Full text: Arbeiter-Jugend - 22.1930 (22)

 
ARBEITER-JUGEND NR. 12 KENNEN 
in ihrer Bildungsarbeit vor allem den Stoff des Sozia“ 
liStiSchen Wissens zu vermitteln hat, die nötigen elemen“ 
taren und formalen KenntnisSe aneignen werden. Aber 
wie Soll das mit der Sprache gehalten werden“? Die vor“ 
handenen Lehrbücher, „die Grammatiken , Sind fast durch» 
weg So Schulmeisterlich und ledern abgefaßt, daß man es un» 
Seren Jungen und Mädchen nicht übel nehmen kann, wenn 
Sie Sich mit Schaudern von ihnen abwenden. Da kann uns 
das oben verzeichnete Buch eine wirkliche Hilfe in dieSer 
verzwickten Situation Sein. Wir Sind überzeugt, wer ein“ 
mal die ersten Seiten angeblättert hat, wird es nicht eher 
aus der Hand legen, bis er bei der letzten Seite angelangt 
iSt. Es ist ja auch eigentlich kein „Buch“. In einer hübschen 
KasSette Sind 10 Heftchen zusammengetaßt, die, mit dem 
Allereinfachsten beginnend, uns mühelos in das Wesen un+ 
Serer Sprache einführen. Es Sind also nicht „1090 Worte“ 
die uns eingetrichtert werden Sollen, Sondern aus den 
Worten baut Sich vor uns das ganze Gefüge unserer 
Sprache auf, das, was man mit dem uns in der. Schule ver“ 
ekelten Begriff Grammatik bezeichnet. Wir lernen richtig 
Sprechen und Schreiben und werden belehrt, warum etwas 
richig oder falsch ist. Und das geschieht alles auf 
eine So unterhaltende, Ja lustige Weisg, mit vielen drastischen 
Beispielen, ergötzlichen Geschichtchen und Versen, So daß 
wir geradezu Spielend die So Sehr wichtige Aufgabe be 
wältigen. Sogar ulkige Bilder Sind in den äußerst anregen“ 
den, Sich „wie ein Roman“ leSenden Text eingestreut. Die 
Schrift verlangt auch kein privates „Studium“, Sie for 
dert geradezu heraus, in Gemeinschaft gelesen zu werden, 
SO daß Sie eine ebenso amüsgante wie wertvolle Bereiche 
rung des Programms unserer Heimabende bilden würde. 
Also, macht mal den Versuch, Schafft euch gruppenweise 
die KasSette an, ihr werdet es gewiß nicht berguen. 
Abessinien. Land ochne Hunger, Land ohne Zeit. Von 
Ernst Heinrich Schrenzel. 272 Seiten mit zahl« 
reichen Photos. Verlag Büchergilde Gutenberg, Berlin. 
Schon in der Erdkunde “des klasSiSchen Altertums war 
Aethiopien, das heutige Abessinien, eins der geheimnis“ 
vollsten . Länder. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der 
Schleier mehr und mehr gelüftet, aber eigenartigerweise 
gehört das Gebiet dieses merkwürdigen „christlichen Volkes 
IMImer noch zu den KurioSitätenkammern des Erdbails, trotz 
aller Erschließung der- Hilfsquellen des Landes durch die 
abendländische Industrie und den Handel. Das moderne 
Abessginien ist nach wie vor Mittelalter, mehr Mittelalter als 
das Innere Chinas, oder genauer: noch früheres Mittelalter -- 
Feudalzeit vor Erwachen des Städtischen Bürgertums. 
Schrenzel, der jahrelang unter den Eingeborenen lebte und 
das Land nicht nur vom Sattel des Expeditionsleiters aus 
Sah, Sondern im Stets wiederholten Alltag erlebte, gibt uns 
'ein ausgezeichnetes Bild der Landschaft wie des Lebens und 
der Seele der Menschen in diesem Reich, in dem das Dasein 
Sogar der Arbeitssklaven noch etwas von paradiesSischer 
Geruhgamkeit an Sich hat. Es wird kaum mehr lange dauern, 
in den Einflußbereich europäisch» 
bis Abessinien ganz 
aämerikanischer Produktionshast einbezogen ist, und dann ist 
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alles nicht mehr wahr, was Jahrhunderte lang Geltung hatte. 
Zahlreiche kennzeichnende Abbildungen vertieien den Ein» 
druck der Einmaligkeit, den das neue wie das alte Aethiopien 
auf den Betrachter ausübt. n 
Ein Dorf im Djungel. Von L. S. Woolt. Verlag „Der 
Bücherkreis“, “Berlin 1930. 248 S. Preis im Buchhandel 
4,80 Mk., für Mitglieder 3 Mk. . 
In die exotische Welt des Dijungels, des indischen Ur- 
walds, vergetzt uns dieser Roman des englischen Dichters 
L. S. Woolf. Wir blicken in ein armseliges Dort, bestehend 
aus zehn verstreut liegenden Hütten, die der eisernen Um 
klammerung des Djungels preisgegeben Sind. Das ist das 
eine Grundmotiv des Buches: Der Djungel, d. h. die Natur. 
iSt Stärker als der in ihr lebende Mensch, der Sich über 
das Naturhafte nicht erhebt. Diese primitiven MenSschen, 
deren gesellschaftliches Sein natürlich auch um die beiden 
Pole: Hunger“ und Liebe Kreist, führen einen ver 
'zweiſelten Kampf gegen den. Djungel und um die Erhaltung 
der nackten Existenz,. einen Kampf, dem Sie aus doppelter 
-Ursache nicht gewachsen: Sind. Sie können mit der Sie be» 
herrschenden Umwelt nicht zu Rande kommen, weil der 
Soziale Tiefstand, in dem Sie Sich befinden, Geist. und 
Ütopolis. Roman von Werner Illing. 
Willen in Fesseln Schlägt. Kein Wunder, daß Sie eine Beute 
jener echt asiatischen, lebensverneinenden Religionsideen 
werden, jenes typiSchen Mystizismus, der keine Aktivität 
in unsgerem Sinne aufkommen läßt. Und die andere Ur- 
Sache, daß Sie diesen weltabgelegenen Schauplatz als Be- 
Siegte verlassen, ist ihre Wehrlosigkeit gegen die an- 
rückende Zivilisation, d. h. die Ausbeutungsmethoden des 
anglo-indischen Kapitalismus, der Selbst So ein elendes Dori 
im Djungel ökonomisch und moralisch nach und nach zer“ 
Setzt. An dem individuellen Schicksal einer untergehenden 
Familie wird das Soziale SchickSsal von Millionen mit grau- 
Samer Deutlichkeit illustriert. Der Widerstand eines Ein- 
zelnen, der Sich gegen Seine Peiniger wie ein gereiztes 
Tier im Urwald zur Wehr Setzt, bleibt natürlich wirkungs- 
los. So muß die Tragödie Sich vollenden. Das Dorf Stirbt, 
vom Dijungel verschlungen. 
Mit einer vollendeten Erzäöählerkunst werden die einzelnen 
Bilder zu einer packenden, in Sich geschlosSenen Handlung 
vereinigt. Rund um Sie herum aber breitet Sich die Majestät 
des Djungels aus, in dem „vor allem anderen die Angst 
herrscht.“ Ganz herrlich, wie -hier die beinahe organisSche 
Verbundenheit von Mensch und Natur künstlerisch be- 
wältigt wird! Dieses neue „Bücherkreis “Buch ist eine Kost- 
barkeit, die über den Tag hinaus ihren Wert behalten wird. 
Verlag „Der 
Bücherkreis . . 
Zwei Freunde, Karl und Hein, werden als Schiffbrüchige 
un eine ierne Insel im Ozean verschlagen. Die nächste 
MenschensSiedlung, die Sie erreichen, iSt eine Stadt von be- 
trächtlicher Größe. Sie Staunen über die herrlich angelegten 
Straßen mit den palastartigen Häusern, nirgends Sind die 
Ihnen von früher wohlbekannten Mietkasernen zu erblicken, 
nirgends aber auch Läden und Verkaufsstellen irgendwelcher 
Art. Auch .die Menschen, denen Sie begegnen, benehmen 
Sich ganz anders als die Kapitalisten und Proletarier der 
alten Welt. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit -- einst und 
anderwärts leere Worte -- haben hier lebendigen Inhalt. In 
aiesem Lande außerhalb aller bisherigen Wirklichkeit Sind 
näch Siegreicher proletarischer Revolution alle KlasSenunter- 
Schiede besgeitigt. Hier herrsScht eine freie GemeinSchaft, die 
Dicht für den Profit einzelner Privateigentümer arbeitet. In 
ÜUtopolis ist die Vergesellschaitung der Produktionsmittei 
durchgeführt. Das System der Bedarfswirtschaft Sichert 
einen Ständigen Ueberluß an materiellen und geistigen 
Gütern jeder Art. So entstand eine ans Wunderbare gren- 
zende Technik, die der Mensch im Gegensatz zur kapitalisti- 
Schen Vergangenheit Sich Selbst und Seinen gesellschaftlichen 
Zwecken unterworfen hat. Nur auf Solchem Boden konnte 
eine wahre Menschheitskultur emporblühen. Der alte Wider- 
Snruch zwiSchen dem, was ist, und dem, was Sein Soll, ist 
endlich gelöst. Eine in geistiger und moralischer Hingicht 
reine Atmosphäre ist das notwendige ResSultat. Aber .ein 
Schatten trübt das Bild allseitiger Harmonie. In allzu großer 
Menschenfreundlichkeit und im Glauben an die Macht der 
demokratischen Idee haben die Bewohner von Utopien den 
f: üheren KkapitalistiScchen BeherrSchern des Landes ein be- 
Stimmtes Gebiet eingeräumt, wo Sie auf ihre Weise Selig 
werden können. Dort in „U.-Privat“ ist also die alte Herr- 
Schaftsform erhalten geblieben und dort treibt auch die bür- 
gerliche "ZiviliSation ihre Blüten wie ehedem. Zum Schein 
haben Sich die „Privaten“ mit der Neuordnung der Dinge 
abgefunden, aber insgeheim Suchen Sie die Gemeinschatfts- 
idee zu untergraben, Hirne ünd Herzen der Utopier Kapita- 
liSetiSch zu vergiften. Es entbrennt ein Kampf auf Leben und 
Tod, der viele Tausende von Opfern Kkostet, bis Schließlich 
'der Sozialismus den endgültigen Sieg erringt. 
Das ist in knappen Zügen die Grundidee des Romans. Dem 
-Verfaszer Kommt es also im wegentlichen darauf an, dem 
proletariSchen Leser den -Gegensatz zwiSchen Schlimmer 
kapitalistiScher Gegenwart und einer möglichen besSseren und 
Schöneren Zukunft zum BewußtSein zu bringen. Und wir 
entnehmen dem Buch von Werner Illing die Nutzanwendung: 
'Das Zukunftsbild, däs uns der Dichter entwirft, braucht keine 
Utopie zu Sein. Freilich müssen wir um den Sozialismus 
kämpfen. Das wird in packenden Szenen Klar: gemacht. 
'Mehr als ein Gegenwartsproblem wird beleuchtet; das Wesern 
'der Demokratie Scharf unter die Lupe genommen, Die 
SozialistiSche Arbeiterjugend wird einer Solchen Lektüre 
Sicherlich größtes InteresSse entgegenbringen. A. G.
	        
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