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14. LebensSjahr hinaus nod) Höhere Schulen beſu<t, wird die
Liadfrage na<h Lehrlingen in dieſen Jahren größer ſein als das
Angebot. Dadurd wird zweierlei erreicht werden: Einmal wird
es im Zuſammenarbeiten von Eltern, Gewerkſc<haften und
Berufsberatung mögli< ſein, die Lehrlingsverhäult-
niſſe in jeder Beziehung zu beſſern; daß das
nötig iſt, wird niemand beſtreiten können. ES wird vor allem
die Lehrlingszühterei und -auSbeutung erhebli? einge-
ſjaränkt werden. Einem jtadtbekannten Rrauter wird es
bei Lehrlingsmangel unmöglid ſein, Lehrlinge zum KuSbeuten
zu bekommen.
Zum Zweiten wird die Zahl der Kusgelernten, die wegen
BerufSsüberfüllung keine Arbeit bekommen Können, und in
den Großbetrieben als un- oder angelernte Arbeiter ein
Unterkommen ſuchen müſſen oder der QArbeitsloſigkeit ver-
fallen, ſinken und das Derhältnis zwiſ<en Lehrlings- und
Gehilfenzahlen ein erträgliches werden. Heute iſt das nicht
ſo. Beiſpielsweiſe ſtehen in Schloſſereien mit bis zu fünf
Perſonen 14 403 Lehrlingen nur 7144 Geſellen, in Shmiedereien
30 352 Lehrlingen nur 28 265 Geſellen, in Tiſchlereien 48 633.
Lehrlingen .nur 41 680 Geſellen gegenüber. SEE
In dieſem Zuſammenhang iſt es intereſſant zu wiſſen,
wieviel Fabrik- und Handwerkslehrlinge es in Deutſchland
überhaupt gibt. Wir verwenden hier die Ergebniſſe der ge-
werblic<en Betriebszählung vom JIuni. 1925*)..
Die genaue Zahl der Handwerks- und JFabriklehrlinge
beträgt 986 567, die ſim über 26 Gewerbegruppen mit
insgejamt 18 749 583 Beſchäftigten verteilt. Am meiſten
werden Lehrlinge gehalten in der Herſtellung von Eiſen-,
Stahl- und Metallwaren (131 000 = 14,6 Proz. der insS-
gejamt Beſſhäftigten), im WMoaſchinen-, Kpparate- und
Fahrzeugbau (148 238 = 11,2 Proz. der inSsgeſamt Beſ<äf-
tigien), in der elektrotechniſ<en Induſtrie, Feinmechanik und
Optik (50 222 = 8,5 Proz. der insgeſamt Beſchäftigten), im
Hol3z- und Sdcnißſtoffgewerbe (137 048 = 13,6 Proz. der insS-
aejamt Beſchäftigten), im Uahrungs- und Genußmittelgewerbe
(93 925 = 7,1 Proz. der insgeſamt Beſchäftigten), im Beklei-
dungsgewerbe (149 076 = 10,3 Proz. der insgeſamt Beſchäf-
tigten), im Baugewerbe einſ<ließlich ſeiner Uebengewerbe
(129 650 = 8,6 Proz. der insSgeſamt Beſchäftigten). -
Die wichtigſte BetriebSgröße für die Lehrlings-
haltung iſt der Betrieb mit ſe<hs bis zehn Perſonen. In dieſer
Größenklaſſe erreicht der Lehrlingsanteil an der Geſamtzahl
der Beſchäftigten in der Ciſen- und Metallinduſtrie 28,9 Proz.,
Arbeiter-IJugend
Ur. €
im Maſchinen- und Fahrzeugbau 26,4 Proz., im Bolz- und
Sdinißſtoffgewerbe 24,1 Proz., in der elektrotehniſ<hen Indu-
jtrie 23,8 Proz. und in der BekleidungsSinduſtrie 22,3 Proz.
In den kleinen Werkſtätten mit bis zu fünf beſchäftigten
Perſonen erhalten vierzig Prozent der Cehrlinge ihre beruf-
lime Ausbildung. Unter den „beſchäftigten Perſonen“ ſind
aud) die ſelbſtändigen YVleiſter mitgerechnet, deren Zahl in den
Swergbetrieben beſonders ho< iſt, ſowie au< deren Familien-
angehörige, joweit dieſe bei der Arbeit und Leitung des Be-
triebes oder beim Derkauf der Erzeugniſſe helfen.
Mehr um AuSbeutung billiger und williger
junger Arbeitskräfte, als um ihre berufliche Aus5-
bildung, handelt es ſie) bei der Lehrlingshalterei in den
Kleinſtbetrieben. Das mögen einige Zahlen beweiſen.
. In Betrieben mit einer bis drei Perſonen waren beiſpielsweiſe
' in der Sdcloſſerogi von je hundert Beſchäftigten 44,3 Meiſter,
17 Geſellen, Gehilfen oder Arbeiter, 5,7 Derkaufsperſonal und
33 Lehrlinge; in der Tiſchlerei 42,6 Meiſter, 32,2 Geſellen und
Arbeiter, 6,8 Derkaufsperſonal und 27,4 Lehrlinge. Uo<
j<limmer iſt es mit der LehrlingsShalterei in den Betrieben
mit vier bis fünf Derſonen. Hier find von je hundert der
Beſchäftigten in der S<loſſerei 23,8 Meiſter, 23,7 Geſellen und
Arbeiter, 3,6 Derkaufsperfonal und 48,9 Cehrlinge; in der
Sdhmiederei 24,2 leiſter, 32,9 Geſellen, 5,1 Derkaufsperſonal
und 37,8 Lehrlinge; in der Ulaſ<inen- und Fahrzeugrepara-
tur 25,6 Meiſter, 30,6 Geſellen und Arbeiter, 7,3 Derkaufs-
perſonal und 36,5 Lehrlinge; in der Schneiderei 23,9 Meiſter,
38,4 Geſellen, 5,7 Derkaufsperſonal und 32 Lehrlinge; in der
Shuhmaderei 24,1 Meiſter, 36,2 Geſellen, 10,7 Derkaufs-
perſonal umd 29 Lehrlinge. Dieſe Zahlen beweiſen aber av<<,
wie bedeutungsvoll und gefährlich für die ſ<affende JIugend
der Paſjus im Entwurf des Arbeitsſ<ußgeſeßes iſt,
der dem Reihsarbeitsminiſter die. Ermächtigung geben will,
die geſeßlicen Beſtimmungen über die Arbeitszeit für Betriebe
mit bis zu fünf Arbeitern aufzuheben. Im Zuſammenarbei-
ten von Jugendbewegung, SozialdemokratiſcHer Partei und
den freien Gewerkſ<aften muß dieſe Ausnahmebeſtimmung
gegen hundertiauſende Jungproletarier zu Tall gebracht
werden. |
Gerade jetzt iſt es Zeit, allen Derantwortlichen die Uotlage
der arbeitenden Iugend in die Ohren zu ſchreien, damit die
in Bearbeitung befindlichen Entwürfe des BerufSnuguSsS-
bildungsgeſeges und des Arbeitsſ<uß-
gejezes Geſeze für die Lehrlinge und für
die jugendlichen Arbeiter werden.
Jungvolk voran am Weltfeiertag.
zs ugend und Ylai -- gibt es überhaupt noh zwei Ele-
|: mente, die ſo zuſammenklingen? Das junge Geſhleht der
ry Arbeiterſchaft hat die meiſten Beziehungen zu dew Forde-
rungen des 1. Ylai. Für Freizeit einzutreten, für den Dölker-
frieden zu demonſtrieren -- wer hätte mehr Urſache dazu als
die Arbeiterjuggend. Und ſo iſt es denn au<h gar nichts beſon-
deros, daß von Jahr zu Iahr die Beteiligung der Iugend an
den Waifeiern nicht nur der Sahl noch, ſondern auch durd)
Ausgeſtaltung der Deranſtaltungen wächſt. Darüber hinaus
hat die Iugend in man<en Orten die Maifeiern benußt zur
Propaganta für beſondere Iugöendangelegenheiten. Die Sozia-
liſtiſjme Arbeiterjugend Mannheim hatte ihre Freunde
und Anhänger am Dorabend des 1. Mai zu einer Jeierſtunde
eingeladen, die ſehr gut beſucht war. Die Jeier brachte in
Muſik, Li<tbild. Einzelſpre&er, Sprech<hor, Bewegungshor -
ein abwechſlungsreices Programm. „Proletarier aller
Cunder vereinigt Euch!“ Dieſe Shlußworte des Kommuniſti-
ſ<en Maniseſtes ſtanden am S<luß des Teiles der Feier, der
Unterdrückung und Befreiungskampf der Arbeiterklaſſe dar-
ſtellte. Die Feſtfreunde der Iugend brachten im zweiten Teil
*) Abgedru>kt im Heft 5 der vom Statiſtiſchen Reichsamt heraus-
gegebenen Zeitſchrift „Wirtſchaft und Statiſtik“,
Dorleſungen, Muſik und Tanz. Ein Jubelhymnus auf den
Mai und unſer Kampflied „Dem Morgenrot entgegen“
IMoſſen den würdigen Auftakt dex Mannheimer ſozialiſtiſchen
Jugend zur MMaifeier.
In Kiel iſt es ſeit zwei Iahren ſchöne Selbſtvorſtändlih-
keit, daß am Dorabend des 1. Ulai die arbeitende Iugend
mit leuc<tenden Fakeln durd die Straßen marſchiert. Die
ganz Iungen, diejenigen, die erſt Oſtern gingereiht wurden
ins Arbeiterheer, waren in größerer Sahl gekommen als in
früheren Jahren. Im Garten des Gewerki<haftshauſes war
der Abſhluß der gewaltig begeiſternden Kundgebung. Iriß
Tarnow, der Dorſißende des deutſ<en Holzarbeiterverbandes,
ermahnte die Iungen, die Forderungen des 1. Mai, die ſeit
vierzig Jahren von Ulillionen Arbeitern in allen Ländern
vortreten werden, immerfort lebendig zu erhalten und zum
Siege zu verhelfen.
In Breslau veranſtalteten die Sozialiſtiſ<Oc Arbeiter-
jugend und das freigewerkſ<aftlic<e Iugendkartell unter dem
Ceitmotiv „Die Jugend marſ<hiert voran!“ am Dorabend des
Weltfeiertages eine eindrucksvolle Rundagebung für Iugend-
ſjHuß und Jugendredt. Muſikſtüke, Lieder, Rezitationen
wechſelten ab. Die „Roten Bluſen“ ſpielten mit bewunders-