Full text: Arbeiter-Jugend - 24.1932 (24)

„1: 6 Im Anschluß an die Reichsausschuß- 
S1 
  
Verfassungsfeier mit Ohrfeigen 
Auf der VerfasSungsfeier der Städti- 
Schen Berufsschulen in Harburg- 
Wilhkelmsburg hat der Gewerbe 
lehrer Schmidt mit dem Hitlergruß ge 
grüßt. Ein Arbeiterjunge bemerkte dazu, 
daß wir ja noch nicht im Dritten Reich 
Seien. Daraufhin wollte ihm Schmidt eine 
Ohrfeige geben -- alles in Gegenwart 
des Direktors, ohne daß dieser gegen 
den Hitlerlehrer eingeschritten Iist. n 
Es ergibt Sich also folgendes: Ein 
Nazilehrer leistet Sich ein Dienstver- 
gehen, eine auch gegen die neueste dies- 
bezügliche Verfügung Brachts ver 
Stoßende Handlung, dazu macht ein in 
Seinem Empfinden verletzter Junge eine 
durchaus pasSende Bemerkung und wird 
dafür gestoßen. Er Sah eine verfasSungs- 
und rechtswidrige Demonstration nicht 
ruhig mit an -- und erlebte nun gleich 
das Rezept des Dritten Reiches, das der 
Nazilehrer Schmidt an ihm vollzog. 
Wir fragen den Berufsschuldirektor, 
was mit dem oft Schon übel aufgefal- 
lenen „Pädagogen“, der Sich über Ver- 
fassung und Dienstanweisung So Skrupzl- 
los hinwegsetzt, geschehen ist?! Wird 
jetzt endlich dienststrafrechtlich gegen 
den Ordnungsstörer vorgegangen? Oder 
hat der Hitler-Lehrer einen Freibrief für 
grobe Flegeleien, Borniertheiten und 
Parteidemonstrationens 
  
Führertagungen in Tännich 
Der Hauptvorstand hat. beschlossen, 
die nächste Sitzung des ReichsS- 
8uUSSChuSSeS am Sonnabend, dem 
22. Oktober, in unserem Friedrich-Ebert- 
Heim in Tännich abzuhalten. Als Tages- 
ordnung ist in Aussicht genommen: 
1. Die politisSche Lage und die Aufgaben 
des Verbandes. 
2. Satzungsänderungen und Richtlinien 
für Bezirkssatzungen. 
3. Reichskonferenz. 
4. Arbeitsplan 1933. 
5. Internationales SozialistisSches Jugend 
treifen. 
tzung wird unsere diesjährige Be2- 
-zirkSleiterausSsSprache 
am 23. und 24. Oktober Stattfinden. Als 
Gesamtthema dieser Aussprache ist vor» 
gesehen: „SozialistiSche Jugendarbeit in 
der Krise der Gegenwart . 
Am Grabe von Karl! Marx 
Wenn deutsche Genossen nach London 
kommen, um die englische ÄArbeiter- 
bewegung Kennenzulernen, So werden 
es die meisten für Selbstverständlich 
halten, nicht nur an den Meetings der 
Labour Party teilzunehmen und das 
Leben der Gewerkschaften zu Studieren, 
Sie werden Sich auch einmal die Zeit 
nehmen, nach jenem Friedhof am 
Waterloo-Park, weit draußen in Highgate, 
zu fahren, um an dem Grab jenes 
Mannes zu Stehen, der der Arbeiter» 
bewegung und einem ganzen Jahrhun 
dert die geistige Richtung gab, dessen 
Gedanken- in den Herzen der Unterdrück“- 
ten lebendig Sind und um dessen Namen 
der Haß des Gegners brandet wie an 
einem Feisen. 
Wer einen englischen Arbeiter nach 
dem Grab von Karl Marx fragt, wird 
nicht oft eine Antwort bekommen. So 
wie auch Seltsamerweisze gerade hier 
in England, dem Land des Ursprungs der 
Arbeiterbewegung, die Gedanken von 
Marx am wenigsten verbreitet Sind, ISt 
auch das Wissen um die Grabstätte des 
großen Führers Selten. Nur Genossen, 
die viel mit Ausländern zusammen“ 
kommen, wisSen davon, weil Sie oft da“ 
nach geiragt werden. 
Der Regen tropfte, als wir durch den 
Schönen Waterloo-Park zum Friedhof 
kamen, und ein Wärter führte uns be- 
reitwillig durch gepflegte Grabreihen zu 
dem Ort, der die Sterblichen Reste von 
Marx birgt. 
Wir waren bestürzt und wollten 
unseren Augen nicht trauen, als wir jene 
kleine zusammengesunkene, verwahrloste 
und ungepflegte Grabstätte Sahen, an 
der uns einige Tulpen und ein russSiScher 
Kranz in einem Blechkasten Kunde von 
dem Andenken des Menschen gab. Das 
Gras wuchs über die Einfassung, eine 
häßliche Marmorvase war nahe am Um- 
Stürzen, und zu Häupten lagen alte 
Töpfe und verwelkte Blumen. Unsere 
Herzen waren voll Trauer, und wir 
Schämten uns der Nachlässigkeit unserer 
englischen GenoSSen. 
Wenn wir auch Stolz darauf waren, 
daß eine So unscheinbare Platte den 
Ruheplatz von Marx ankündigte -- denn
	        
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