Ur. 11
Arbeiter-Iugend
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Frage vorzulegen, ob es nicht ſeine Pfli<t als international
denkender Proletarier ſei, der Welt ſeine internationale Ge-
ſinnung zu beweiſen, indem er zur Möglichkeit der gegen-
ſeitigen Derſtändigung beiträgt und die Hilfsſpra<e Eſpe-
rants erlernt. In einem ſpäteren KAufſaß will iQ gern die
Wege zur Erlernung der Sprache weiſen, über die Eſperanto-
organiſationen berichten und Viöglichkeiten aufzeigen,
Eſperanto ſchon jezt nußbringend zu verwenden.
Laboristoſ, lernu la neutralan internacian helplingvon
Esperanto kai la mondo estos unu Sola patrolando.
(Arbeiter, lernt die neutrale internationale Bilfsſprache
Eſperanto und die Welt wird ein Daterland ſein.)
KR. I. Kurz: Alt-Erik und die Tliege.
(& wiſchen finſteren Bergen hoch oben in JItorwegen liegt
(3 der Bardaſee. Die Gegend iſt einſam. In den
L/ wenigen armen Hütten, die in den Wäldern zerſtreut
liegen, wohnen nur ein paar Oußend Menſchen, die ſich von
Fiſchfang und Jagd ernähren und nebenbei die wenigen
Wieſen und Aecker beſtellen. Ein ſ<maler Caumpfad führt
von der Küſte herauf. Aber der wird
wenig gebraucht. Die Leute hier ſind in
ihren Anſprüchen genügſam und faſt
ganz auf ſich ſelber geſtellt.
Nan hat hier noch nie den Pfiff einer
Cofomotive oder den gellen Grei einer
Dampferſirene gehört. Das Heulen des
Sturmwinds, das Poltern des Donners
und das Brauſen der Waſjerfälle unter-
brechen die Gtille. Die Stimme der Nen-
ſchen reicht nicht weit. Dann und wann
ein Gewehrſchuß oder der ſpärliche Rauch
der Herdſeuer verrät ihr Oaſein.
Die Nordwand über dem Bardaſee
ſtürzt mehr als zweihundert Meter ſenk-
recht ab. Auf halber Höhe iſt ein ſchmales
Grasband, nicht mehr als dreißig Schritte
lang und nirgends mehr als vier Ochritte
breit. Es iſt ganz unzugänglich. Eine
uralfe Fohre ſteht darauf, man Fann ſie
bei Flarem IBetfer von der Küſte aus
ſchon ſehen. Das iſt Alt-Eriks Haus.
Die Leufe meinen, daß Alt-Erik an die drei Meter von
einer OGchwingenſpiße zur andern meſſe, und daß er nicht
ſeinesgleichen finde von Haparanda bis Varjag Njarga.
Alt-Erik iſt der Ahne eines großen Adlergeſchlechtes. Wie
alt er iſt, weiß kein Menſch. Der achtzigjährige Thorvund
erinnerf ſich ſeiner aus der Jugendzeit. Ochon damals hat
man ihn beachtet, ſchon damals nannfe man ihn bei ſeinem
heufigen Namen. Es iſt nicht ſo, daß man ihm Verehrung
oder Zuneigung ſchenkte, doch man haßte ihn auch nicht und
verlangfe darum nicht ſeinen Tod. Der einzige, der einmal
aus purem ÜUebermut nach ihm jc<oß, war Aasbjörn
Egilſon, und ihm iſt es übel ergangen. Der Verſchluß ſeiner
alten Remingtonflinfe hielt nicht, der INeſſingboden der
Patrone ſchlug ihm das rehfe Auge aus.
Seither hat ſich kein Gewehrlauf mehr auf Alt-Erik ge-
richtet. Er zog über dem BVardaſee ſeine Kreiſe, Lag für
Tag. Bom Frühling, wenn das Eis ſich löſte, bis zum
Herbſt, wenn die erſten Froſtnächte kamen, enkfernte ſich Alik-
Erik nicht weit vori ſeinem Horſt. Gtundenlang hing er
boch über den Wäldern und Bergen, als ein kleiner, dunkler
Punkt in der Himmelsbläue vergraben. Jah und unerwartet
ſchoß er nieder, ſauſte wie ein ſchwerer Gtein in den glatten
CSeeſpiegel, Hoch ſprißke der O<haum, daraus exhob ſid)
Alt-Erik mit einer blanken, zappelnden Forelle in den Fängen.
In der Zeit, wenn das Laub der SCchwarzerle zu grünen
begann, frug er ſeinen Raub zur alten Föhre hinauf, denn
dort wartefen das braune Weibchen und die ſchreienden
Jungen. Manche Familie hat Alt-Erif im Lauſe der Zeit
dorf entſtehen ſehen, und- manche Familie wieder verſchwin-
den. Noch ehe die Beeren an den Ebereſchen ſic) rot zu
färben begannen, war das Neſt wieder leer. Die Jungen
waren ſich ihrer Kräfte bewußt geworden, und auch das
braune Weibchen zog eines Tags wieder über die Berge und
kam nicht mehr zurüd. -- Dann ſaß Alt-Erif traurig wie ein
Bettelweib am oberſten Rand der ſteilen Felswand, und keiner
konnte in Dieſer elenden Figur den ſtolzen Segler der Lüfte
wieder erfennen.
Aber nie trauerte er lange um Weib und Kind. Nach ein paar
Tagen zog er wieder ſeine ſtillen Kreiſe hoc< über dem See ...-
Nach dem kurzen Gommer kommt der
Winter und begräbt Berg und Wald un9
Sels und Gee unter unendlichen Iaſſen
von Cchnee und Eis. Haſe und Birkwiid
verſtecken ſich faggüber in Chneehäujern,
die alle Zweige der Büſche willig bauen.
Dann zieht Alt-Erif jeden Nlorgen hin-
aus an die Küſte. Er kennt alle Weide-
pläße dex COchafe meilenweit das Land
auf und ab, und er weiß auch, daß dort,
nabe dem wärmenden INeer, die Herden
im Winfer draußen liegen. Baid iſt die Zeit
der langen Nächte. Nur ein paar Stun-
den über den Mittag ſteht die Gonne
wie ein blutiges Auge auf dem IWaſjer.
In dex Dämmerung fann man zuweilen
Alt-Eriks heiſeren Schrei hören. Man
fann auch ſeinen Schatten über die Felſen
ſirxeichen ſehen, ebe ihn die Sinſternis auf-
> nimmt. -- Aber auf jeden Winter folgt
(2 wieder ein Frühling und Alt-Erik bringt
“ ' von irgendwoher wieder jein braunes
Weibchen und das ewige Epiel des Gudwinds und der Liebe
beginnt. =- Am Eftand unter Alt-Erifs Föhre dehnt ſich eine
Geröllhalde. Stein um Stein hat ſich von der Wand losgelöſt
und iſt in den See gefallen. So iſt in vielen kaujend Jahren
das weite Trümmerfeld entſtanden, das man, ehe das Cis
frägt, von feinem Ufer erreichen Fann. Zwiſchen dieſen
Steinen hat ein Otter ſein Haus. Der Cingang liegt unter
dem Waſſerſpiegel und er iſt ſo wohl verborgen vor allen
Augen, daß außer Alt-Erif, dem nichts geheim bleibt, noch
fein Fremder ihn entdeckte. Der Otter iſt ein Einſiedler, vor
langen Jahren kam er über den See. Er holt ſich wie AUlk-
Erik ſeine Beufe aus der freigebigen Tiefe. Da ihm keine
Slügel verliehen ſind, jo daß er mit dem Idler an die Küſte
hinausziehen kann, bricht er ſich im Winter Löcher ins Cis.
Er hat noch nie gehungert. Otter und Adler kennen einander.
Sie ſind Nachbarn und ſich weder Freund noch Feind.
In der Tiefe des Sees lebt eine alte Forelle. Sie iſt
größer und ſtärker als alle anderen Fiſche. Cs droht ihr von
ihresgleichen feine Gefahr und vor Andersgearteten hütet
ſjie>jich. |
Millionen von Fliegen wohnen um den See. Es gibt da
viele Sorten, bunte und ſchwarze, dide und ſchlanfe. Cie
ſierben alle in den erſten Froſtnächten des Herbſjtes; aber
faum daß der Echnee von den Feljen vertropft iſt, ſimd ſie
wieder alle da.
Das iſt das Leben am einſamen See, alles ſcheint feſi und
ſicher geordnet und nach irgendeinem geheimen Geſeß in be-
ſtimmte Bahnen gelenkt.
Aber nun kommt ein Frühlingsmorgen, und da geſchieht
ctwas. |
Alt-Erik zieht am Himmel feine prachtvollen Kreiſe. Jn
ſeiner ſicheren Höhle liegt der Otter. Die große Forelle
ſchmiegt ſich regungslos an einen Gtein, ſie ſcheint ohne
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