Arbeiter-Jugendö 45
zerſtört und 'Menſchenleben ohne Zahl vernichtet, eine“ Geißel geweſen iſt für die
Maſſen. des ſiegenden und des beſiegten Volkes. Deshalb iſt es wirklich an der
Zeit, daß endlich einmal Schluß gemacht wird mit dem Rachegeſchrei und dem Haß»
gebrülf vertierter Nationaliſten.
Es iſt eine der wichtigſten Forderungen ſozialer Ethik,
daß Haßund Racheausdemmenſchlichen Zuſammenleben aus»
gemerzt werden. Klaſſen-, Raſſen» und Völkerhaß widerſtreiten der geſunden
Vernunft, Rachekriege ſind widerſinnig. Alle dieſe Erſcheinungen, die einen Schand-
fled bilden in der Eniwicklungsgeſchichte der Menſchheit, ſchlagen dem ſozialen Emp-
finden direkt ins Geſicht. Alſo müſſen ſie verſchwinden, wenn wir Menſchen wirklich
Menſchen werden wollen. Wer möchte nicht an dieſer Vermenſchlichung ver Menſch-
heit mitarbeiten, wer nicht all ſeine Kraft daran ſetzen, daß Liebe und Frieden ein»
kehrt ins Menſchenreich, daß all die aus dem Haß und der Rache geborenen Greuel
taten und Schre>niſſe wie ein Spuk der Vergangenheit hinter uns liegen? Licht in
den Köpfen, Mitgefühl in den Herzen, Liebe in den Taten -- das ſind die Waffen,
mit denen Haßgefühle und Rachegedanken wie giftige Unkräuter aus der Menſchen
gemeinſchaft ausgerottet werden. Dann wird das Wort der altgriedhiſchen Antigone
uns in Fleiſch und Blut übergehen: „Nicht zu haſſen, zu lieben bin ich da!“ Dann
wird zur Wahrheit der Traum werden, den alle edlen Menſchen geträumt haben
und noch heute träumen. |
mata
Wie wird ein Schiff ?
Von Johs. Thieme, Hamburg
aft 5 iſt nicht leicht, dieſe Frage in allen ihren beſonderen Einzelheiten kurz zu
H D9 beantworten, denn es iſt mit dem Werden eines Schiffes ähnlich wie mit dem
We Werden eines Lebeweſens. Auch hier gibt es eine Zuchtwahl! In einem neuen
Schiff vereinigt man naturgemäß alle guten Eigenſchaften, die die Vorgänger gehabt
haben und ſucht die vielerlei Erfahrungen bei dem Neubau zu verwerten, ſo daß alſo
leizilich die Schiffe der Reihenfolge nach miteinander verwandt ſind.
Wenn wir mit dem Herausgehen der erſten Zeichnung in den Betrieb beginnen,
ſo liegt ſchon vor dieſem Abſchnitt eine Unmenge Mühe, Ueberlegung, Wagemut und
geijtiger Arbeit. Es haben bereits Techniker, Architekten und Kaufleute alle grund-
legenden Berechnungen über die Größe des Schiffes, die Ladefähigkeit, Stabilität,
Sicherheit und Wiriſchaftlichkeit auſgeſtellt und auch über die Schönheit des Neubaues
beraten. Alles Durchdenken und Konſtruieren des Schiffskörpers, die Wahl und
Anordnung der Bordräume, der Paſſagierkabinen, die Lage der Mannſchaſtsräume,
die Entſcheidung über die Art der Antriebsmaſchine, ſowie deren Konſtruktion, das
Verhandeln mit den GStahlwerken, welche Schiffsbleche und Profileiſen, große
Echmiedeteile, Stahlguß- und Gußteile, Wellen, Vorder- und Hinterſteven, Ruder
uſw. liefern, geſchieht zwiſchen den Monaten des Entwurfes und der erſten Zeichnung,
die in die Werkjtatt geht.
Und nun beginnt die Arbeit in den Werkſtätten. Der Helgen wird klar gemacht,
Die Stapeltiöße werden gelegt, der Kiel geſtre>t --- und hier beginnt auch für uns,
zwiſchen mir, der ich erzähle, und dir, der es lieſt, die Schwierigkeit der Ver-
ſtändigun7; denn du ſißzeſt vielleicht im Binnenland und kannſt dir von „Stapel“,
„Helgen“ und allen anderen Dingen, die uns Wajſerratten geläufig ſind, kaum ein
Bild machen.
Alſo, der Helgen iſt ein großer Arbeitsplaß, der ſich nach dem Waſſer zu ſenkt.
Hier beginnt der Aufbau des Schiffsrumpfes. Rechts und links ſind hohe Gerüſte,