Arbeiter-Jugend . 357
Lebenskunft.
Von Karl A. Meyer,
D/Btb- ancherlei Jugend kommt zu uns: ſtille, verträumte Menſchenkinder, die
) 8 & beſcheiden für ſich gehen, und laute Lärmmacher, die in den Zuſammen-
3 ij Sy lüniten bald das Unterſte zu oberſt kehren. Die Aufgabe des Jugend-
leiters, die verſchiedenen Temperamente auf einander abzuſtimmen, iſt oft ſchwer.
Wären alle nur ſtille und ſäßen ſie da wie im Theater, wartend, was die anderen
ihnen bieten würden, ſo käme kein Gemeinſchaftsleben zuſtande. -- Ueberböten ſich
alle mit ihrem Mundwerk und in übler Radauluſt, wäre es gewiß ein Theater,
aber ein Schauſpiel, das am Ende keinem Freude machte.
Jungvolf iſt wie unfertiges Material in einer Werkſtatt: daraus ſoll etwas
werden. Was daraus werden wird --: auf uns kommt es an, auf jeden einzelnen
von uns und auf die Geſamtheit.
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Alles will gelernt ſein; auch zu leben will gelernt ſein. -
Gewiß: wir ſind lebendig. Wir können es ſein, wie die Pflanze, wie das
Tier, oder wie ein Menſch in der Tretmühle lebendig iſt. Aber ein Menſch, der
morgens erwacht, im Trott zur Arbeit geht, ſich abſchindet und am Abend matt
auf jein Lager fällt, um den anderen Tag ebenſo troſtlos zu beginnen: der lebt nicht,
der wird gelebt, der erleidet ſein Leben; der iſt wie ein Nuttier für andere.
Viele leben ſo dahin. Es iſt ein Jammer um ſolche Menſchen.
Wir ſind jung, uns ſteht das Leben offen. Aber das Leben in ſeiner Fülle
fliegt uns nicht wie im Schlaraffenland entgegen. Wer tatlos wartend abſeits
Jeht, fann lange warten. Dem Mutigen gehört die Welt, dem, der ſie packt, der das
Leben meiſtert, der Herr iſt über ſeine Kraft, der wie ein Schmied am Amboß ſteht.
Du mußt dir dein Leben ſchmieden. Dir iſt Kraft gegeben, Kraft des
Körpers und des Geiſtes =- was du damit anfängſt: darauf kommt es an. Der
eine vertrödelt ſeine Kraft in nichtigem Zeitvertreib, er vertreibt die Zeit, ſtatt
ſie zu nüßen =- dem andern iſt die Zeit der Raum, in dem er wirkt.
Beobachten wir ein kleines Kind, das geſund iſt: wie ſpringt es umher und
jubiliert in ſeiner Luſt! Nach allem will es greifen, alles will es tun. Wie ſauſt
ein Hund, losgelaſſen von der Leine, ſeiner Freude nach! Jauchzendes Kräfteſpiel.
Das Leben iſt ſo ſc<ön. Um wieviel lebendiger müßte das Daſein des Menſchen ſein,
der wiſſend ſeine Kraft nach einem ſchönen und hohen Ziel hin ſpielen läßt, der,
ſeiner großen Fähigkeiten bewußt, tätig iſt! Herrlich zu wiſſen: alles, was
wir auf Erden ringsum ſehen, iſt aus Menſchenwille und Tat geboren: jedes Haus
iſt nach einem Plan erbaut, das Wunderwerk einer Strombrüce, die Dampf-
turbine, die unſere Maſchinen treibt, die vieltauſendfältigen Arbeitsapparate, die
kunſtvollen Webſtoffe, Telephon, Radio, Schiffe, Flugmaſchinen =- wohin wir blicken:
Menſchenarbeit in vielerlei Wundergeſtalt und Form; der Menſch hat die Natur
gezwungen, ſo zu ſein, daß ſie ihm dienſtbar iſt. Und alle 'Menſchen, die das erſonnen
und ins Werk umgeſetzt haben, ſind einmal ſo jung geweſen, wie der jüngſte unter
uns. Aber keiner von ihnen, die dem Leben ihren Stempel aufgedrückt haben, hat
das tun fönnen, ohne ſtreng an ſich zu arbeiten. Er hat ſich gebildet zu dem, was
er geworden iſt: erhatſich gemacht zudem, was eriſt
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Das iſt das große Wunder: aus uns heraus wächſt die Zukunft. Wenn in
fünfzig Jahren die Menſchheit in ihrer Ziviliſation und Kultur ein Stü> weiter
gefommen jein wird: wer kann Heute auf die Einzelmenſchen deuten, die ihre För-