Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

330 Arbeiter-Jugend 
ic) immer Hunger und ſchlechtes -Zeug; nun ich Meiſter bin, laſſe ich andere für 
mich arbeiten, eſſe mich ſatt und kleide mich gut. Der Mann hatte keine Ahnung 
vv Der Mehrwerttheorie, aber den Mehrweri verſtand er ſich praktiſch zu verſchaffen. 
-- Bis vor hundert Jahren gab es faſt lauter kleine, ſelbſtändige Exiſtenzen, 
Großbetriebe waren ſelten. Seitdem iſt es umgekehrt. Das iſt ein Zeichen vom 
Kapitalismus, | vun 
Kapital iſt nicht jedes Produktionsmittel, ſondern nur düs- 
jenige, was zur Erzielung von Mehrwert verwendet wird. Zur Erzeugung 
von Werten ſchlechthin dient jedes Rroduktionsmittel, zur Erzeugung. .von. Mehrwert 
nur das Kapital. Mehrwert kann nicht erzeugt werden vom kleinen Handwerker, 
Händler oder Bauern. Dieſe erzeugen Werte, die ihnen allein und ganz gehören. 
Mehrwert iſt immer und unter allen Umſtänden ein Wert, 
dernicht dem Erzeuger gehört, ſondern dem Eigentümer der 
Produktionsmittel, die Kapital ſind. Das Geſamterzeugnis eines 
Betriebes ſließt zum Teil den Erzeugern (allen Mitarbeitern) zu, zum Teil jedoch 
3. B. Aktionären und anderen Perſonen, die nur Eigentumsrechte an den 
Produktionsmitteln haben, weiter aber auch nichts. Zur Erzielung von 
Mehrwert iſt es immer nötig, fremde Arbeitskräfte zu beſchäftigen und mit 
deren Hilfe einen arbeitsloſen Gewinn aus dem Eigentumsrecht an den 
Produktionsmitteln zu ziehen. Das gab es vor hundert Jahren ſelten, heute iſt es 
häufig. Und dieſe neue Erſcheinung nennt man Kapitalismus. Produktions- 
mittel, die man von fremden Arbeitskräften gegen Lohn 
bedienen läßt und deren Verwendung nicht nur Werte, 
jondern auch Mehrwerte abwirft oder abwerfen ſoll, ſind 
Kapital, 
Das. haben ſchon vor mehr als hundert Jahren große Gelehrte geſagt, die 
feineswegs Sozialiſten waren. Trotzdem wird der falſche Gedankengang immer 
wiederholt. Woran liegt das? Nun, der Gedantkenfehler wird künſtlich genährt, 
und das hat tiefliegende politiſche Urſachen, num 
Wenn nämlich jeder Vorrat, jede Ware, je d es Rroduktionsmittel Kapital 
iſt, dann hat jed er Menſch irgendwelches Kapital, auch der ärmlichſte Lohnarbeiter. 
Dann kann niemand mehr von Ausbeutung reden, dann iſt grundſäßlich kein 
Unterſchied zwiſchen Kapitaliſt und Lohnarbeiter, dann iſt der Klaſſenkampf nur eine 
böswillige Erfindung des Juden Marx, dann iſt zwiſchen Kapital und Arbeit 
Harmonie. Dann braucht der Kapitalismus nicht grundſätzlich bekämpft zu werden, 
dann genügt die Beſeitigung Jeiner „Auswüchſe“, dann iſt das Streben zum 
Sozialismus unnötig und unſinnig, dann genügt „Sozialpolitik“. Man will abſichtlich 
die ſcharfen Grenzen verwiſchen, um das Klaſſenbewußtſein ſchwach und die prole»- 
tariſche Lohnarbeiterſchaft genügſam zu halten. 
Hinter dieſer Unklarheit ſte>en ſtarke Kreiſe, die ſie gefliſſentlich nähren. Hat 
jemand die Unklarheit als ſolche erkannt, dann iſt für ihn der Weg zum Sozialis- 
mus frei. 
Ru ze zr DN RG Ru FP SSS SIS ZITIERE "Dor RHS WH M 
Die Dorausſekung zum Siege dor ſozialiſtiſchon Bewegung iſt ni<t die Zahl der 
Fäuſte, ſondern die Zohl der klaren Röpfe, der ſtarken Willen. Tieſert nuf der einen 
Soite die goſellſ<haftliche Entwicklung alle Bodingungen umd die notwendigen Elomonte 
für den kommenden Sieg des Sozinlismus, ſo iſt es auf der anderen Seite Sache uller 
dorjenigen, die in der Bewegung ſtehen, dur< ungusgeſchte, zähe und auſfopſernde 
Auſklärungsarbeit dix Elemente zu ſchulen, dur die allein dex Sieg ermöglicht umd 
beſchleunigt werden kann, Bebel, 
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