Freiheit oder Untergang
Am 30. Mai ist eine Schwenkung der
inneren Politik Deutschlands erfolgt, die
mit Keinem früheren Regierungswechsel
in der Republik verglichen werden Kann.
Wohl gab es Schon wiederholt Reichs-
regierungen, in denen deutschnationale
Monarchisten vertreten waren. Auch der
Reichskänzler Brüning hatte den Deutsch-
nationalen nahestehende Minister. Dies-
mal aber ist eine Reichsregierung nur
aus Politikern der Rechten gebildet wor“
den. Nicht nur die Sozialdemokratie,
auch das Zentrum wurde in OppogSition
gedrängt. Kein Arbeiter, kein Bauer,
kein Mittelständler, überhaupt kein Mann.
aus den breiten Volksschichten gehört der
neuen Reichsregierung an. Der Reichs-
kanzler von . Papen, ein KatholisScher
Junker, hat Sich mit Männern des Adels,
mit Vertretern des Großgrundbesgitzes
und der großen Industrie umgeben, und
ein General, Herr von Schleicher, als
'Reichswehrminister gibt dem Reichs-
kabinett die militärische Note. .
War die Hindenburgwahl richtig?
Nicht das Parlament, wie das in wirk-
lich demokratischen- Ländern erforder“.
lich ist, hat den Reichskanzler Dr. Brü-
ning. gestürzt. Er hatte bei der letzten
Abstimmung immerhin noch: eine Mehr-
heit von 30 Stimmen. Nein, der Reichs-
kanzler ist, wie das ähnlich 'auch unter.
dem Kaiser Wilhelm IL geschah, hinter
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dem Rücken der Volksvertretung und -
gegen diese durch. das Staatsoberhaupt
beseitigt worden. ReichsprösSident von .
Hindenburg, der Sieben Wochen vor die-
Sem Ereignis mit den Stimmen: der Re-
publikaner wiedergewählt worden ist, hat
einer neuen Reichskanzler gegen die. Re
publikäaner berufen. - ,
War also unser Eintreten für Herrn .
ein Fehler?
von Hindenburg damals
Keineswegs. Wir Stimmten ja nicht für
Herrn von Hindenburg, weil wir ihn für -
unseren Gesinnungsfreund oder gar für.
unseren Führer hielten. Wir gaben ihm -
unsere Stimme, weil wir infolge der Un»
'einigkeit der Arbeiterklasse nur die
Wahl hatten zwisSchen Hindenburg und
Kitler, denn Kein anderer Kandidat hatte
auch nur die bescheidenste AusSicht auf
Sieg. Hindenburg Kann uns also poli»
tiSch nicht enttäuschen, denn ein
Reichspräsident Hitler wäre bei einem
Kabinett von Papen nicht Stehengeblie-
ben, Sondern hätte eine Nazi“
diktatur in Deutschland er-
richtet,
Brüning war zu massenfreundlich
Die neue Reichsregierung hat in einer
Kundgebung an das Volk, uns, den
Marxisten, Fehde angesagt. Uns und
dem Klassenkampt! Sonderbar, wie
gerade diejenigen, die gegen den Marxis-
Imus anrennen, immer wieder die Dbesten
Beweisgründe für die Richtigkeit grund-
Jegender maxrxisStiScher Lehren liefern.
Näch Marx ist der KlasSsenkampf die ent
Scheidende Kraft politischer Gegensätze,
und die Entstehung des Reichskabinetts
von Papen ist ein wahrhaft klassSiSches
Zeugnis des KlasSsenkampfes von oben.
Warum mußte denn der doch Sicher
nicht Sozialisticche Reichskanzler Dr.
Brüning gehen? -Weil Seine Siedelungs-
pläne, die bankrotten Großgrund-
besitzern Siedelungsland für Erwerbslose
gegen "Entschädigung wegnehmen woll-
ten, weil Seine gewiß nur kümmerliche
Fürsorge für - Erwerbslose, weil Seine
Steuer- und Finanzpolitik den Herren»
'menschen der Wirtschaft zu massSen-
freundlich - waren. Wir leugnen- nicht,
daß es auch unter diesen Wirtschafts»
führern Männer gibt, die glauben, der
Gesamtheit zu dienen, aber der Gedanke,
daß die Masse mitbestimmen Soll, ist
ihnen unerträglich. - Sie glauben, ällein
die - Fähigkeit zur Führung der Wirt-
Schaft und des Staates zu haben. Ihre
Meinung ist, daß die breiten Volksmassen
kurzzuhalten Seien. - Nur So Könne ein
neuer Aufstieg Sich entwickeln. Auf 'den
Gedanken, mit gutem Beispiel voranzu“
gehen, kommen die Herren in Luxus-
limousinen freilich nicht. -