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Arbeiter-JTJugend
Ur. 8
Diktor Engelhardt: Räthe Koliwißt.
äthe Kollwiß wurde vor kurzem ſechzig Jahre. IH
& betone das -- niht um die Gedenktagmode unſerer
Wi € Taceszeitungen mitzumachen -- ſondern, weil ſolche
Tatſache die Stellung der Künſtlerin im Rahmen des uns
interoſſierenden Kulturablaufs eindeutig feſtlegt. Käthe
Kollwiß gehört der Generation unſerer Däter an. In Seiten
feiter Kultur- -
tradition ſpielen
die dreißigTanre,
die eine Genera-
tionumſhließen,
Keine Rolle; in
Seiten der Gü-
Lung, des Um-
ſjhwungs gber
ſind ſie alles. Sie
werden zum
ScGidjal. Sie
maden einen
großen Menſden
ſchon an ſeinem
ſc<zigjten Ge-
burtstag ZUL
hiſtoriſ<men Per-
jöntlimkeit. Die
Künſtlerin, vie
ic? verehr2, wird
mir dieſen QUS-
ſpruch verzeihen.
Umſ<hliceßt er
dc< das Hödlie,
was von gein2m
erachteten, wenn ſie nur glei? „gut“
„Tendenz“ im Kunſtwerk, bedeutungslos. Es gab IDeitalier,
die den Ruf nah „reiner“ Kunſt erhoben, für die der „Inhalt“
des Werkes nichts, 'die Form, das Können alles war; Zeit-
alter, die eine Kohlrübe und eine Viadonna gleich wertvoll
hingemalt waren.
Bürgerlic<-individualiſtiſQe Kultur „erhob“ ſiM zu dieſer
Sdchäßung. Was
bedeutet ſie?
Ui<t mehr und
niQt weniger als.
Iſolierung dor
«+ Kunſt, die man
genießen wollte,
ohne von dem in
den „Inhalten“
pulſenden LTeben
aufgeregt oder
geſtört zu WwLLX-
den. Die Deiten
ſol<;er individu-
ellen Genießer-
äſthetik ſind vor-
bei. Das ſoziale
Ceben, das all-
umfaſſende Leben
der Uleonſc<heit
poht an die
Türen au<m dos
Individuelliten
unter iden DId2it-
genoſſen und
zwingt ihn inden
Menſ<enleben alle Zwingenden
geſagt werden Abb. 1. 8us der Solzſ<nittfolge: Der Krieg. Bann. Soziale
kann. Das künjit- Kultur iſt der
leriſche Cobenswerk galt nicht der Geihmadsbeſriedigung
von philiſtern, die heute, geſtern und morgen ſi? gleichen,
--- nein, es griff ein in den Cauf des Geſchehens, es war
ſelbſt Geſchi<te. Damit aber hatte es, wie jede Hiſtoriſch?
Sendung, einen feſt umſ<riebenen Kufgabenkreis in vor-
avcſ<riebener Seit Zu vollenden. = Dollendung bedeutet nit
Ende. Pollendung im Rahmen d25
geſhim<tlicen Werdens bedeutet:
Ewigkeit. * Keine Gegenwart lebt
ohne die Dergangenheit, Keine IDU-
kunft kann ohne. die Gegenwari
waGſen. Alles Seiende brau<ti das
Gcewordene, und alles Geworden?
bleibt, wenn es weſentlid<
war. Aus dieſem Blikpunkt muß
man das graphiſche Werk der Räthe
Kollwik betra<hten. Es umſdließt
das ſür die Sdöpferin viellzicht
tragliid;o, für die Epoche aber wert- *
volle Schickſal der Künſtlerin: Doll-
endung -- Abſchluß -- in einem do4
cwigen Wert. Die Blätter, die Frau
Kollwiz ſchuf, ſind Steine am Bau
der kommend2n Kultur, Steine im
Fundament, Über iddas wir heute ſ<on
hinauszubauen verſuchen -- aber
Steine, die wir niemals loSbrechen
können, ohne den Sinnzuſammenhang
des Ganzen zu ſtören.
Derbinden wir das künſtleriſche
Werk jo eng, wie es eben geſchah,
mit dem Ganzen der Kultur, ſo wird
die Frage na<M der Berechtigung, der
1.:::200M
Kbb, 2.
Aus dem Cyklus: Frauen und Kinder. die ihr in
Zukunft CToſungswort. Da gibt es kein losSgelöſtes, in jim.
befriedigtes Daſein, da gibt es Kein für ſich jeiendes Kunji-
werk mehr -- da gibt es nur no<D die Geſamtheit unſerer
Derfle<htung mit der GeſellſMaft. Kunſt muß aufhören im
biSherigen Dirtuoſenſinne „Kunſt“ zu ſein; Kunſt muß ſelbſt-
verſtändlic<e Lebensform werden. AuSdruk jed2s Teils,
Form jeder LQufgabe im Rahmen
der geſamten ſozialen Kultur. LebensS-
raum (als Wohnung, als Garten,
als Siedlung, Fabrik, Kaufhaus und
DerkehrSeinrihtung) iſt notwendig.
Kunſt muß ihn geſtalten, -- ohne
ihn aber iſt ſie nichts. LebenSinhalt
(fozialer Glaube, Religion und Wiſjen-
ſhaft, Beziehungen der Uilenſ<en
untereinander und zur Gemeinſ<aft)
iſt ebenſo notwendig. Kunſt muß
auh das geſtalten, -- ohne ſolchen
Urgrund aber iſt ſie nichts. . Kunſt
wird damit zum Dienſt verurteilt,
zum Dienſt am Ganzen. Dom Ganzen
empfängt ſig darum auch den Glanz
und die Größe. Gibt ſie ihren biS-
herigen Willen zur Selbſtändigkeit
auf, ſo kann ſie nur wenig verlieren
und alles gewinnen. Gewiß, ſiv iſt
ohne den Zwe, den ſie erfüllt (Raume
geſtaltung, Raumausſ<müdgung, In-
haltSdarſtellung, LebensSformung im
Kult uſw.) nict mehr denkbar, aber
ſie erreicht im Zwe eine Üb2r ihren
eigenen Bezirk hinausgehende Größe,
ihrer Loslöſung vom