52 Arbeiter-Jugend
Flieger kommen hoch in der Luſt dahergeſauſt, werfen einen Kranz auf das Schiff und
Jahren wilde, verwegene Schleifen zu Ehren bes gelungenen Werkes,
*
Cin Sirenenpfiff!
Das Feſt iſt aus. Das Werk iſt vollbracht. Zu neuem Gelingen, zu neuem Werk eilen
die Arbeiter an ihre Pläße, und der Niethammer nimmt ſein unterbrochenes, ratterndes
Lied wieder auf.
, 2: “
„»<Hloß Tinz.
Eine proletariſche Bildungsſtäütte.
eilen vergehen, Schlöſſer bleiben beſtehen. Bleiben beſtehen Geſchlechter hindur< und
bringen Kunde von einſt Geweſenem, von einſtiger Fürſtenherrlichkeit. So auch
DB Ochloß Tinz“. Stolz und wuchtig, von einem großen, alten Park umgeben,
pP jo ſteht es in der Nähe der Induſtrieſtadt Ger'a in Thüringen. Aus roten Sand-
ſteinen, Steinen einer ſrüheren Burg, iſt es erbaut. Verwittert iſt-es; denn Regen und Schnee,
Sturmwinde, Froſt und Sonnenſchein ſind nicht. vergebens darüber geſtrichen. Zweihundert
Jahre wird es bald alt ſein, und zweihundert Jahre bringen Erlebniſſe: mit ſich. Die di>en
Mauern könnten viel erzählen von dem luſtigen Treiben, von Spiel und Tanz jener, die in
der erſten Zeit wiſchen ven Mauern wohnten, von den Fürſten und ihrem Anhang; aber
aud) von den Gefangenen des Krieges 1870/71; nicht zuleßzt von den Schmerzen und der Not
der hier während des Krieges gepflegten Verwundeten. .
Jene Zeiten ſind vergangen. Fünfzig junge Menſchen ſind jezt ins Schloß gezogen.
Aus allen Teilen Deutſchlands ſind ſie zuſammengeſtrömt. Hoch oben aus Königsberg
und unten aus Ludwigshafen, aus Schleſien und aus idem - Ruhrgebiet; Sachſen und
Thüringer, Bayern, Württemberger und Weſtfälinger, Berliner und Hannoveraner ſind
unter ihnen. -- Und ſo, wie ſie aus den verſchiedenſten Gauen Deutſchlands ſtammen, ſind
auch die verſchiedenſten Berufe vertreten. Aus ſchmutziger Werkſtatt und ſtaubigem Kontor,
vom Schraubſto> und vom Schreibpult ſind ſie gekommen, Schloſſer und Dreher; Buchbinder
und Buchdrucker; Tiſchler und Zimmerer... Der Angeſtellte ſitzt neben dem Bergmann.
Faſt alle ſind junge Genoſſen, und faſt alle haben irgend eine Funktion in der Jugend-
bewegung, in der Partei oder in der Gewerkſchaftbewegung bekleidet. Aus dem Produktions-
prozeß herausgeriſſen, widmen ſie ſich) mit Eifer dem Studium; denn vieles iſt zu lernen,
und die Zeit, die hier zur Verfügung ſteht =“- fünf Monate -- iſt kurz.
Was wird hier nun gelernt? Im Mittelpunkt des Unterrichts ſtehen die Wirtſchafts-
lehre und die Geſellſchaftslehre. Knapp umriſſen umſaßt die Wirtſchaftslehre eiwa
felgendes Gebiet: Grundlagen der Wirtſchaftstheorie (Wert-, Mehrwert-, Kapital-, Kon-
junkturlehre, Kapitalskonzentration), Geldweſen und Finanzkapital (Geld-= und Währungs-
fragen, Leihkapital, Bank- und Börſenweſen), Finanzwirtſchaſt (Staatsfinanzen, Finanzpolitik
und Gteuerfragen), Weltwirtſchaſt und Handelspolitik, Agrarwirtſchaft und Agrarpolitik,
Ferner Drganiſationsformen der kapitaliſtiſchen Wirtſchaft (Kartelle, Truſte, Konzerne),
Gemeinwirtſchaftliche Organiſationsformen (öffentliche Unternehmungen, Genoſſenſchafts-
weſen, Sozialiſierungsſragen). |
Die Geſellſchaftslehre umfaßt u. a. die Grundlagen der menſchlichen Wirtſchaft
und Geſellſchaſt, die Entwidlung der Menſchheit. Gie behandelt, kurz geſagt, die geſamte
Geſchichte vom Altertum und Mittelalter bis zur neueſten Zeit, unter Berückſichtigung der
ſozialen Strömungen. Es wird nicht der Geſchichtsunterricht der Schule gegeben, nicht-
erzählt von „treuſorgenden Landesvätern“ und von „liebevollen Landesmüttern“ auch nicht
von ihren „Verdienſten“, ſondern im Mittelpunkt der Darſtellung ſteht das Geſchi> der
Maſſen, der Völker. Es wird u. a. gezeigt, wie die Arbeiterbewegung ein Produkt des
Kapitalismus iſt. Nicht etwa nur in Deutſchland, ſondern viel eher noh in England, dann
in Frankreich und dann erſt in Deutſchland. Die Unterſuchung der Entwicklungen und Vor-
gänge kurz vor dem Krieg, während des Krieges und nach dem Krieg wird den Abſchluß
dieſes Gebietes bilden.
Ein anderes, wichtiges Kapitel iſt die Behandlung der- Literatur und der Kunſt. Die