Full text: Arbeiter-Jugend - 18.1926 (18)

Arheiter-Jugend 95 
ſchrieb, daß angeſichts der vielen, vielen 
Arbeit, die vor uns ſteht, recht zahlreiche 
Helfer ſich finden müßten, die mit auf- 
gefrempelten. Aermeln mit ans 
Werk gingen, hatte ich ſelbſtverſtändlich ge- 
hofft, daß dieſe Aufforderung überall befolgt 
würde, Es pat mich dennoch überraſcht, daß 
zahlreiche ugendſreunde eine Poſtkarte 
risfiert haben, um dem Hauptvorſtand mitzu: 
teilen, ſie ſtünden „mit aufgekrempelten 
Aermeln“ bereit, Beſonders aus Eſſen mel- 
deten ſich eine ganze Anzahl Arbeitswilliger, 
jo daß wir ſchon faſt Sorge haben, daß halb 
Cſjen mit aufgekrempexen Aermeln herum- 
läuſt und die Leute ſich erſtaunt fragen, ob 
das die neue Jugendbewegungsmode ſei. 
Aber, bitte, nicht genieren, ſondern kräftig 
zugepa>t! Wir wollen mal ſehen, ob ſich die 
Sſjener etwas von unſerer Werbeſpende ver- 
Dienen, -- Für die Werbearbeit kommt übri- 
gens gerade heute aus Oppeln in Ober- 
j<leſien ein ganz vortrefflicher Ratſchlag. 
Unſer Jugendgenoſſe Georg Loß ſchreibt uns: 
„Die meiſten Orisgruppen geſtalten die Auf- 
nahme neuer Mitglieder ſehr plump. Wir 
machten es bei uns folgendermaßen: Nachvem 
ein Jugendgenoſſe eine feierliche Rede über 
unſere Ziele geſpritzt hatte, erhoben wir uns 
alle von den Pläßen und ſangen „Wohlan, 
wer Recht und Wahrheit achtet, zu unſerer 
Fahne ſteh' zu Hauf“. Während des Ge- 
janges wurde den neuen Mitgliedern unſer 
SATI.-Abzeichen angeſte>t. Nachher wurden 
ſie jedem Jugendfreund vorgeſtellt und hörten 
von jedem den Familiennamen, Vor- und 
Spitznamen. Jeder Burſche und jedes Mädel 
reichte dabei den „Neulingen“ die Hand. 
Unſere kurze feierliche Aufnahme wirkte ſehr, 
es wollte ſich jedes der älteren Mitglieder 
noch einmal ſo aufnehmen laſſen. Macht alle 
vesgleichen, und ihr werdet gute und aufrich- 
tige Jugendgenoſſen in euren Reihen haben.“ 
So ſchreibt Georg Loß, da unten aus der ſüd» 
dvſtlichen E>e. Was meint ihr zu dem Vor- 
Ihlag? Iſt in anderen Gruppen ſchon ähn- 
liches geſtaltet worden? --- Für die Werbe - 
wo < e iſt ein wirkungsvolles Plakat, das uns 
unſer Jugendgenoſſe Andreas Nießen, Köln, 
gezeichnet hat, hergeſtellt worden. Beſtellt das 
Plakat ſofort bei eurer Bezirksleitung. Es 
darf in keinem Orte fehlen. --- Im leßten 
Werkſtattbrief forderte ich dringlichſt auf, den 
„Führer“ zu leſen. Warum? Weil unſere 
Funktionäre deſſen Ratſchläge viel zu wenig 
beachten; ſie kennen in vielen Orten die Zeit- 
jſhriſt gar nicht, wiſſen nicht, daß ſie beſon 
ders für ſie hergeſtellt wird. Unſere Werbung 
für den „Führer“ hatte in den lezten Mo- 
naten des vergangenen Jahres einen erfreu« 
lichen Erfolg. Wir ſteigerten den Abſatz von 
3100 auf 4000 Exemplare. Wir haben uns 
zum Ziel geſetzt, bis zur Reichskonferenz die 
Auflage auf 5000 Exemplare zu erhöhen. 
Das iſt eine Kleinigkeit, wenn nur jede Orts- 
gruppe ihre Pflicht erfüllt und für ihre 
Funktionäre aus der Gruppenkaſſe min- 
Deſtens zwei Exemplare beſtellt. Verſäumt 
nicht, eure Beſtellung aufzugeben! 
Frei Heil! 
3. A.: Max Weſtphal. 
„Das Wirfshaus der Jugend.“ | 
Cin Wirtshaus . . . Grau und verſchmußt 
liegt es in dem Blok ſchmaler, verwahrloſter 
Häuſer, die Fenſter irüb und beſchlagen, die 
kurzen Gardinen dahinter braun vom Tabaks- 
qualm. An und für ſich nichts Beſonderes, 
ein Wirtshaus, wie ſie zu Dußenden in 
unſeren Siraßen ſtehen, 
Und doch hat dieſes Wirtshaus etwas, was 
es von anderen Wirtſchaften unterſcheidet, 
eine traurige Beſonderheit: hier verkehren 
nur Jugendliche, nur junge Burſchen und 
Mädchen von vierzehn bis zwanzig Jahren. 
Cin in der Nähe liegender Sportplaß brachte 
das Wirthaus zu dieſer traurigen Berühmts- 
heit. Hier zogen ſich die jungen Burſchen 
zum Fußball um, hier „feierten“ ſie abends 
ihre Siege, und was lag näher, als daß der 
geſchäftstüchtige Wirt die Lage ausnußte. 
Jeden Samstag und Sonntag dasſelbe 
Bild: Drinnen Lärm, unterdrücktes Mädchen- 
freiſchen, taumelnde Schatten hinter den 
Venſtern; braußen aber, auf der Straße, ge- 
frümmte Geſtalten, ſchmächtige Jungen, faum 
der Schule entwachſen, grün und gelb im 
Beicht, und würgen an dem unverdauten 
ſt... 
Und je weiter die Nacht vorrü>kt, um ſo 
toller das Treiben, um ſo mehr der Elends- 
bilder vor der Tür . . ., bis ſie nach Hauſe 
ziehen, Arm in Arm, taumelnd, krank an 
Leib und Seele. 
Und das traurigſte: es iſt faſt ausnahms- 
los Proletarierjugend, die ſo Sonntag für 
Sonntag auf die Profitgier eines ſkrupelloſen 
Wirtes, auf die Auswirkungen eines mißver- 
ſtandenen Sportes hHineinfällt, die ihr in 
mühjamer Arbeit verdientes Geld. zum 
eigenen Ruin ausgibt. 
Wenn ich morgens an dem übernächtig 
ausjehenden Lokal vorbeigehe, wo aus den 
offenen Fenſtern der unerträgliche Dunſt von 
ZJualm und Rauch und ſäuerlichem Bier 
herausquillt, wo ein verſchlafenes Dienſt- 
mädchen mit müden Händen den Eimer 
Waſſer über den verſchmußten Bürgerſteig 
gießt, dann ſehe ich im Geiſt unſere friſche, 
lachende Jugend, unſere Arbeiterjugend, 
mit den klaren Augen und der ſelbſtbewußten 
Einfachheit und Natürlichkeit. Und dann froue 
ich mich, daß, obgleich ihr zwar noc viel zu 
tun übrig bleibt, ſie dieſen ihren Weg geht 
und ihn zum Ziel gehen wird. 

	        
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