſt zu eng geſaßt. Kapital iſt jeder Wert, . . . der dem 
ſofortigen Verbrauch entzogen, vielmehr feſtgehalten wird, um damit die Bedürfniſſe 
Jpäterer Zeit zu ſichern oder zu befriedigen.“ u 
- - Dangoch müßten Vorräte, Waren, Geld und Produktionsmittel imm e rund 
unter allen Umſtänden Kapital ſein. Dieſe Auffaſſung iſt ſehr verbreitet, 
ſie iſt aber auch grundfalſch. | . 
Vorräte, Waren, Geld und Rroduktionsmittel hat es gegeben, lange bevor 
es einen Kapitalismus gab. Danach hätte ſchon Abraham in ſeinen Ae>ern und 
Triſten und Herden Kapital gehabt, danach wären die alten Germanen, die Bauern 
und Bürger des Mittelalters, die Indianer im Innern Südamerikas Beſizer von 
Kapitalien. Das iſt natürlich Unſinn. Sie ſind im Beſitz von Reichtümern, Vorräten, 
Produktionsmitteln, Waren, Geld; aber dieſe ſind d a mit noch keineswegs Kapital. 
Der Begriff Kapitaliſt überhaupt nicht logiſch (im folgerichtigen Denken) 
aus unveränderlichen Grundtatſachen abzuleiten, er iſt vielmehr ein hiſtoriſcher 
(geſchichtlicher) Begriff, wie die mit Kapital bezeichnete Erſcheinung eine hiſtoriſche 
Erſcheinung iſt. Der hiſtoriſch Denkende ſagt ſich: Kapital iſt nicht immer dageweſen 
und braucht auch nicht immer zu ſein. Das iſt das Schi>ſal aller Erſcheinungen in 
der menſchlichen Geſchichte. Ewig iſt nur der ſtändige Wechſel... . 
Der Denkfehler meines Kritikers iſt der folgende: Er ſeßzt Kapital = Vorräte, 
Produktionsmittel, Reichtümer, Geld. . - 
Welcher Art dieſer Denkfehler iſt, ergibt ſich aus einem anderen Saz. Richtig 
iſt: ein Löwe iſt ein Raubtier. Kehren wir den Satz um: ein Raubtier iſt ein 
Löwe. Gleich ſieht jeder: das iſt falſch; denn es gibt noch viele andere Raubtiere. 
. Genau ſo gibt es neben Produktionsmitteln, Vorräten uſw., die wirklich Kapital 
ſind, auch noch Produktionsmittel, Vorräteuſw., dienicht Kapital 
ſind. Raubtier iſt der weitere, Löwe der engere Begriff. Kapital beſteht immer 
aus Vorräten, Produktionsmitteln, Geld oder Waren; aber umgekehrt ſind dieſe 
nicht immer und überall Kapital, ſondern nur unter ganz beſtimmten Umſtänden. 
Der Hammer iſt immer und unter allen Umſtänden ein Produktionsmittel, 
aber er braucht kein Kapital zu ſein. Er iſt es nicht in der Hand des Kleinbauern, 
des Kleinhandwerkers, des Schrebergärtners; er iſt aber Kapital in der Hand des 
Fabrikarbeiters. im Betriebe. Die Nähmaſchine der Hausfrau iſt gewiß ein Produk- 
tionsmittel, aber ſie iſt kein Kapital. Dieſelbe Nähmaſchine in einem großen 
Konfektionsgeſchäft iſt dagegen Kapital, Der Aker des Tagelöhners oder des 
Kleinbauern iſt wohl ein Produktionsmittel, aber kein Kapital. Das Geld der 
Hausfrau, das ſie ſich einige Zeit zurücklegt, iſt Geld, iſt Zirkulationsmittel, aber 
kein Kapital. Das Geld dagegen, das zinstragend angelegt iſt, iſt Kapital. 
Welchesiſtnunderbeſondere Umſtand, der Geld, Vorräte, 
Reichtümer, Waren, Werkzeuge, Maſchinen, Gebäude, Grund 
und Boden zu Kapital macht? 
Noch vor hundert Jahren ſprach man in Deutſchland ſelten von Kapital; denn 
wir waren erſt am Anſang der kapitaliſtiſchen Zeit. iMan nannte ein Werkzeug 
ein Werkzeug, Boden nannte man Boden, Rroduktionsmittel nannte man eben 
Produktionsmittel. 
Da kam das Neue ins Land. Kürzlich drückte das auf einer Tagung ein 
Nichtjozialiſt jo aus: Ein' Handwerker ſagte zu mir: als ich noch Geſelle war, hatte
	        
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