Ür. 11 -
Arbeiter-Jugend
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Artikel iſt die Dereinigungsfreiheit für „jedermann“, au<
für Jugendliche gewährleiſtet. Arbeits- und Lehrverträge, in
denen eine Einſ<ränkung der Dereinigungsfreiheit enthalten
iſt, laufen dem Artikel 159 der ReihHSverfaſſung zuwider. Ein
jolHer Dertrag bleibt zwar redtskräftig, nur der ver-
jaſſungswidrige Paſſus der DereinSablehnung iſt nichtig.
Oſtpreußiſche „Kultur“.
Der demokratiſche Oberſtudiendirektor Dr. Bohner, Vlit-
glied des Preußiſchen Tandtags, hat auf einer Reiſe 'die ZU-
ſtände in oſtpreußiſ<en DolksSsſ<ulen ſtwdiert und über ſeine
Eindrücke geradezu niederſ<&metternde Einzelheiten im „Ber-
liner Tageblatt“ veröffentlic<t. Wir wollen nur einige tat-
ſäcGliche Angaben mitteilen.
„Ein einziger Tag im Landkreis Rönigsberg zeigt folgende
Bilder: Eine Stunde Fußweg vor KRönigsberg die erſte Guts-
jule, wie faſt überall das Haus eines GutsSarbeiters, das
nahträglim Sdhul- und Cehrerhaus wurde; das Klaſſen-
zimmer wieder niedrig, - Fenſter na<h drei Seiten, dex Raum
nict warm zu Kriegen; die Bänke alt und von der Art,
daß kein Sdqüler darin ſtehen kann; heraustreten vor die
Bank Kkann aud keiner, denn bei den 45 Sdhülern ſind die
Bänke eng aneinander gepreßt und gehen bis an die Wände.
Dabei Hat das Zimmer aud) ſhon für 94 reihen müſſen,
ſelbſtverſtändlic<h unter einem Lehrer.
Eine Fahrt auf der Landſtraße na< Kranz zeigt no< viel
gedrücktere Derhältniſſe; eine zweiklaſjie Sqhule, der erſte
Lehrer hat eine leidlihe Wohnung von drei Zimmern, Hak
eine Küche, Wirtſ<aftSgebäude und Akerland. Der zweite
hat eine Dienſtwohnung im gleihen Hauſe; es iſt ein
Zimmer, in dem er jeit aHt Jahren ko<ht, wohnt und ſ<läüft
und ſeine zwei Kinder aufzieht; natürlic?) iſt es auch ſein
Studierzimmer, in dem er ſich als Lehrer nad) der TagesS-
arbeit wiſſenſ<aftlic< fortbilden ſoll. Als wir ankommen, iſt
eins der Kinder krank, und die Dienſtwohnung auh no
zum Krankenzimmer geworden. Die Frau ko<ht daher unter
dem Dal auf dem offenen Boden vor der Tür. Das Dad iſt
ni<t mit Ziegeln belegt. Jjondern mit Bohlen, dur< deren
Spalten der Wind pfeift. Zum Glük regnet es nicht an dem
Tag; im Zimmer läuft zwar trozdem an der Mand, an der
die Betten ſtehen, ununterbro<hen das Waſſer herab, und die
Frau leidet an Rheumatismus troß ihrer Jugend.
Wir beſuchen in einem Ort einen Lehrer in ſolHer Miet-
wohnung. Wir haben uns vorher dur& Shlamm und Täſſe
zur Schule dur<gearbeitet. „So ſieht der Weg den größeren
Teil des Jahres aus,“ ſagt der erſte Lehrer, „ein Drittel
meiner Sdqjulkinder iſt ſQwerhörig, da es immer mit
naſſen Füßen in der kalten Sd<ule ſitt“. Dir fügen Hinzu,
daß es ein Rätſel bleibt, wie die Schulanfänger täglich über
den alten wackligen Brückenſteg gelangen, ohne in den Bach
zu fallen. Dann geht es zum zweiten Lehrer. GutsSarbeiter
zeigen uns, wo wir uns feſthalten müſſen, damit wir nicht
im Sc<hlamm verſinken. Der zweite Lehrer hat glücklich
Unterkunft beim Schmied gefundon. Er wohnt in einem
kleinen Stübchen, das für ein Bett überhaupt keinen Plaß
hat, ſo daß ſeine Schweſter und HausShälterin auf dem win-
zigen Sofa ſ<lafen muß. „Und Sie?“ Er führt uns zu einem
Derſ<lag unter dem Dad, den wir ohne Erläuterung nie
für die Unterkunft eines Menſc<en gehalten hätten.
Zu dieſer Enge tritt die Dereinſamung. Glücklich,
wer in dem ſtraßenarmen Lande an einer Landſtraße wohnt;
die übrigen Wege ſind zu beſtimmten Jahreszeiten für jeden
Derkehr unmöglich. Ein weiteres Uebel iſt die wirtſ<aft-
lime Abhängigkeit vom Gutsherrn in der Derſorgung
mit den täglihen Uahrungsmitteln; in Krankheitsfällen
vollends iſt ſeine Hilfe -- das Geſpann nam der Stadt --
nicht zu entbehren. Mandem GutsSherrn muß aber der Lehrer
entgegentreten, wenn er die Kinder in unbilliger Weiſe wäh-
rend der Schulzeit zur Feldarbeit heranzieht.“
Tatſachen. In dem Berliner Bezirk Prenzlauer Berg wurde
dur< eine Erhebung feſtgeſtellt, daß allein in diejem einen
Stadtteil 7380 Kinder regelmäßig 0 hne erſtes Frühſtück und
208 Kinder ohne zweites Frühſtück zur S<ule kommen. Im
Reidsetat für 1927 wurden dur< die bürgerlic<e Mehrheit für
die Reihswehr 690 Millionen Dlark, darunter allein 36,79
Millionen Mark zur Unterhaltung und zum Knkauf von
Waffen eingeſe3t, während dieſelben den für die Rinderſpeiſung
vorgeſehenen Betrag zunächſt völlig | ri<Hen, dann unter dem
Dru der Sozialdemokraten 4 Nlillionen einfetten, aber die
von: den Sozialdemokraten verlangte Erhöhung auf 5 UMil-
lionen ablehnten.
Hunderttauſend Beſu<her in der Kusſtellung „Das- junge
Deutſchland“. Die Ausſtellung der deutſchen Jugend iſt nun-
Mehr geſc<loſſen. Sie hat einen außerordentlic<m ſtarken öffent-
lihen Erfolg gehabt. Wehr als Hunderttauſend Bejucher
wurden gezählt, und weil die Ausſtellungsräume an den
meiſten Tagen überfüllt waren, wurde die Ausſtellung für
den Beſju< geſ<loſſener Gruppen noOD bis zum 5. Gktober
verlängert. Schr groß war au< die Zahl der Perſönlichkeiten
des öffentlichen LebenS, die die Ausſtellung beſuchten; am
lezten Tage nod beſichtigte der Genoſſe Thomas, Direktor
des Internationalen Krboitsamts, die AusSitellung und ſpraH
ſi) vor allem über dus ſozialpolitiſhe Ulaterial anerkennend
aus. Die Kusſtellung wird nun als Wanderausitellung in
mehreren Städten des Reiches gezeigt werden, und zwar zuerſt
in LeIiPpZIig.
Staatszuſchüſſe für Jugendheime. Der LandeSausſusß
Thüringen der deutſ<en Jugendverbände hat in einer
Eingabe an den Landtaa von Thüringen beantragt, die im
Entwurf des HausShaltplanes 1927 eingeſeßten ſtaatlic<en Zu-
ſj<ußmittel für Iugendheime von 1000 Ylark auf 19 000 Ulark
zu erhöhen, du dur< die immer deutlicher in Erſ>einung
tretende Jugendheimnot in Thüringen große Gefahren für
den Beſtand der ſo notwendigen Arbeit an der Jugend ent-
ſtehen. Der Dräſident des CTandtages hat die Eingabe ſofort
dem HauShaltausſhuß überwieſen, damit dieſs Forderung
nod jeßt bei der EtatSberatung beſpro<men und feſtgelegt
werden kann. Soweit unſere Parteifreunde im HauShaltungs-
auSsſ<muß in Frage kommen, ſo werden ſie Surge tragen, daß
der Zuſchuß von 1000 M8. erhöht wird. Die Erhöhung auf
10 000 Uk. iſt nict zuviel, denn bei der Zahl der beſtehen-
den Jugendverbände und dem Zuſtand vieler Jugendheime
könnte eine no<h höhere Summe bewilligt werden. Ob die
gejpannte Finanzlage des Landes die Bewilligung der 10.000
Jiark geſtattet, wird allerdings erſt im Ausſ<Huß entſ<ieden
werden können.
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Bolſchewijtiſhe Kampfesmethoden in Rußland.
Im Derlag unſerer Hamburger Parteidruckerei, Auer 1.
To., iſt eine Broſchüre erſ<ienen, in der ein Ulitglied der
zweiten HArbeiterdelegation na“z BSowjetrußland, Arthur
Kod<-WieSba<H, ſeine Eindrücke von dieſer Delegationsfahrt
niedergelegt hat. Seine Ausführungen jind eine erneute Be-
ſtätigung dafür, daß dieſen Arbeiterdelegierten ein voll-
kommen im bolſ<ewiſtiſmHen Sinne friſiertes Bild von den
Zuſtänden in Rußland geboten wird. PDir überlaſſen es
unſeren Leſern, die Einzelheiten in der Broſc<üre ſelbſt na<D-
zuleſen. JFeſtgehalten fei nur ein ZSitat, das der Derfaſſer
der Schrift am Sdluſſe ſeiner Ausführungen über die Bs-
kämpfung der SozialiſtiſGen Arbeiterjugend bringt. ES
heißt dort:
„Die die SAT. in Rußland angeſchen iſt, geht daraus
hervor, daß bei einer Demonſtration der „Komintern“
(KommuniſtiſMe Internationale) in Moskau im Demon-
ſtrationszuge ein Transparent mitgetragen wurde, auf dem
eine Dirne undcein junger Arbxiter mit dem
Abzeichen SAI. abgebildet waren. Beide waren als be-
trunken dargeſtellt und hatten ſim „eingeöſt“. In leuG:ien-
den Buchſtaben ſtand darunter: „Womit beſ<äftigt
ſiM die SA7.?“ '
Und das zu einer Zeit, als 47 Sozialdemokraten ruſſiſche
Gäſte waren.“
Dieſes Beiſpiel zeigt Kraß, in welcher gemeinen Weiſe die
Kommuniſten den Kampf gegen unſere Bewegung jühren.
Sie übertreffen damit die gehäſſigſten Derdä<htigungen, denen
die ſozialiſtiſ<e Iugendbewegung vor allem in der DorRkriegsS-
zeit dur< die ſ<wäürzeſten Reaktionuüre ausgeſeßt war.
- Kommuniſtiſche Wären.
Anfang Juni d. I. berichtete die kommuniſtiſche „JIunge
Garde“ von einem Maſſenaustritt der Mitglieder unſerer
Ortsgruppe LudwigsShafen. Uac<H heftigen AusSeinander-