Full text: Arbeiter-Jugend - 24.1932 (24)

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Sozialigsmus und IndividualiSsmus 
Der Kampf des Proletariats um Seine 
Beſreiung bedingt eine klare und unzwei- 
deutige Stellungnahme gegenüber dem 
Gegner und Seinen Zielen. im Mittel- 
punkt der weltanschaulichen Auseginan- 
dersetzung mit unseren Gegnern Stehen 
die vielumstrittenen Begriffe Sozialismus 
und Individualismus. Dem auf die Spitze 
getriebenen, ja übertriebenen Indivi» 
dualismus der herrschenden Wirtschafts- 
weise Steht der Sozialismus, das Ziel des 
proletariSchen Strebens, entgegen. ESs 
wundert uns nicht, wenn man heute diese 
beiden Begriffe in der Regel als einander 
zuwiderlaufend ansieht, zumal da Sie ja 
durch die Schärfe des Kampfes zu Schlag- 
wörtern geworden Sind. Bemühen wir 
uns aber, den Begriff Individualismus zu 
klären, SO werden wir Sehr bald finden, 
daß ein So grasser Gegensatz gar nicht 
vorhanden ist. | 
Der IndividualisSmus geht aus vom ein- 
zelnen Menschen. Das Bestreben jedes 
einzeinen Iist es, alle in ihm ruhenden 
Fähigkeiten und Veranlagungen zu 
wecken und weiter zu entwickeln zum 
Zwecke des persSönlichen Wohlergehens. 
. Kurz, das perSönliche Wohlergehen ist 
das Prinzip und das Ziel all Seiner Hand- - 
lungen. | 
: Wie Sieht es nun mit dem Individua- 
jiSmus in unserer Zeit aus? Können wir 
heute überhaupt von einem Individualis» 
mus Sprechen? Ich möchte diese Frage 
entschieden verneinen. Wir müssen wohl 
feststellen, daß die Menschen auch heute 
ihr persönliches Wohlergehen im Auge 
haben und bestrebt Sind, ihr Handeln an 
diesem Ziele zu orientieren. Wenn ich 
trotzdem dieses Streben nicht Individua- 
lismus nennen kann, So ist hier entschei- 
dend der Umstand, daß die Menschen 
heute mit größter Rücksichtslosigkeit 
über ihre Mitmenschen hinweg zu ihrem 
Ziele hinstreben. Während in ihrer Um- 
gebung Not und Elend in großem Maße 
zu finden Sind, jagen Sie ohne Mitlz2id, 
und ohne auch nur einmal heifend ein“ 
zugreifen, ihren perSönlichen Zwecken 
nach. Die Menschen der- heutigen 
Zeit Sind keine Individvualisten, Sondern 
Egoisten. “ 
gewirtschaftet 
Die Möglichkeit individueller Enttal- 
tung ist. heute abhängig von den wirt- 
SChaftlichen oder besser: den materiellen 
VerhältnisSen des einzelnen oder Seiner 
Eltern. Daß diese Möglichkeit bei der 
Masse des Volkes, den Werktätigen, 
Sehr gering ist, versteht Sich daher von 
Selbst. Wo Sollten auch Proletarier 
jungen und -mädchen, die von früh auf 
dazu beitragen müssen, das tägliche Brot 
zu verdienen, die Zeit, die Mittel und 
Möglichkeiten hernehmen, das zu ent- 
falten, was in ihnen ruht? Der Kampf 
um das nackte Leben läßt hier alle indi- 
viduellen Veranlagungen unerweckt, ja 
unterdrückt Sie zum Teil und macht die 
Menschen zu Stumpfsinnigen, gleichgül- 
tigen Wesen. 
Betrachten wir nun die Sprößlinge 
derer, die die Mittel haben, ihre Kinder 
auf höhere Schulen zu Schicken, und die 
verschont Sind von den Sorgen um das 
tägliche Brot, s9 finden wir. daß hier die 
Möglichkeit individueller Entfaltung viel 
eher gegeben ist; aber diesen Menschen 
kommt es in der Regel nur darauf an, 
eine ihrem Stande „angemessene Art 
des Broterwerbs zu finden. Haben Sie 
die Fähigkeiten erworben, auf irgend- 
einem Gebiet Großes zu Schaffen, 50" 
hätten Sie im Sinne des Individualismus 
ihr Ziel erreicht. Hierbei bleibt es aber 
nicht. Jetzt beginnt für sie eine Zeit des 
Ansammelns von Reichtümern, die dazu 
dienen Sollen, die Kinder Schneller das 
Ziel erreichen zu lasSsen. Dieser Egois- 
mus, das Prinzip „nur ich und meine 
Familie, wird, Solange die kapitalistische 
Produktionsweise besteht, für Sie der 
Ansporn zum Schaffen Sein. Es wird 
aufhören, wenn- dieses Wirtschaftssystem 
ersetzt worden iSt durch eine Sozialistische 
Bedarfswirtschatft. . 
Als Sozialisten wissen wir, ohne uns 
auf eine Ausmalung unsSeres zukünftigen 
GemeinweSsens festzulegen, daß, wenn 
wird um des Bedaris 
willen, auch die Entfaltungsmöglichkeiten 
für den einzelnen Menschen andere wer- 
den. Die Menschen, der Sorgen um das 
tägliche Brot enthoben, haben jetzt die 
Mittel und Wege, die in innen ruhenden
	        
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