Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

354 Arbeiter-Jugend 
unter beſonderer Berückſichtigung der Vertreter der kirchlichen Behörden in allen 
Gruppen. Dadurch iſt die Möglichkeit gegeben, daß ſämtliche unter einem beamteten 
Vorſitzenden wirkende jechs Sachverſtändige geiſtlichen Standes ſind. Es bedarſ 
kaum eines Hinweiſes, daß ſolche Einſeitigkeit der geiſtigen Struktur Deutſchlands 
nicht entſpricht; nicht grundlos und nicht ohne geſchichtliche Erjahrung wird man 
jolcher geiſtlichen Indexpolitik, deren Anfang beſcheiden, deren Entwicklung 
unüberſehbar ſein kann, mit größtem Bedenken gegenüberſtehen. 
Beunruh'gend iſt ferner, daß dieſe Prüfungsſtellen nicht einſtimmig, ſondern 
bereits mit qualifizierter (Zweidrittel-) Mehrheit eine Druckſchrift dem Index 
überweiſen können. Für alle PBrüfungsſtellen, zum mindeſten aber für die 
Oberprüſſtelle, die als Berufungsinſtanz gilt, iſt Einſtimmigkeit des verurteilenden 
Spruches zu ſordern. 
In richtiger Erkenntnis der durch das Geſetz ermöglichten Willtür wird 
beſtimmt, daß eine Schrift wegen ihrer politiſchen, ſozialen, religiöſen, ethiſchen oder 
weltanſchaulichen Tendenz „als ſolcher“ nicht auf die Liſte geſezt werden darf. Das 
eingeſchaltete „als ſolcher“ wirkt kautſchukartig und geſtattet jeden Uebergriſſf. 
Eine außerordentliche Geſahr aber bedeutet die Beſtimmung, daß periodiſche 
Druckſchriften (Zeitſchriften), wenn innerhalb Jahresfriſt zwei Nummern auf die L.ſte 
kommen, für drei bis zwölſ Monate auf die Liſte geſeßt werden und ſo von jeglichem 
Vertrieb ausgeſchloſſen werden können. Dieſe Beſtimmung kann ſich als eine 
Abdroſſelung angeſehener Zeitſchriften auswirken. 
Die unterzeichneten Verbände ſind verpflichtet, nicht nur die Intereſſew des 
freien geiſtigen Schaffens, auch die des Wirtſchaftslebens ihrer Mitglieder, tauſender 
Künſtler und Schriftſteller, wahrzunehmen. Das geplante Geſetz kann, zum mindeſten 
bei mißbräuchlicher Anwendung, eine außerordentliche Beläſtigung, ja eine Ver- 
nichtung dieſes Schaffens bewirken. Die unterzeichneten Verbände müſſen darum, 
wenn das Gejeß überhaupt zuſtande kommen ſollte, auf eine Beſeitigung der 
untrogbaren Beſtimmungen und auf Einführung der erforderlichen Sicherungen 
Dringen. Dieſe Sicherungen ſind: | 
Reich5vrüfungsſtelle an Stelle der Landesprüfungsſtellen, 
Einſtimmigkeit der Entſcheidung, 
Beſeitigung des Vorrechtes der Vertreter der Kirchen und Auswahl der 
Sachverſtändigen durch die Organiſationen, nicht durch die Behörden, 
Herauslaſſen der periodiſchen Drudſchrif: ien. 
Es folgen die Unterſchriften der in der Eingabe erwähnten Verbände, von 
Denen wir bloß folgende anſühren: 
Allgemeiner freier Angeſtelltenbund Börſenverein der deutſchen Buchhändler. 
(AfA-Bund). Max Röder. 
Aufhäuſer. Stähr. Urban. | | - 
Allgemeiner Deutſcher Gewerkſchafts» Bund Entſchiedener Schulreformer. 
H. Kölling. Prof. Paul Deſtreich. 
bund. 
Th. Leipart. P. Graßmann. Deutſche Geſellſchaft für ethiſche Kultur. 
Arbeiter-Turn- und Sportbund. Dr. Rudolf Penzig. 
F. Wildung. 
Berliner Seceſſion Deutſcher Arbeiter-Sängerbund. 
1 “eh3o 
Eugen Spiro. Julius Meyer. Carl Fehl. 
Berliner Volksbühne E. V. Deutſcher Moniſtenbund. 
Georg Springer. Heinrich Neſt. Graf v. Arco, Rieß.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.