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<a. Glenn man ſich mit älteren Genoſſen eingehender über
E HF unſere Iugendbewegung unterhält, ſo kommen dieſe
Zzuläy todſicher im Derlauf des Geſprächs auf die Unter-
ſ&iede zwiſchen einſt und jezt zu ſpreßen. Und ebenſo regel-
mäßig klingen ihre Betrachtungen in der halb wehmütigen,
halb freudigen Feſtſtellung aus: „Wieviel leichter habt ihr
heutigen Iungen es dody, als wir es hatten!“ Worauf ſie dann
aus ihren Erinnerungen eine Wenge von allgemeinen Ge-
ſihtspunkten und Einzeltatſachen auspac>ken, die den Gegen-
ſaß zwiſchen der Cage der heutigen und der der ſrüheren
Arbeiterjugend ſ<arf hervortreten laſſen.
Wenn man ſie ſo hört -- und je älter ſie ſind, deſto beweis-
kräftiger werden ihre Worte -- ſo möchte man in der Tat glau-
ben, daß der Weg zum Sozialismus für die proletariſ<e Iugend
damals ein gefährlicher, mit Fußangeln und Selbſtſhüſſen
verrammelter Dſ<hungelpfad geweſen, wührend er heute wie
gin bequemer Promenadenweg vor ihr liegt. Bedenkt doh
nur: die Partei damals politiſ< und geſellſchaftli? geämtet!
Und das niht nur während der Shre>enszeit des Ausnahme-
geſeßes, wo ihre Organiſationen aufgelöſt, ihre Seitungen
unterdrückt, ihre Führer und Überzeugungstreueſten Anhänger
eingekerkert oder heimat- und exiſtenzlos gemacht waren.
Die Derfemung der Sozialdemokratie erſtreckte ſic; ja weit
über die Zeit des Sozialiſtengeſezes hinaus und hielt nahezu
ungemildert an bis zum Beginn does Weltkriegs. Alle ihre
Derſammlungen, ſogar die der geſchloſſenen Dereine, wurden
überwacht, die Mitaliederliſten mußten der Behörde eingereiht
werden, Polizei und Gendarmen, Staatsanwälte und Richter
waren hinter ihr her, und gar die dreieinige Shukwehr des
Klaſſenſtaats, Infanterie, Artillerie und Ravallerie, ſtand
dauernd in KLlarmbereitſ<haft gegen dieſen „inneren Jeind“.
Daß kein Sozialdemokrat zu irgendeinem öffentlicen Limt
zugelaſſen wurde, war ſelbſtverſtändlic; nicQt einmal als
TDachtwädcter war ein erklärter Anhänger der Partei denkbar.
Ebenſo erbarmungslos war die geſellſ<haftliche Kehtung der
„Roten“. Ein Sozialdemokrat galt der öffentlichen Meinung
als Auswürfling, ja, geradezu als Derbrecher. Es hätte
einmal einer riSkieren ſollen, in der Pferdebahn oder im
WirtsShaus ein Arbeiterblatt hervorzuziehen: ſofort wären
- ſämtliche Sißna<hbarn von ihm weggerückt wie von einem
Kusſäßigen.
Daß unter dieſen Umſtänden der Anſ<luß an die Partei
ein riskantes Unternehmen war, läßt ſi ohne weiteres be-
greifen. Sogar in den Zentren der Induſtrie und in den
Großſtädten waren die ſozialdemokratiſ< organiſierten KAr-
beiter gegenüber der Geſamtmaſſe ihrer Klaſſengenoſſen ein
verſ<hwindendes Häuflein, und ſie begegneten vielfa< unter
- ihren eigenen unaufgeklärten Kameraden denſelben Gefühlen
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des Mißtrauens, ja, der DeraHtung oder des Hohns, die ihnen
die bürgerli<e Welt und deren Ordnungswüdcter entgegen-
brachten. Gar in den mittleren und kleinen Städten und
vollends in den ländlichen Diſtrikten waren die Anhänger der
verrufenen Sache, ſoweit überhaupt ſolche exiſtierten, auf eine
Winkelexiſtenz angewieſen. Uicht nur vor dem Unternehmer
und Meiſter und häufig auch den Werkſtattkollegen mußten
ſie ihre Geſinnung ſorgfältig geheim halten und bei ihren
ſpärlichen Zuſammenkünften jederzeit auf der Hut vor Spißeln
und Gendarmen ſein, nein, häufig ſahen ſie ſi jogar in der
eigenen Families und unter ihren nächſten Derwandten iſoliert,
wenn ſie aus ihrer Ueberzeugung kein Hehl machten. Auch
in vielen Arbeiter- und Kleinbürgerfamilien war damals der
als Sozialdemokrat bekannte Angehörige das „Skelett im
Bauſe“. -
In der Tat, es war in jenen Iahrzehnten des ausgehenden
vorigen Iahrhunderts ein enger, dorniger. und ſteiniger Weg,
dor zur Partei führte, und es bedurfte zumal ſür den jungen
Moeonſ<en, der ſim der Sozialdemokratie anjſmließen wollte,
ſtarker Charaktereigenſ<aften, um den Entſ<luß durd-
zuführen. Uicht nur für die vereinzelten jungen Leute bürger-
liGer Herkunft, au< für viele junge Arbeiter bedeutete der
Schritt geradezu den Bruch mit der Familie und mit ihrem
ganzen biSherigen Ceben. .
Aber nicht allein ſolHe vergangenen inneren und äußeren
Schwierigkeiten ſind gemeint, wenn in Unterredungen wie
dor eingangs erwähnten das Wort fällt: „Wieviel beſſer habt
ihr es do<h!“ Die älteren Genoſſen haben mit ihrer Be-
merkung meiſt noh etwas ganz anderes im Sinn. Daß ſie
für ihre Ueberzeugung kämpften und litten, erſ<eint ihnen
als etwas Selbſtverſtändlic<es, wovon es ſim ni<Ht zu reden
ſohnt. Wohl aber mödten ſie davon ſpredhen, wie ſj<wer es
ihnen in ihren jungen Iahren geworden, ſic? zu ihrer Ueber-
zeugung dur<zzuringen, ſic) des SozialisSmus nicht nur gefühlsS-
mäßig, ſondern au<h geiſtig zu bemächtigen. Syſtematiſ<e2
Bildungseinric<tungen kannte ja die Partei auf weiten Stre>en
ihres Entwiklungsganges niht; alle ihre Kräfte und Wittel
wurden dur< ihre wirtſ<aftlichen und politiſchen Kämpfe in
Enſpru< genommen. Der zu ihr ſtoßende junge Arbeiter,
der ſich in der gewaltigen, für ähn ganz neuen Gedankenwelt
orientieren wollte, ſah ſic) im weſentlichen auf ſieh ſelbſt an-
gewieſen. In ſeinen kärglichen Mußeſtunden ſaß er über den
paar Broſchüren oder Zeitungsblättern, deren er hatte hab-
haft werden können, und bucſtabierte ſich mühſam die ſozia-
Liſtiſm<e Erkenntnis zuſammen, die ſein ſozialiſtiſ<es Fühlen
und Wollen begründen ſollte.
Wie ganz anders iſt das heute, wo Partei und Gewerki<aften
Millionen von Anhängern zählen, wo die Sozialdemokratie