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Seine Behauptungen restlos widerlegt.
Dabei weiß die erdrückende Mehrzahl der
Anwesenden, Selbst Seine Anhänger
wiSSen es, daß er lügt. Ein Gefühl des
Ekels und der Traurigkeit ergreift mich.
Dann beginnt die Kabarettstunde. Zwei
Kandidaten erschienen auf dem Podium.
Zu den Spezialitäten des französSiSschen
Wahlkampfes gehören auch diese Kan-
didaten ohne Wähler. Sie Sind entweder
Querulanten, Leute mit fixen Ideen,
Projektemacher und waschechte Geistes-
kranke, oder Spaßmacher und Komödi-
anten, die diese drei Wochen benützen
wollen, um die Aufmerksamkeit auf Sich
zu lenken. Das Publikum erholt Sich von
den früheren Szenen und macht lustige
ZwiSchenrufe. Der erste Redner ist ein
Weltbeglücker, der einen untrüglichen Sa“
nierungsplan gefunden hat. Er ist ob der
ZwiSchenrufe Sehr empört. Dem. nächsten
aber Scheint die Hetze Spaß zu machen.
„Viein Alter“, Sagt ihm der Vorsitzende,
„das ist hier Kein Kasperltheater; ver“
dufte Schnell.“
Bald darauf ist die Versammlung aus.
Unser Kandidat verläßt, auf den Schul-
' tern einiger handfester GenosSen reitend,
den Saal. Er Sitzt dort Sehr unbequem,
aber er muß durch die Reihen der Kom
munisten getragen werden. Das gehört
zum guten Ton.
Wir gehen in ein Gasthaus, das das
Stabsquartier des Unterbezirkes ist. Die-
Genossen begrüßen mich.
„Ah, du kommst wieder aus
Wien? Nicht wahr, wir haben
dort wieder gewonnen? Ers
zähl“ uns!“ S5]
Und im Nu Stellt man mich auf einen
SesSel und in andächtiger Stille beginnt
inmitten der französSisSchen Wahlschlacht
der Vortrag über das rocete Wien --
Vienne la Rouge.
Was ist Marxismus und Kliassenkampf?
Wie viele arme Menschen in Stadt und
Land, die jetzt die Schimpfreden über
den Marxismus hören, mögen Sich eine
Vorstellung davon machen Können, was
dieser Marxismus eigentlich ist? Hört
man die Gegner, dann Könnte Iman Sich
ein vierschwänziges Ungeheuer vor-
Stellen, das Menschen frißt, Menschen-
blut Saugt und das ganze deutsche Volk
in einen Abgrund des Elends tauchen
möchte. Eine klare Vorstellung haben die
wenigsten. Wir müssgen Sie ihnen zu geben
versuchen, auch wenn es nicht leicht ist,
weil - es Sich um eine wissSensSchaftliche
Lehre, eine Erklärung der Weltvorgänge
handelt und gewisse Kenntnisse und ein
wenig Verstand voraussetzt.
Der „Marxismus“ wird nach Karl
Marx benannt, einem SozialistiSschen
Forscher, der im Jahre 1818 in Irier ge
doren wurde und im Jahre 1883 in Lon-
don starb. Er war das Gegenteil von
einem Kapitalisten, nämlich ein Sprich
wörtlicher Hungerleider, der Seine Fami-
lie mit Schriftstellerischen Arbeiten müh
Sam ernährte, bei dem der Gerichtsvoll-
zieher zu Gaste war.und den oft genug
Sein Freund Engels mit Beihilfen aus
Schlimmen Lagen befreien mußte, Die
Lehre, die dieser arme Gelehrte als Re»
Sultat Seiner Forschungen verkündete,
nennt man den „Marxismus “. Wir Kön»
nen aber diese am besten erläutern, wenn
wir das Leben um uns betrachten.
Es gibt zuviel Kleider und Schuhe
Die Welt wird gegenwärtig von einer
Schweren Wirtschaftskrige heimgegsucht.
Millionen Arbeitslose klopfen vergeblich
an die Tore der Fabriken. Das Kommen
Solcher Krisen hat Karl Marx in Seinen
Schriften prophetisch vorhergesagt. Ist
nun diese Krise durch einen Mangel an
notwendigen Lebensmitteln entstanden?
Gibt es So wenig Getreide, Kohlen, Eisen,
Holz, Ziegel, Kleider und Schuhe? Nein,
es gibt zuviel! Die Krise, die Arbeits-
loSigkeit, entsteht nicht aus Mangel, Son»
dern aus Ueberfluß an diesen Dingen!
Auch diesen merkwürdigen Wider»
Spruch hat Karl Marx kommen Sehen, im
voraus angekündigt. Er hat davor ge-
warnt und hat dieses Mißverhältnis zu
klären gesucht. Er weist darauf hin, daß
die Werkzeuge, die Maschinen, die Tech
nik, die Organisation in der Kapitalisti»