Full text: Arbeiter-Jugend - 19.1927 (19)

 
 
 
  
  
 
 
 
 
 
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<a. Glenn man ſich mit älteren Genoſſen eingehender über 
E HF unſere Iugendbewegung unterhält, ſo kommen dieſe 
Zzuläy todſicher im Derlauf des Geſprächs auf die Unter- 
ſ&iede zwiſchen einſt und jezt zu ſpreßen. Und ebenſo regel- 
mäßig klingen ihre Betrachtungen in der halb wehmütigen, 
halb freudigen Feſtſtellung aus: „Wieviel leichter habt ihr 
heutigen Iungen es dody, als wir es hatten!“ Worauf ſie dann 
aus ihren Erinnerungen eine Wenge von allgemeinen Ge- 
ſihtspunkten und Einzeltatſachen auspac>ken, die den Gegen- 
ſaß zwiſchen der Cage der heutigen und der der ſrüheren 
Arbeiterjugend ſ<arf hervortreten laſſen. 
Wenn man ſie ſo hört -- und je älter ſie ſind, deſto beweis- 
kräftiger werden ihre Worte -- ſo möchte man in der Tat glau- 
ben, daß der Weg zum Sozialismus für die proletariſ<e Iugend 
damals ein gefährlicher, mit Fußangeln und Selbſtſhüſſen 
verrammelter Dſ<hungelpfad geweſen, wührend er heute wie 
gin bequemer Promenadenweg vor ihr liegt. Bedenkt doh 
nur: die Partei damals politiſ< und geſellſchaftli? geämtet! 
Und das niht nur während der Shre>enszeit des Ausnahme- 
geſeßes, wo ihre Organiſationen aufgelöſt, ihre Seitungen 
unterdrückt, ihre Führer und Überzeugungstreueſten Anhänger 
eingekerkert oder heimat- und exiſtenzlos gemacht waren. 
Die Derfemung der Sozialdemokratie erſtreckte ſic; ja weit 
über die Zeit des Sozialiſtengeſezes hinaus und hielt nahezu 
ungemildert an bis zum Beginn does Weltkriegs. Alle ihre 
Derſammlungen, ſogar die der geſchloſſenen Dereine, wurden 
überwacht, die Mitaliederliſten mußten der Behörde eingereiht 
werden, Polizei und Gendarmen, Staatsanwälte und Richter 
waren hinter ihr her, und gar die dreieinige Shukwehr des 
Klaſſenſtaats, Infanterie, Artillerie und Ravallerie, ſtand 
dauernd in KLlarmbereitſ<haft gegen dieſen „inneren Jeind“. 
Daß kein Sozialdemokrat zu irgendeinem öffentlicen Limt 
zugelaſſen wurde, war ſelbſtverſtändlic; nicQt einmal als 
TDachtwädcter war ein erklärter Anhänger der Partei denkbar. 
Ebenſo erbarmungslos war die geſellſ<haftliche Kehtung der 
„Roten“. Ein Sozialdemokrat galt der öffentlichen Meinung 
als Auswürfling, ja, geradezu als Derbrecher. Es hätte 
einmal einer riSkieren ſollen, in der Pferdebahn oder im 
WirtsShaus ein Arbeiterblatt hervorzuziehen: ſofort wären 
- ſämtliche Sißna<hbarn von ihm weggerückt wie von einem 
Kusſäßigen. 
Daß unter dieſen Umſtänden der Anſ<luß an die Partei 
ein riskantes Unternehmen war, läßt ſi ohne weiteres be- 
greifen. Sogar in den Zentren der Induſtrie und in den 
Großſtädten waren die ſozialdemokratiſ< organiſierten KAr- 
beiter gegenüber der Geſamtmaſſe ihrer Klaſſengenoſſen ein 
verſ<hwindendes Häuflein, und ſie begegneten vielfa< unter 
- ihren eigenen unaufgeklärten Kameraden denſelben Gefühlen 
  
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des Mißtrauens, ja, der DeraHtung oder des Hohns, die ihnen 
die bürgerli<e Welt und deren Ordnungswüdcter entgegen- 
brachten. Gar in den mittleren und kleinen Städten und 
vollends in den ländlichen Diſtrikten waren die Anhänger der 
verrufenen Sache, ſoweit überhaupt ſolche exiſtierten, auf eine 
Winkelexiſtenz angewieſen. Uicht nur vor dem Unternehmer 
und Meiſter und häufig auch den Werkſtattkollegen mußten 
ſie ihre Geſinnung ſorgfältig geheim halten und bei ihren 
ſpärlichen Zuſammenkünften jederzeit auf der Hut vor Spißeln 
und Gendarmen ſein, nein, häufig ſahen ſie ſi jogar in der 
eigenen Families und unter ihren nächſten Derwandten iſoliert, 
wenn ſie aus ihrer Ueberzeugung kein Hehl machten. Auch 
in vielen Arbeiter- und Kleinbürgerfamilien war damals der 
als Sozialdemokrat bekannte Angehörige das „Skelett im 
Bauſe“. - 
In der Tat, es war in jenen Iahrzehnten des ausgehenden 
vorigen Iahrhunderts ein enger, dorniger. und ſteiniger Weg, 
dor zur Partei führte, und es bedurfte zumal ſür den jungen 
Moeonſ<en, der ſim der Sozialdemokratie anjſmließen wollte, 
ſtarker Charaktereigenſ<aften, um den Entſ<luß durd- 
zuführen. Uicht nur für die vereinzelten jungen Leute bürger- 
liGer Herkunft, au< für viele junge Arbeiter bedeutete der 
Schritt geradezu den Bruch mit der Familie und mit ihrem 
ganzen biSherigen Ceben. . 
Aber nicht allein ſolHe vergangenen inneren und äußeren 
Schwierigkeiten ſind gemeint, wenn in Unterredungen wie 
dor eingangs erwähnten das Wort fällt: „Wieviel beſſer habt 
ihr es do<h!“ Die älteren Genoſſen haben mit ihrer Be- 
merkung meiſt noh etwas ganz anderes im Sinn. Daß ſie 
für ihre Ueberzeugung kämpften und litten, erſ<eint ihnen 
als etwas Selbſtverſtändlic<es, wovon es ſim ni<Ht zu reden 
ſohnt. Wohl aber mödten ſie davon ſpredhen, wie ſj<wer es 
ihnen in ihren jungen Iahren geworden, ſic? zu ihrer Ueber- 
zeugung dur<zzuringen, ſic) des SozialisSmus nicht nur gefühlsS- 
mäßig, ſondern au<h geiſtig zu bemächtigen. Syſtematiſ<e2 
Bildungseinric<tungen kannte ja die Partei auf weiten Stre>en 
ihres Entwiklungsganges niht; alle ihre Kräfte und Wittel 
wurden dur< ihre wirtſ<aftlichen und politiſchen Kämpfe in 
Enſpru< genommen. Der zu ihr ſtoßende junge Arbeiter, 
der ſich in der gewaltigen, für ähn ganz neuen Gedankenwelt 
orientieren wollte, ſah ſic) im weſentlichen auf ſieh ſelbſt an- 
gewieſen. In ſeinen kärglichen Mußeſtunden ſaß er über den 
paar Broſchüren oder Zeitungsblättern, deren er hatte hab- 
haft werden können, und bucſtabierte ſich mühſam die ſozia- 
Liſtiſm<e Erkenntnis zuſammen, die ſein ſozialiſtiſ<es Fühlen 
und Wollen begründen ſollte. 
Wie ganz anders iſt das heute, wo Partei und Gewerki<aften 
Millionen von Anhängern zählen, wo die Sozialdemokratie
	        
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