Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

48 Arbeiter-Jugend- 
 
u. a. m. All dieſe Einzelteile werden nun in das Schiff eingebaut. Ein im erſten 
Augenbli> ſinnlos erſcheinender. Wirrwarr - von Maſchinenbauern, Nietexn; 
Schweißern, Malern, Tiſchlern, Mauerleuten, =- ja. auch Mauerleute, zum. "Aus 
betonieren der Kühlräume .-=- bietet ſich dem müßigen Betrachter... Der- Maſchinen- 
raum wird ausgebaut, - die Kabinen und. Wirtſchaftsräume - werden eingerichtet; 
Speiſe- und Feſtſäle, Schwimmbäder, Turnhalle u. a. von dem Innenarchitekten ais- 
geſtattet. Es gibt ſo vieles, was heute zu einem modernen Ozeanrieſen gehört; denn 
2000 bis 3000 Menſchen -- die Einwohnerſchaft einer kleinen Stadt =- die auf dem 
Schiff verſorgt werden wollen, haben mancherlei: Anſprüche und Bedürfniſſe. Mit 
dem Auſſeßen des Schornſteins bekommt dann ſchließlich auch. das Schiff ſein Geſicht. 
Das Maſchinenperſonal, das ſchon während. des Baues die Aufſicht führte, iſt 
bereits an Bord. Ein Teil der Hilfsmaſchinen wird in Betrieb geſeßt, :und das Blut 
des großen Schiffes beginnt zu pulſen. Die Maſchinen - werden nochmals durch» 
probiert, da das Vertrautwerden des Perſonals mit den Maſchinen nötig iſt... 
Den Abſchluß bildet die Probefahrt, auf der das Schiff - die verlangten Be- 
dingungen an Geſchwindigkeit und Sicherheit nachzuweiſen hat. Nach einem feſtlichen 
Akt wird das Schiſſ dann von der Reederei übernommen und in den Dienſt. geſtellt. 
 
 
Stapellauf. 
Von Alfred Thieme, Hamburg. | 
d) gehe oft in den Hafen. Immer wieder trinken“ meine Augen rich jJatt an dem 
"Jrade Spiel der Farben und Eindrücke, die - ſic) in Ueberfülle dem Beſchauer dart- 
bieten. =- Heute aber iſt Feſttag. Ich habe meinen Veiertagsrod an. Mitten in einer 
feſtlich geſtimmten Menge ſtehe ich auf“ dem - De> eines grünen Fährſchiffes. - Um mich 
herum wimmelt es von gepußten Leuten. Alle: reden vom Stapellauf. Sachkundige ver? 
juchen ihren Angehörigen zu erklären, wie ein Schiff vom Stapel gelaſſen wird. Ein Bater 
erzählt ſeinem erſtaunt zuhörenden Kind, daß das neue Schiff, das heute zu Waſſer gelaſſen 
wird, zirka 21 000 Bruttoregiſtertonnen Waſſerverdrängung hat. 
„Du mußt dir einen langen, langen Eiſenbahnzug denken. Ein Wagen kann 
15 Tonnen ſaſſen, und ſo müßten alſo 1490 Eiſenbahnwagen angefahren kommen, um all 
das Waſſer zu transporlieren, das dieſes Schiff: verdrängen kann.“ So verſucht er, ſeinem 
Kinde eine Größenvorſtellung von dem neuen Schiff zu geven. 
Unterweilen hat unſer Boot ſchon von den Landungsbrücken losgeworfen. Cin kalter 
Novemberwind treibt die Waſſer gegen ven Bug des Fährſchiſfes, das ſich breit und kräftig 
ihnen entgegenwirft. Am Maſt, der buntbewimpelt iſt, knattern, vom Wind. gezerrt, die 
Signalflaggen. 
Nach kurzer Fahrt biegen wir um die E>e in den Kuhwärderhafen, Aller Augen richten 
ſich auf die Werſtanlagen und taſten ſtaunend die Helgengerüſte av. Da liegt das große 
Schiff noch ſtill und gewaltig auf dem Helgen. 
Ich ſchreite zwiſchen den vielen Menſchen. Wir müſſen an einem anderen Schiſſbau 
vorbei. Zwiſchen Spanten, großen Liſenplatten, auf unſicheren, ſchwanken Stellagen 
hantieren Arbeiter. Viele ſchwielige Hände mühen ſich, nieten und hämmern und fügen 
aus unendlich vielen kleinen Teilchen ein ſtolzes Ganzes, ein Schiff, das über die Meere 
von Volk zu Volt ven Austauſc<h vermittelt. Mit einer berechtigten Geringſchätzung blicken 
die ſchweiß: und rußentſtellten Männer nieder auf die Schlange geputzter . Menſchen, die 
ſich an der Stätte des Fleißes vorbeiwindet, Die Hämmer dröhnen und Nietmaſchinen 
raſſeln ihr Lied. 
Rechts neben uns ragt der fertige Schiſſsrumpf-des neuen Dampfers.. Der. Koloß liegt 
ruhig und fertig da. Der friſche Anſtrich hat alle die Einzelheiten mit Glorie zugedeckt. 
Der Handgriff, der Hammerſchlag, die Schijjsplatte, die Niete, jedes Stücdchen iſt ein- 
geordnet, und nur das Ganze liegt vor uns in. maſſiger Gewalt,
	        
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