Arbeiter-Jugend
Ur. 8
Abrüſtung der Berzen.
6% 0x fünfzehn Iahren begann der Weltkrieg. Die
Y 18 Dölker raſten gegeneinander, Menſ<en töteten Ulen-
*W/ ſchen, verſtümmelten WMenſ<en, zerſtörten Städte und
Dörfer, verwüſteten blühendes, fruc<tbares Land. Und alles
deShalb, weil ein paar Dutzend Militärs Krieg wollten um
jeden Preis, weil unfähige, volksfremde Füriten, Uiniſter
und Diplomaten die Welt regierten, und den meiſten Dölkern
jede Kontrolle über ihre Amtsführung fehlte, vor allem aber,
weil ein Wirtſc<haftsſyſtem in den entſ<eidendſten Staaten
uneingeſ<ränkt herrſ<te, das aus ſeinem Wejen heraus Kon-
flikte und kKriegeriſ<e Derwicklungen entſtehen läßt. Die
beſten Söhne aller Kriegsbeteiligten Länder zogen in einem
bewußt gezüchteten Irrglauben von Derteidigung der natio-
nalen Kultur, von wehrhaftem S<huß des heimiſ<en Herdes
in die Schlachten. Sie verbluteten in hölliſßen Trommel-
feuern, erſtickten in giftigen Gas|<Owaden, verbrannten in don
Feuerzungen der Flammenwerfer. In der Heimat hungerten
Kinder und Greiſe, vergingen Frauen und Ulütter vor Derze-
leid. Vlillionen Tote, Millionen Derſtümmelte Lahme, Blinde,
Siehe, lebenslang belaſtete unterernährte Kinder, ſeeliſch
zerrüttete Frauen brachte der Krieg. Sonſt nur noh Scyulden.
Sqhuldig an dieſem grauſamen UUlaſſenunglück ſind neben
dem kapitaliſtiſ;en Syſtem, neben den Derantwortlichen in
jenen Tagen, neben den ehrgeizigen Fürſten und den ſäbel-
raſſelnden Militärs hüben und drüben, die DoikSerzieher, die
Zeitungen, die Paſtoren. Don RindeSbeinen an wurds den
leichtgläubigen Wienſhen in der Schule, von der Kanzel und
von der bürgerli<h-nationalen Preſſe eingeredet, Kriege ſeien
iationale UÜotwendigkeiten, ſeien GotteSgerichte, ſeien Stahl-
bäder zur Läuterung der Dölker. Unter der ſj<warzweißroten
Kaiſerfahne wurde ebenjol<e Dölkerheße getrieben wie unter
der blauweißroten Trikolore. Die ruſſiſchen DPopen haben ſi
ebenſoſehr um die Kriegsſtimmung bemüht wie der öſter-
reihiſ<-ungariſ; Rlerus. Das revolutionäre Ende des
Weltkrieges brachtg den Sturz der Dohenzollern, der HabS-
burger und der Romanoffs. Die gekrönten Schuldigen des
Weltkrieges verloren ihre angeſtammte HDerrſ<aft von
Gottes Gnaden, die Militärs wurden beſchäftigungslos die
Diplomaten alten Schlages konnten Keine Derwicklungen
mehr provozieren. An ihre Stelle iſt das Dolk getreten.
Geblieben ſind in allen Ländern die Kriegsſ<hürer in den
Shulen, auf den Kanzeln, in den Redaktionsſtuben. Sie
waren eine Zeitlang mäusSd<enſtill. Dann ſtellten ſie ſic auf
den bekannten Boden der Tatſachen und reden, j<reiben und
erziehen heute wieder im alten Sinne, wenn auc<h in
moderneren, neuzeitlicheren und vorſic<tigeren Formen die
Dölker auseinander. Wir ſehen überall organiſierte Be-
mühungen, die Jugend wieder mit Kriegsgeoiſt zu dur<-
fevHen. Stahlhelm, Heimwehr, nationaliſtij<e IJugendver-
bände, Faſ<ismus und Bolſ<ewismus bereiten die Iugend
zum Wäffendienſt, zu neuem Menſ<enmord vor. Dieſe :G2-
fohbren zu ſehen, bedeutet für die ſozialiſtiſche Arbeiterjugend,
ſie mit allen tauglic<en Ulitteln zu bekämpfen.
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Die arbeitende Iugend aller Dölker will den Frieden. Die
ceindrumSpollſts und größte FriedensSkundgebung wurde von
ihr Mitte Iuli veranſtaltet. Fünfzigtauſend junge Arbeitor und
Arbeiterinnen, Lehrlinge und Lehrmädhon waren zum zweiten
internationalen ſozialiſtiſ;cen IJugend-
treffen im roten Wien verſammelt. Jugend
aller europäiſchen Länder, Iugend aus LQmerika und aus
Aſien war zuſammengekommen in einem großen Glauben,
mit einem gemeinſamen Willen. Ihr großer Glaube iſt der
SozialisSmus als der Zuſtand einer fronbeſreiten Krbeit,
einer friedli<hen, ſolidariſ<en Geſellſ<aftsorganiſation. Ihr
gemeinſamer Wille iſt es, dieſen Zuſtand bald herbeizuführen.
Als eines der größten Hinderniſſe in der Erreichung ihrer
Ziele ſicht die arbeitende Iugend den Kriegsgeiſt an. Krieg
wird geboren aus Haß und Uationalismus. Wir jungen So-
zialiſten wollen die Freundſchaft aller Uationen, wir wollen
den Infernationalismus, der uns die höchſte Form menſ<li<en
Zuſammenlebens über den ganzen Erdball hin bedeutet. Der
Wiener Jugendtag wurde aus dieſem Wollen zu einem
flammenden Bekenntnis der Ingend für den Dölkerfrieden.
Die arbeitende Iugend aller Dölker haßt den Krieg und
jeine tehniſ<-politiſmMe Form, den WMilitarismus. Die ge-
ſund empfindende Iugend kommt ohne Krieg und ohne Mili-
tarismus am ſ<nellſten und beſten voran auf ihrem LebenSs-
weg, an deſſen Knfang ſie mit großen Hoffnungen ſteht. Krieg
reißt die Jugend unbarmherzig aus ihrer Arbeits- und Be-
rufswelt, aus ihrer Umgebung, aus ihrem ſo bitter nötigen
IFreundeskreis. Es iſt viel geredet und geſchrieben worden
über die jugendlichen Kriegsteilnehmer, die „vom Krieg zer-
ſtört wurden, au<7 wenn ſie ſeinen Granaten entkamen“.
Unermeßliches Können iſt vernichtet an allen Fronten des
Weltkrieges. Tauſende Talente gingen unter in der Der-
zweiffung über den nie geahnten Wahnſinn des leßten
Dölkermordens. Millionenfaces Leid mußte die Ua<Hkriegs-
jugend erdulden in der bitterſten Rriegsfolge, in der Ar-
beitSloſigkeit. Die Iugend weiß oder ſollte es wiſſen, daß
jeder Krieg Rükſ<lag, zumindeſt aber Stillſtand in der LQuf-
wärtsentwicklung der menſchli<den Rultur bedeutet. Rriege
brachten immer nur Blutopfer und Trümmer. Die Tugend
wird und muß im ureigenſten Intereſſe in der Front der
entſhiedenſten KRriegsgegner ſtehen. Und das ſind die Sozia-
liſten, die die Brutſtätten Kriegeriſ<er Perwiklungen um-
ändern wollen in Horte des Friedens. Das Wiener Zugend-
treffen war desShalb in erſter Linie eing Überaus müctige
Demonſtration der Iugend ſür den internationalen SozialiSmus.
*
Der Kampf für den Frieden gehört zu den wichtigſten Auf-
gaben der ſozialiſtiiMen Bewegung in allen Ländern. Seine
Erfolasmögli<keiten werden entſ<heidend beſtimmt von dem
Geiſt, der die Anhänger der fozialiſtiic<en Bewegung beſeelt.
Das Wiener Jugendtreffen zeigte aller Welt, daß die in der
SozialiſtiſMen Jugend-Internationale zuſammengeſ<loſſenen
jungen Arbeiter von einer prächtigen geiſtigen Haltung ſind.
Fünfzigtauſend aus vierzig Ländern kamen na< Wien. Wo
in aller Welt brächte eine andere Iugendorganiſation gleich
große Iugendſ<aren unter den gleiqen ungünſtigen
materiellen Bedingungen zuſammen? Wo in aller Welt iſt
nod) ſoviel Opfergeiſt und Solidarität zu finden, wie ſie dieſer
Jugendtag offenbarte? Es war ein großes Opfern, dieſes
monatelange Sparen von Pfennigen und Groſc<en zur Wien-
fahrt. Es war ein hohes Lied der Solidarität, dieſe Beihilfen
der erwachſenen Arbeiter, dieſer freudige Empfang auf den
Wiener Bahnhöfen, dieſe herzliche Aufnahme in den Wiener
ASrbeiterfamilien. Wo in aller Welt iſt ſoviel gläubige Be-
geiſterung und Hingabe, wie in der ſozialiſtiſchen Bewegung?
: Dur aus tiefſter Begeiſterung haben unſere Iungen und
MäddHen die Reiſeſtrapazen und die Anſtrengungen der vielen
Ulaſſenaufmärſc<he ertragen. Uur gus oe<hteſter Freuds konnten
die Wiener Arbeiter ſtundenlang der roten Jugend zujubeln.
PolitiſQe und materielle Abrüſtung iſt notwendig. Klle
Aktionen in dieſer Richtung finden unſere Untorſtüßung. Die
wichtigſte Aufgabe für die Friedensſicherung iſt aber die Ab-
rüſtung der Herzen. Das zweite internationale ſözialiſtiſ<e
Jugendtreffen hat hier Großes geleiſiet. Zehntauſende ZuU-
kunftsträger mit hundert Sprac<en waren zuſammengebracht,
lernten ſic verſtehen und ſchußen. Und alle begriffen den
fur<tbaren Unſinn der Kriege, die die Menſ<en zu Bruder-
mördern machen. Wien wird fortleben in der Geſ<i<Hte der
Friedensarbeit und der Arbeiterbewegung als das gewaltigſte
Bekenntnis junger Menſ<Henr zur Freundſ<aft der Dölker,
zum KAufſtieg der Menſd<heit unier den roten
Bannern des internationalen SozialiSsmus. G. 3%.