Arheiter-Jugend 95
ſchrieb, daß angeſichts der vielen, vielen
Arbeit, die vor uns ſteht, recht zahlreiche
Helfer ſich finden müßten, die mit auf-
gefrempelten. Aermeln mit ans
Werk gingen, hatte ich ſelbſtverſtändlich ge-
hofft, daß dieſe Aufforderung überall befolgt
würde, Es pat mich dennoch überraſcht, daß
zahlreiche ugendſreunde eine Poſtkarte
risfiert haben, um dem Hauptvorſtand mitzu:
teilen, ſie ſtünden „mit aufgekrempelten
Aermeln“ bereit, Beſonders aus Eſſen mel-
deten ſich eine ganze Anzahl Arbeitswilliger,
jo daß wir ſchon faſt Sorge haben, daß halb
Cſjen mit aufgekrempexen Aermeln herum-
läuſt und die Leute ſich erſtaunt fragen, ob
das die neue Jugendbewegungsmode ſei.
Aber, bitte, nicht genieren, ſondern kräftig
zugepa>t! Wir wollen mal ſehen, ob ſich die
Sſjener etwas von unſerer Werbeſpende ver-
Dienen, -- Für die Werbearbeit kommt übri-
gens gerade heute aus Oppeln in Ober-
j<leſien ein ganz vortrefflicher Ratſchlag.
Unſer Jugendgenoſſe Georg Loß ſchreibt uns:
„Die meiſten Orisgruppen geſtalten die Auf-
nahme neuer Mitglieder ſehr plump. Wir
machten es bei uns folgendermaßen: Nachvem
ein Jugendgenoſſe eine feierliche Rede über
unſere Ziele geſpritzt hatte, erhoben wir uns
alle von den Pläßen und ſangen „Wohlan,
wer Recht und Wahrheit achtet, zu unſerer
Fahne ſteh' zu Hauf“. Während des Ge-
janges wurde den neuen Mitgliedern unſer
SATI.-Abzeichen angeſte>t. Nachher wurden
ſie jedem Jugendfreund vorgeſtellt und hörten
von jedem den Familiennamen, Vor- und
Spitznamen. Jeder Burſche und jedes Mädel
reichte dabei den „Neulingen“ die Hand.
Unſere kurze feierliche Aufnahme wirkte ſehr,
es wollte ſich jedes der älteren Mitglieder
noch einmal ſo aufnehmen laſſen. Macht alle
vesgleichen, und ihr werdet gute und aufrich-
tige Jugendgenoſſen in euren Reihen haben.“
So ſchreibt Georg Loß, da unten aus der ſüd»
dvſtlichen E>e. Was meint ihr zu dem Vor-
Ihlag? Iſt in anderen Gruppen ſchon ähn-
liches geſtaltet worden? --- Für die Werbe -
wo < e iſt ein wirkungsvolles Plakat, das uns
unſer Jugendgenoſſe Andreas Nießen, Köln,
gezeichnet hat, hergeſtellt worden. Beſtellt das
Plakat ſofort bei eurer Bezirksleitung. Es
darf in keinem Orte fehlen. --- Im leßten
Werkſtattbrief forderte ich dringlichſt auf, den
„Führer“ zu leſen. Warum? Weil unſere
Funktionäre deſſen Ratſchläge viel zu wenig
beachten; ſie kennen in vielen Orten die Zeit-
jſhriſt gar nicht, wiſſen nicht, daß ſie beſon
ders für ſie hergeſtellt wird. Unſere Werbung
für den „Führer“ hatte in den lezten Mo-
naten des vergangenen Jahres einen erfreu«
lichen Erfolg. Wir ſteigerten den Abſatz von
3100 auf 4000 Exemplare. Wir haben uns
zum Ziel geſetzt, bis zur Reichskonferenz die
Auflage auf 5000 Exemplare zu erhöhen.
Das iſt eine Kleinigkeit, wenn nur jede Orts-
gruppe ihre Pflicht erfüllt und für ihre
Funktionäre aus der Gruppenkaſſe min-
Deſtens zwei Exemplare beſtellt. Verſäumt
nicht, eure Beſtellung aufzugeben!
Frei Heil!
3. A.: Max Weſtphal.
„Das Wirfshaus der Jugend.“ |
Cin Wirtshaus . . . Grau und verſchmußt
liegt es in dem Blok ſchmaler, verwahrloſter
Häuſer, die Fenſter irüb und beſchlagen, die
kurzen Gardinen dahinter braun vom Tabaks-
qualm. An und für ſich nichts Beſonderes,
ein Wirtshaus, wie ſie zu Dußenden in
unſeren Siraßen ſtehen,
Und doch hat dieſes Wirtshaus etwas, was
es von anderen Wirtſchaften unterſcheidet,
eine traurige Beſonderheit: hier verkehren
nur Jugendliche, nur junge Burſchen und
Mädchen von vierzehn bis zwanzig Jahren.
Cin in der Nähe liegender Sportplaß brachte
das Wirthaus zu dieſer traurigen Berühmts-
heit. Hier zogen ſich die jungen Burſchen
zum Fußball um, hier „feierten“ ſie abends
ihre Siege, und was lag näher, als daß der
geſchäftstüchtige Wirt die Lage ausnußte.
Jeden Samstag und Sonntag dasſelbe
Bild: Drinnen Lärm, unterdrücktes Mädchen-
freiſchen, taumelnde Schatten hinter den
Venſtern; braußen aber, auf der Straße, ge-
frümmte Geſtalten, ſchmächtige Jungen, faum
der Schule entwachſen, grün und gelb im
Beicht, und würgen an dem unverdauten
ſt...
Und je weiter die Nacht vorrü>kt, um ſo
toller das Treiben, um ſo mehr der Elends-
bilder vor der Tür . . ., bis ſie nach Hauſe
ziehen, Arm in Arm, taumelnd, krank an
Leib und Seele.
Und das traurigſte: es iſt faſt ausnahms-
los Proletarierjugend, die ſo Sonntag für
Sonntag auf die Profitgier eines ſkrupelloſen
Wirtes, auf die Auswirkungen eines mißver-
ſtandenen Sportes hHineinfällt, die ihr in
mühjamer Arbeit verdientes Geld. zum
eigenen Ruin ausgibt.
Wenn ich morgens an dem übernächtig
ausjehenden Lokal vorbeigehe, wo aus den
offenen Fenſtern der unerträgliche Dunſt von
ZJualm und Rauch und ſäuerlichem Bier
herausquillt, wo ein verſchlafenes Dienſt-
mädchen mit müden Händen den Eimer
Waſſer über den verſchmußten Bürgerſteig
gießt, dann ſehe ich im Geiſt unſere friſche,
lachende Jugend, unſere Arbeiterjugend,
mit den klaren Augen und der ſelbſtbewußten
Einfachheit und Natürlichkeit. Und dann froue
ich mich, daß, obgleich ihr zwar noc viel zu
tun übrig bleibt, ſie dieſen ihren Weg geht
und ihn zum Ziel gehen wird.