ARBEITER-JUGEND NR. 12 KENNEN
in ihrer Bildungsarbeit vor allem den Stoff des Sozia“
liStiSchen Wissens zu vermitteln hat, die nötigen elemen“
taren und formalen KenntnisSe aneignen werden. Aber
wie Soll das mit der Sprache gehalten werden“? Die vor“
handenen Lehrbücher, „die Grammatiken , Sind fast durch»
weg So Schulmeisterlich und ledern abgefaßt, daß man es un»
Seren Jungen und Mädchen nicht übel nehmen kann, wenn
Sie Sich mit Schaudern von ihnen abwenden. Da kann uns
das oben verzeichnete Buch eine wirkliche Hilfe in dieSer
verzwickten Situation Sein. Wir Sind überzeugt, wer ein“
mal die ersten Seiten angeblättert hat, wird es nicht eher
aus der Hand legen, bis er bei der letzten Seite angelangt
iSt. Es ist ja auch eigentlich kein „Buch“. In einer hübschen
KasSette Sind 10 Heftchen zusammengetaßt, die, mit dem
Allereinfachsten beginnend, uns mühelos in das Wesen un+
Serer Sprache einführen. Es Sind also nicht „1090 Worte“
die uns eingetrichtert werden Sollen, Sondern aus den
Worten baut Sich vor uns das ganze Gefüge unserer
Sprache auf, das, was man mit dem uns in der. Schule ver“
ekelten Begriff Grammatik bezeichnet. Wir lernen richtig
Sprechen und Schreiben und werden belehrt, warum etwas
richig oder falsch ist. Und das geschieht alles auf
eine So unterhaltende, Ja lustige Weisg, mit vielen drastischen
Beispielen, ergötzlichen Geschichtchen und Versen, So daß
wir geradezu Spielend die So Sehr wichtige Aufgabe be
wältigen. Sogar ulkige Bilder Sind in den äußerst anregen“
den, Sich „wie ein Roman“ leSenden Text eingestreut. Die
Schrift verlangt auch kein privates „Studium“, Sie for
dert geradezu heraus, in Gemeinschaft gelesen zu werden,
SO daß Sie eine ebenso amüsgante wie wertvolle Bereiche
rung des Programms unserer Heimabende bilden würde.
Also, macht mal den Versuch, Schafft euch gruppenweise
die KasSette an, ihr werdet es gewiß nicht berguen.
Abessinien. Land ochne Hunger, Land ohne Zeit. Von
Ernst Heinrich Schrenzel. 272 Seiten mit zahl«
reichen Photos. Verlag Büchergilde Gutenberg, Berlin.
Schon in der Erdkunde “des klasSiSchen Altertums war
Aethiopien, das heutige Abessinien, eins der geheimnis“
vollsten . Länder. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der
Schleier mehr und mehr gelüftet, aber eigenartigerweise
gehört das Gebiet dieses merkwürdigen „christlichen Volkes
IMImer noch zu den KurioSitätenkammern des Erdbails, trotz
aller Erschließung der- Hilfsquellen des Landes durch die
abendländische Industrie und den Handel. Das moderne
Abessginien ist nach wie vor Mittelalter, mehr Mittelalter als
das Innere Chinas, oder genauer: noch früheres Mittelalter --
Feudalzeit vor Erwachen des Städtischen Bürgertums.
Schrenzel, der jahrelang unter den Eingeborenen lebte und
das Land nicht nur vom Sattel des Expeditionsleiters aus
Sah, Sondern im Stets wiederholten Alltag erlebte, gibt uns
'ein ausgezeichnetes Bild der Landschaft wie des Lebens und
der Seele der Menschen in diesem Reich, in dem das Dasein
Sogar der Arbeitssklaven noch etwas von paradiesSischer
Geruhgamkeit an Sich hat. Es wird kaum mehr lange dauern,
in den Einflußbereich europäisch»
bis Abessinien ganz
aämerikanischer Produktionshast einbezogen ist, und dann ist
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alles nicht mehr wahr, was Jahrhunderte lang Geltung hatte.
Zahlreiche kennzeichnende Abbildungen vertieien den Ein»
druck der Einmaligkeit, den das neue wie das alte Aethiopien
auf den Betrachter ausübt. n
Ein Dorf im Djungel. Von L. S. Woolt. Verlag „Der
Bücherkreis“, “Berlin 1930. 248 S. Preis im Buchhandel
4,80 Mk., für Mitglieder 3 Mk. .
In die exotische Welt des Dijungels, des indischen Ur-
walds, vergetzt uns dieser Roman des englischen Dichters
L. S. Woolf. Wir blicken in ein armseliges Dort, bestehend
aus zehn verstreut liegenden Hütten, die der eisernen Um
klammerung des Djungels preisgegeben Sind. Das ist das
eine Grundmotiv des Buches: Der Djungel, d. h. die Natur.
iSt Stärker als der in ihr lebende Mensch, der Sich über
das Naturhafte nicht erhebt. Diese primitiven MenSschen,
deren gesellschaftliches Sein natürlich auch um die beiden
Pole: Hunger“ und Liebe Kreist, führen einen ver
'zweiſelten Kampf gegen den. Djungel und um die Erhaltung
der nackten Existenz,. einen Kampf, dem Sie aus doppelter
-Ursache nicht gewachsen: Sind. Sie können mit der Sie be»
herrschenden Umwelt nicht zu Rande kommen, weil der
Soziale Tiefstand, in dem Sie Sich befinden, Geist. und
Ütopolis. Roman von Werner Illing.
Willen in Fesseln Schlägt. Kein Wunder, daß Sie eine Beute
jener echt asiatischen, lebensverneinenden Religionsideen
werden, jenes typiSchen Mystizismus, der keine Aktivität
in unsgerem Sinne aufkommen läßt. Und die andere Ur-
Sache, daß Sie diesen weltabgelegenen Schauplatz als Be-
Siegte verlassen, ist ihre Wehrlosigkeit gegen die an-
rückende Zivilisation, d. h. die Ausbeutungsmethoden des
anglo-indischen Kapitalismus, der Selbst So ein elendes Dori
im Djungel ökonomisch und moralisch nach und nach zer“
Setzt. An dem individuellen Schicksal einer untergehenden
Familie wird das Soziale SchickSsal von Millionen mit grau-
Samer Deutlichkeit illustriert. Der Widerstand eines Ein-
zelnen, der Sich gegen Seine Peiniger wie ein gereiztes
Tier im Urwald zur Wehr Setzt, bleibt natürlich wirkungs-
los. So muß die Tragödie Sich vollenden. Das Dorf Stirbt,
vom Dijungel verschlungen.
Mit einer vollendeten Erzäöählerkunst werden die einzelnen
Bilder zu einer packenden, in Sich geschlosSenen Handlung
vereinigt. Rund um Sie herum aber breitet Sich die Majestät
des Djungels aus, in dem „vor allem anderen die Angst
herrscht.“ Ganz herrlich, wie -hier die beinahe organisSche
Verbundenheit von Mensch und Natur künstlerisch be-
wältigt wird! Dieses neue „Bücherkreis “Buch ist eine Kost-
barkeit, die über den Tag hinaus ihren Wert behalten wird.
Verlag „Der
Bücherkreis . .
Zwei Freunde, Karl und Hein, werden als Schiffbrüchige
un eine ierne Insel im Ozean verschlagen. Die nächste
MenschensSiedlung, die Sie erreichen, iSt eine Stadt von be-
trächtlicher Größe. Sie Staunen über die herrlich angelegten
Straßen mit den palastartigen Häusern, nirgends Sind die
Ihnen von früher wohlbekannten Mietkasernen zu erblicken,
nirgends aber auch Läden und Verkaufsstellen irgendwelcher
Art. Auch .die Menschen, denen Sie begegnen, benehmen
Sich ganz anders als die Kapitalisten und Proletarier der
alten Welt. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit -- einst und
anderwärts leere Worte -- haben hier lebendigen Inhalt. In
aiesem Lande außerhalb aller bisherigen Wirklichkeit Sind
näch Siegreicher proletarischer Revolution alle KlasSenunter-
Schiede besgeitigt. Hier herrsScht eine freie GemeinSchaft, die
Dicht für den Profit einzelner Privateigentümer arbeitet. In
ÜUtopolis ist die Vergesellschaitung der Produktionsmittei
durchgeführt. Das System der Bedarfswirtschaft Sichert
einen Ständigen Ueberluß an materiellen und geistigen
Gütern jeder Art. So entstand eine ans Wunderbare gren-
zende Technik, die der Mensch im Gegensatz zur kapitalisti-
Schen Vergangenheit Sich Selbst und Seinen gesellschaftlichen
Zwecken unterworfen hat. Nur auf Solchem Boden konnte
eine wahre Menschheitskultur emporblühen. Der alte Wider-
Snruch zwiSchen dem, was ist, und dem, was Sein Soll, ist
endlich gelöst. Eine in geistiger und moralischer Hingicht
reine Atmosphäre ist das notwendige ResSultat. Aber .ein
Schatten trübt das Bild allseitiger Harmonie. In allzu großer
Menschenfreundlichkeit und im Glauben an die Macht der
demokratischen Idee haben die Bewohner von Utopien den
f: üheren KkapitalistiScchen BeherrSchern des Landes ein be-
Stimmtes Gebiet eingeräumt, wo Sie auf ihre Weise Selig
werden können. Dort in „U.-Privat“ ist also die alte Herr-
Schaftsform erhalten geblieben und dort treibt auch die bür-
gerliche "ZiviliSation ihre Blüten wie ehedem. Zum Schein
haben Sich die „Privaten“ mit der Neuordnung der Dinge
abgefunden, aber insgeheim Suchen Sie die Gemeinschatfts-
idee zu untergraben, Hirne ünd Herzen der Utopier Kapita-
liSetiSch zu vergiften. Es entbrennt ein Kampf auf Leben und
Tod, der viele Tausende von Opfern Kkostet, bis Schließlich
'der Sozialismus den endgültigen Sieg erringt.
Das ist in knappen Zügen die Grundidee des Romans. Dem
-Verfaszer Kommt es also im wegentlichen darauf an, dem
proletariSchen Leser den -Gegensatz zwiSchen Schlimmer
kapitalistiScher Gegenwart und einer möglichen besSseren und
Schöneren Zukunft zum BewußtSein zu bringen. Und wir
entnehmen dem Buch von Werner Illing die Nutzanwendung:
'Das Zukunftsbild, däs uns der Dichter entwirft, braucht keine
Utopie zu Sein. Freilich müssen wir um den Sozialismus
kämpfen. Das wird in packenden Szenen Klar: gemacht.
'Mehr als ein Gegenwartsproblem wird beleuchtet; das Wesern
'der Demokratie Scharf unter die Lupe genommen, Die
SozialistiSche Arbeiterjugend wird einer Solchen Lektüre
Sicherlich größtes InteresSse entgegenbringen. A. G.