Full text: Arbeiter-Jugend - 21.1929 (21)

2 Arbetter-Jugend 
gendverbände, und da wird uns bewußt, wie ſtark der ſozia- 
liſtiſche Einfluß unter der arbeitenden Jugend ſeit 1914 ge- 
wachſen iſt. Die Hunderttauſend des Iahres 1914 haben ſi 
auf A<Hthunderttauſend erhöht. = 
Unſer Derband bildet in der Kette der ſozialiſtiſchen 
Jugendverbände eines der wichtigſten Glieder. Wir umfoſſen 
den aktivſten Teil der arbeitenden Jugend, ſind die KRern- 
truppe der ſozialiſtiſ<en Iugendbewegung geworden, die weit 
über ihre zahlenmäßige Stärke Hinaus die jozialiſtijche 
Iugenderziehung entſcheidend beeinflußt. Da, wo vor zwanzig 
Jahren die loſe Derbindung der Abonnenten der „Krbeiter- 
Jugend“ die einzige organiſatoriſche Bindung war, ſteht heute 
cine feſtgefügte Organiſation mit einem gausgebauten Er- 
ziehungswerk, das ſich eine führende Stelle in der gejamten 
Iugendbewegung erobert hat. Dor zwei Iahrzehnien eine ver- 
folgte, ſc<ikanierte und unter Ausnahmere<ht geſtellte Be- 
wegung, heute führend beteiligt in allen öffentlichen und 
freien Körperſ<aften der Iugenderziehung und der JIugend- 
wohlfahrt. Die Erfolge der Arbeiterbewegung ſind auch unſere 
Erfolge geweſen. 
Wir ſind noh nicht am Ziel, und wir haben keinen Grund, 
ein Loblied anzuſtimmen: „Wie herrlich weit haben wär vs 
gebracht!“ aber wir wollen den Fortſc<ritt klar erkennen 
und daraus die Kraft gewinnen für die Arbeit am nächſten 
Erfolg. Es gibt auch in unſeren Reihen Genoſſen, die boi der 
Erinnerung an die Zoit des Kampfes um das Cebensre<ht der 
Bewegung im kaiſerlißen Deutſchland wehmütig klagen: „Das 
war eine ſ<öne Zeit, damals war noh Kampfgeiſt in der 
Bewegung.“ Wir halten von ſol<en ſentimentalen Betrad- 
tungen nichts, denn wir ſind der Meinung, daß die Gegen- 
wart mit wehmütigen Klacen über die gute alte Zeit nicht 
gemeiſtert wird. In dieſer Gegenwart leben wir aber; ſie be- 
anſprucht uns ganz, mit ihr müſſen wir uns auseinander- 
ſezen, ſie wollen wir meiſtern. Und gab es jemals eine 
größere Aufgabe in der Arbeiterbewegung als die, die uns in 
der Gegenwart geſtellt iſt: Uun, nachdem das Bollwerk der 
Monardhie gefallen, die politiſche Demokratie unſer geworden 
iſt, aufzubauen den neuen Staat, die neue Wirtſ<ait, das 
neue ſozialiſtiſche Reih? Begegnet uns nicht no< immer auf 
Shritt und Tritt die ſoziale Uot der Iugend, müſſen wir nicht 
noh immer wie damals um 'das Recht der Arbeiterjugend auf 
ein menſ<enwürdiges Iugendleben kämpfen, ſteht vor uns 
nicht noch immer das leuchtende Ziel einer neuen Geſell- 
ſhaft5ordnung, in der die arbeitenden Denſchen frei und 
froh ſchaffen für die Gemeinſ<aft? Gewiß, die Formen des 
Kampfes ſind geändert, die Aufgaben ſind größer, zumal 
unſere Aufgabe als Erziehungsorganiſation, denn wir wollen 
uns in unſeren Reihen heranbilden und ringen für das große 
Ur. 1 
Werk ves Aufbaus und der Ueugeſtaltung. Unverrückbar 
ſteht vor uns das alte Ziel: die ſozialiſtiſche Geſellſchaft, der 
ſozialiſtiſche Menſch, die ſozialiſtiſce Gemeinſ<aft. 
Diejem Ziel muß au<> die Arbeit im neuen Iahr gelten, 
ihm wollen wir dienen an unſerem Plaßz, d. h. in der Iugend- 
organiſation. Die Stärkung des JTugendverbandes und der 
AuSbau unſerer Arbeit ſind unſere Aufgabe, für die wir der 
Arbeiterbewegung verantwortlich) ſind. Ihr muß unſere ganze 
Kraft gehören, und im Iahre 1929 wollen wir vor allem 
varauf hinarbeiten, daß unſer Einfluß unter der arbeitenden 
Iugend wüchſt, daß die Mitaliederzahl weiter ſteigt. Unſer 
Ehrgeiz muß es ſein, die Kunderttauſend, die 1914 die ge- 
'meinjame Jugendarbeit der Partei und der Gewerkſchaften 
crfaßten, allein in unſerem Derband zu organiſieren. Kgi- 
tation iſt darum die wichtigſte Auſgabe des neuen JIahres. 
QAgitieren, das heißt nicht nur neue Ulitglieder werben, das 
heißt au< Mitglieder halten und die Bewegung ins Licht der 
VGeffentli<hkeit rücken. Ulitglieder halten, bedeutet gute 
Jugendarbeit leiſten bis hinab in die kleinſte OrtSgruppe 
und bis hinab zum leßten Spielabend. Dazu gehört 
Shulungsarbeit an unſeren Funktionären in den Be- 
zirken und im Reih, die im kommenden Jahr mit erhöhtem 
"Uahdruck geleiſtet werden: foll. Und wenw dann die Be- 
wegung öffentlih Zeugnis ablegen muß von ihrer Kraft, 
dann: müſſen, wig in Dortmund die Bataillone junger Arbeiter 
und Arbeiterinnen, unſere Roten Falken aufmarichieren in 
Diſziplin und Geſchloſſenheit. Zwei große Deranſtaltungen 
des Iahres 1929 werden uns dazu die Gelegenheit bieten, der 
Mitteldeutſ<e Iugendtag in Magdeburg am 
9. und 10. März und der Internationale Iugend- 
tag in Wien vom 12. bis 14. Juli. In Magdeburg gilt 
unſer Aufmarſ< der deutſ<en Sozialdemokratie, die nam dort 
ihr Parlament, den Parteitag, einberufen hat. In Wien 
dokumentieren wir unſeren Willen zur Sozialiſtiſchen 
Jugend-Internationale. Dem roten 'Iugendtag auf Deutſch- 
- lands rotor Erde, in Dortmund, folat das Treffen der roten 
Jugend-Internationale im roten Wien, dem internationalen 
Symbol ſozialiſtiſ<er Aufbaupolitik. | 
Ein reiches Iahr ſteht uns bevor, denn es wird ein Jahr 
doer Arbeit und der Mühe ſein, der Arbeit und der Mühe für 
ein aroßes Ziel, für eine aroße Idee, für den SozialiSMUS. 
Das lette Iahr des zweiten Iahrzehnts hat abgeſchloſſen mit 
einem Wiederaufſtieg der Bewegung. Wohlan denn, wir 
wollen au< das neue Jahrzehnt einleiten mit einem friſ<en 
Doranſ<reiten. Am Ende des neuen Iahres ſollen die roten 
Fahnen wehen über Tauſende neuer Mitſtreiter, und bis zum 
lezten Wann ſoll der heilige Wille in uns lebendig jein, das 
gaukze Teben daran zu geben für die Sache des SozialismuSs. 
Max Peters: Dor zwanzig Jahren. 
Die Eingliederung der Ingendorganiſation in die Arbeiterbewegung. 
 
„Fp eoen Ende des Iahres 1908 wurde in KusSführung der 
ſ 3859 Beſchlüſſe des Gewerkſchaftskongreſſes in Hamburg 
W32/ und des Sozialdemokratiſhen Parteitages in Uürnbera 
die Zentralſtelle für die arbeitende Iucend Deutſchlands ge- 
bildet. Damit begann für die proletariſche Iugendbewegung 
eine noug Phaſe ihrer Entwicklung. 
. Bis dahin war die Iugendbowegung, vornehmlich die in 
Lorddeutſ<hland, eine ausgeſprochene Bewegung der Iugend- 
li<en. Entſtanden aus der Empörung der jungen Arbeiter Über 
wirtſchaftliche Ausbeutung und geiſtige Bevormundung dur< 
die ältere Generation, war dieſe Bewegung der Jugend 
abſolut ſelbſtändig; ſie hatte ihre eigene, von den Organi- 
ſationen der Erwachſenen vollkommen unabhängige Organi- 
ſation und faßte vollkommen ſelbſtändig ihre Entſ<lüſſe. Der 
mädctige Aufſ<wung der Iugendbewegung -- bis September 
1908 hatten die norddeutſchen Dereine mehr als 6000 Uit- 
glieder, und der ſüddeutſ<e Derband zählte bei ſeiner Liuf- 
löſung im Mai desſelben Iahres 4500 Mitglieder -- ließ 
 
 
 
 
ihre Gegner auf ein Univerſalmittel zur Dernichtung dieſer 
jungen Bewegung ſinnen. un 
In dem am 8. Spril 1908 vom Deutſchen Reichstag be- 
ſ<loſſenen neuen Reichsvereinsgeſeß glaubte man 
das probate Vlittel gefunden zu haben. Ua dieſem Geſeß 
war Iugendlichen unter 18 Jahren die Teilnahme an politi- 
ſchen Dereinen und Derſammlungen verboten. Zwar beſtand 
dieſer Rechtszuſtand ſ<on vordem für Preußen, Sachſen und 
einige andere Staaten Ulitteldeutſ<lands. Die ſüddeutſ<en 
Staaten hingegen kannten in ihrem DereinSre<ht eine der- 
artige Beſchränkung für Iugendlic<e niQt. Die Derhandlun- 
gen im Reidhstag ließen keinen Zweifel darüber, daß die 
politiſchen Machthaber den feſten Willen hatten, das neu 
geſhaffene Reichsvereinsgeſeß zur Guillotine der Pproletari- 
ſchen Iugendorganiſationen in ganz Deutſ<land zu maden. 
Dazu bedurfte es nur einer entſprec<enden Kuslegung des 
ſ<wammigen Begriffs „politiſch“ dur< die Iuſtiz. . | 
Der Mannheimer Derband Süddeutſchlands beſchloß j<on
	        
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