Full text: Arbeiter-Jugend - 21.1929 (21)

Ur. 12 
Arbeiter-Jugend 
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außerhalb der Arbeiterorganiſationen. Aber niht nur die 
erwachſenen Arbeiter haben die Pflicht, ſic) zu organiſieren. 
Aud) wir Lehrlinge müſſen uns organiſieren. 
3. Lehrling: In welcher Organiſation biſt du denn? Td) 
bin im CDI. (Chriſtlicher Derein junger Männer.) IH 
hielt biSher die <Hrijtliche Cehre für das einzig richtige. Ulir 
ſind natürlich einige Sweifel nach all den Dorfällen ge- 
kommen, denn unſer leiſter iſt au<h ein eifriger Kirdhen- 
gänger. Bei ſeinem heutigen Auftreten hat man allerdings 
niht viel von der <riſtlichen Liebe gemerkt. 
Lehrling (SAI.-Genoſſje): Daran ſiehſt du eben, daß die 
Sache faul iſt. Die Kirche benußt der Unternehmer geſ<i<t, 
um die Arbeiter von jeglicem politiſchen Denken ab3u- 
bringen. Durd;) Dertröſten auf das beſſere Ienſeits verijucht 
man den Arbeiter von ſeiner wahren Beſtimmung abzu- 
bringen. Die wahre Beſtimmung der Arbeiter iſt, für die 
beſſere Geſtaltung der TebensSverhältniſſe im Diesſeits zu 
ſorgen, und das iſt die Dur<führung des SozialisSmus. Du 
fragſt, in welcher Organiſation im ſei. I<h bin erſtmal im 
DMD. In dieſen Derband gehört ein jeder Arbeiter und 
au<h wir Cehrlinge. Zweitens bin ich in der SAT. DaS iſi 
eine Organiſation von jugendlicgen Arbeitern und Lehr- 
lingen, welche ſhon jahrelang für beſſere Derhältniſſe der 
Cehrlinge kämpft. „Für JIugendſ<uß und Tugendrecht“ iſt 
ihre Coſung. Sie erſtrebt die Erziehung ihrer IMitglieder 
zum Sozialismus. Pflicht eines jeden Arbeiterjungen und 
-müdels iſt es, ſi< dieſer Organiſation anzuſ<ließen. I< 
erwarte euch auf einem unſerer nächſten Heimabende. I< 
Ww 
würde mig) freuen, wenn aud) ihr tümtige Kämpfer für den 
SozialiSmus würdet. 
1. Cehrling: Id werde erſ<heinen, denn iQ habe ein- 
geſehen, daß iM meine ITreizeit, die im? biSher in Tanz- 
[ozaten und auf der Straße zubradhte, nußlos vergeudet 
abe. 
3. Cehrling: Aud ih werde beſtimmt erſ<einen, denn die 
heutigen Dorfälle haben gezeigt, wo mein Plaß iſt. I< 
gelobe, daß iM mid für die Sache des SozialisSmus mit allen 
mir zur Derfügung ſtehenden Kräften einjeßen werde. 
2. Cehrling: Es freut midh, das zu hören. Unſer näucſter 
Deimabend iſt heute. Id ſ<lage vor, daß wir uns um 
“A8 Uhr Flora- Ede Nlühlenſtraße treffen. 
1. Cehrling: I<G höre Geräuſch! Id glaube, unſere Ge- 
ſellen kommen wieder. 
(Geſellen erſ<Heinen.) 
Ueuer Geſelle: Uun freut au<h ihr eum Unſere jämt- 
lichen Forderungen ſind bewilligt. Als der Alte merkte, daß 
wir nicht nahgaben, ſay er ſich gezwungen, unſere Forde- 
rungen zu bewilligen. Wir ſehen, was wir dur< Einigkeit 
und Geſhlojienbheit erreichen können. ES iſt dies aber nuür 
ein kleiner Erfolg. Wir dürfen nicht aufhören, für die Dur<)- 
führung des Sozialismus zu kämpfen. In dieſer Stunde er- 
klären wir, die Erwachſenen- und die Iungarbeiterſ<aft 
ſind ein geſ<loſſenes Ganzes. Das Siel beider iſt der 
SozialiSmuS. 
Cied: „Dir ſind die Schmiede.“ 
Kulturarbeit im Sowjetjtaat. 
(S> ie Fommnen von der Zentrale?“ fragte der Arbeiter- 
18 Flub-Borſteher mit Dienſtbefliſſener Geſchaäftigfeit. 
cs „Bitte ſehr, Genoſſe. Cie intereſſieren ſich für unſre 
Kulturarbeit? Höchſt angenehm. Jc< will nicht übertreiben, 
-- aber wirklich, in dieſem Punkte ſteht's bei uns Cins-2l. 
Na, Sie werden's ja ſelber ſehen. Da haben wir 3. B. 
unſern Ochach-Zirfel“ ... 
Der Klubvorſteher ſtieß eine Tür auf und machte eine ver- 
bindlich einladende Handbewegung. TJu einer engen voll- 
gerauchten Gtube ſaßen, tief über ihre Chachbrefter ge- 
beugt, ſchweigſame OGruppen von Gchachſpielern. 
„Was ſagen Sie nun dazu?“ zwinkerte der Borſjtebor 
ſelbſtzufrieden ſeinem Gaſte zu. „Das ijt ſozujagen Gym- 
naſtif des Geiſtes -- entwickelt den Berſtand und lenkt vvn 
der Gauferei ab.“ 
In dieſem Augenblick warf einer der Cpieler triumphierend 
den Kopf zurück und rief in dröhnendem Baß: „INatt! 
Genug davon. Die zweite Zeche mußt du mir ſchmeißen. 
Alſo komm, Wanja, genug, zieh die Angel ein, auf in Die 
Bierkneipe!“ 
„Zeufel no< mal, jo warte doch auf uns!“ ließen ſich 
unzufriedene Ctimnmen vernehmen. „Wir jind mit unjrer 
Partie noch nicht fertig. Wer ſoll uns das Bier berappen?“ 
Der Klubvorſteher zerrke den Gaſt am Nockärmel, ſchob 
ihn in den Flur hinaus und ſtotterte haſtig: 
„Tas ſind alſo unſre Cehachfreunde. Gymnaſtik des 
Geiſtes, ſozuſagen. Aber jeßt zeige ich Jhnen gleich unſre 
Fußballgruppe. Goldige Burſchen, ſag ich Jhnen. Genojſe 
Shabfin, komm doch mal ber!“ 
Hinten aus dem Korridor tauchte eine ſtämmige Geſtalt in 
einer Lederjoppe auf. 
„Der bejte Opieler unjrer Gruppe,“ erklärte der Klub- 
vorſteher ſtrahlend. „Ueberhaupt unſre Fußballer =- alles 
durch die Bank Teufelsferle! Iteulich ſpielten ſie gegen die 
Glagarbeiter = ſie haben die Jungens zu Ccherben ge- 
ſchlagen. Und dann gegen die Holzarbeitfer =- die nahmen 
Reißaus mik zerſplitterken Schädeln.“ 
„Nicht doc<,“ wehrte der junge Fußballer verſchämt ab. 
„Ganz ſv war es nichf. Bei den Holzarbeitern gab's alles 
in allem drei zerſchlagene Schädel, die Glasarbeiter haben 
freilich feſt dcan glauben müſſen, für ſie mußte ein Retkungs- 
wagen geholt werden!“ 
 
„Sreilich, freilich,“ bejtätigte der Abgejandtfe der Jentrale 
leiſe murmelnd und fragte dann etwas verblüfft: „JItun, und 
die Vildungspflege?“ 
„Wie meinen Cie?“ taf der Vorſteher harmlvs verwun- 
dert. „Ach ja! In der Tak, wir hatten hier einen INuſik-, 
einen <heaterzirfel und eine Gruppe für politijche Er- 
ziehung. Oa gab's aber nur die leidigſten Cherereien. Cie 
jehen ja, unſre Räume ſind nicht gerade fürſtlich und die 
Wande ſind dunn. Wenn unſre Nuſifanten probken und 
aus Ceibesfräffen fleißig drauflos blieſen, beflagien jich die 
Theaterliebhbaber nebenan, daß ſie beim Lernen ihrer Tollen 
geſtört würden. Und die politiſche Oruppe beſchwerte ſich 
ſowohl über die Muſik wie über den Theatkerrummel, Da 
meinte der Leiter unſrer Kulturabteilung: „Dieje KRKultkur- 
arbeit bringt nur Konfuſion in die Bude. Spucken wir auf 
dieſe faule Cache! Richten wir lieber Cportzirkel ein!“ Co 
Fam 9. Der Leiter unſrer Kulturabteilung iſt feiber ein be- 
geiſterfer Cportfreund. Weſtern iſt er Chneeſjc<uh gelaufen 
und bat ſich ſogar das Bein gebrochen. un feiert Der 
Aerinſte im Bett.“ | 
Die Worte des Klubvorſtehers wurden plößlich von einem 
obrenbefänbenden Lärm und VGeſchimpfe übertönt. Aus 
einem fernen Winkel des Korridvors brach drohend eine 
Gruppe von Meniſchenwejen hervor, deren Haupker in 
weißes Berbandzeug gehüllt und deren Antlize mit blukt- 
unferlaufenen Kraßwunden und blauen FSlecfen gejychmücdt 
tvaren. 
„Ach Herrje!“ rief der Klubvorſtehex und faßte ſich voll 
Enkſeßen an den Kopf. „Cie ſind ausgebrochen, die Bande, 
will ſagen, unſre Borerabteilung. Wir hatten hier geſtern 
einen Borfampf, unſre Leutchen ſind gar zu hitige Geſellen. 
Nac: Chluß haben wir ſie alleſamt einge) perrt = damit 
ſich ihre Kampfeshiße ein biſſel abkühlt. Tun baben ſie, 
ſcheint's, die Tür eingeſchlagen. Kommen Cie, Genoſſe, 
belfen Sie mir, die Burſchen zurückzuhalten. Conſt ſtürmen 
ſie auf die Ctraße und richten wer weiß was an!“ 
Doch der Bertreter der zentralen Kulturabteilung entk- 
ſchlüpfte flinf und unauffällig in einen Ceitfenforridor und 
umarmte flehentlich den ihm in den Weg laufenden Klub» 
wuchter: 
„Genoſſe! Ochnell, bitte, ſchnell -- Wo iſt hier bei Jhnen 
der hintere Ausgang?“ 
(Nus dem ſntiriſchen Mosfarer Wigblatt „Krokodil“.)
	        
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