Veranlagungen zur vollsten Blüte zu
bringen. Die Folge davon wird Sein ein
unermüdliches Ringen der Geister auf
allen Gebieten des gesellschattlichen Le-
bens und die Gewähr dafür, daß die
wahrhaft Großen Träger einer freien
Kultur werden. Die Aufgaben der Sozia-
lieSten, die Aufgabe der Gemeinschaft
muß es Sein, alle Wege zu ebnen, damit
es ein leichtes ist, die Gesamtheit für
dieses Ringen zu interessSieren; denn das
Niveau eines Volkes ist bedingt durch
den Grad, in welchem die Gesamtheit
Träger der Kultur ist.
So Sehen wir, daß der Sozialismus mit
dem Individvalisesmus in diesem Sinne
nicht im Widerspruch steht. Ja, der In-
dividualismus, jene Möglichkeit einer von
allen wirtschaftlichen Schranken befrei-
ten Entfaltung des einzelnen, ist gar.
nicht denkbar ohne den Sozialismus.
Aus dieser Erkenntnis heraus erwächst
der proletarisSchen Jugendbewegung eine
doppelseitige Frziehungsaufgabe. Ge-
tragen von dem Gedanken, daß aus ihren
Reihen die Kräfte hervorgehen müssen,
die dereinst in der großen Arbeiterbewe-
gung den Kampi weiterführen Sollen,
muß Sie den jungen Menschen Ansporn
Sein, ihre Fähigkeiten für diesen Kampi
nach jeder denkbaren Richtung zu ent»
wickein. Auf der anderen Seite aber muß
Sie innen Sagen, daß der in den Reihen
der SozialistisSchen
Platz hat, der Sein perSönliches Interesse
über das Allgemeininteresse stellt. Denn
nur dann iStdas individua-
lisStisSche Streben wiederum
echt SozialiStiSch, wenn der
GeSamtheit die Früchte die-
Ses Strebens zugute kommen.
Hermann Brannsdorf.
Was heißt Sozialismus?
Dieses Wort Stammt aus dem Lateini-
Schen, der Römersprache. „Socius“ hieß
im Lateinischen: der Genosse, der Ge-
ſfährte. Davon abgeleitet ist das Eigen“
Schaftswort „Socialis = gesellschaftlich.
Avs diesem wurden dann die Worte
„Sozialist“ und „Sozialismus“ gebildet.
Diese Wörter gab es aber zur Zeit der
alten Römer noch nicht, und wir dürfen
aus diesen Wörtern nicht etwa den
Schluß ziehen, daß wir die Ideen des
Bewegung keinen.
Sozialismus von den alten Römern über
nommen haben, ähnlich, wie wir vieles
aus dem gewerkschatltlichen Kampf von
den Engländern gelernt habe.
Wohl tauchie auch Schon unter den
Griechen und Römern die Idee auf, daß
das Privateigentum Schädlich Sei und
besSeitigt werden müsse. Aber die Män
ner, die diese Ansichi vertraten, nann
ten SICh nicht SozialisSten, und ihre An-
Schauungen unterschieden Sich Sehr
wesentlich von den unseren, wie wir aus -
den „Vorläufern des Sozialismus“ von
Karl Kautsky lernen können. Der mo
derne Sozialismus, der das Privateigen-
tum an den Arbeitsmitieln abschaffen
will, iet So alt wie der Kapitalismus.
Darum wurde das Wort „Sozialist auch
zuerst in dem Geburtsland des Kapita-
lismus, in England, gebraucht. Es tauchte
zum ersten Male im November 1827 in
einem englischen Blatt auf. Das Wort
„Sozialismus“ kam in Frankreich auf,
wo der Kapitalismus Sich auch früher
als in Deutschland und Oegterreich ent-
wickelte.
Das Wörtchen „Sozial“ finden wir auch
in dem Wort. Sozialdemokratie wieder.
Demokratie Kommt aus dem Griechischen
und heißt Volksherrschaft. Im alten
Griechenland, in Athen, finden wir die
erste demokratische Verfassung.
So wirkt die Krise
Das Institut für Konjunkturforschung
Schätzt den Rückgang des nationalen
Einkommens von 76 Millionen Reichs-
mark im Jahre 1929 auf 50 bis 60 Mil-
lionen im Jahre 1931 und prophezeit für
1932 noch einen weiteren Sicheren Ab-
Sturz. |
Es genügt nicht, daß der Staat jedem
Staatsbürger die Mittel zur Existenz
überhaupt gewährt, daß er daher jedem,
dessen Arbeitskraft nicht ausreicht, bei-
Sieht, Sich diese Mittel zu erwerben: Der
Staal muß mehr tun: er muß jedem bei-
Stehen, daß er eine gesundheitsmäßige
Existenz hat. Rudolf Virchow (1821-1902).
Die bürgerlicwve Gesellshaft besteht
aus zwei Klassen; die einen haben mehr
Essen als Appetit, die anderen mehr
Appetit als Essen. Nic. Charmfot (1740-1794.
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