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nannten Blutschlacken, reinigt das Venenblut und gibt ihm wieder seine schöne hellrothe
Farbe. Dabei erzeugt sich fortwährend die körperliche Wärme und als Verbrennungs-
prodnkt dieses chemischen Prozesses bildet sich die Kohlensäure, die in Verbindung mit
Wasserdunst durch den Exkretionsakt ansgestoßen wird. Die durch Speise und Trank
eingenommenen kohlenstoffigen Nährstoffe figuriren bei diesem Vorgang als Heizmaterial.
Was nun die Ventilation der Lungenzellen, d. i. die Entfernung der durch
Kohlensäure verschlechterten Lungenluft und die Eintauschung respirationsfähiger atmo
sphärischer Luft anlangt, so kommt diese nicht etwa durch ein einfaches Ventilspiel zu
Stande, sondern vollzieht sich auf etwas komplizirte Weise; es geschieht nämlich nach
dem Gesetz der Gasabsorption, d. i. durch den Unterschied der Spannung der Kohlen
säure im Lungenblute und der Kohlensäure in den Lungenbläschen. Wird letzteren un
genügend Sauerstoff zugeführt infolge verdorbener Athmungsluft oder gestörter Inspi
ration, so bleibt dem Blute ein Theil seiner Kohlensäure. Der Nachtheil einer mangel
haften Alhmung muß daher in erster Linie das Blut — seine Neubildung und Reini
gung — treffen und damit auch den Stoffwechsel selbst. Dazu kommt, daß schon die
Stimmritze den Luftstrom gewissermaßen verhindert, voll ein- und auszutreten, so daß,
wie durch Untersuchungen nachgewiesen ist, im günstigsten Falle jedesmal nur ein Sechstel
des in den Luftwegen angesammelten Quantums erneuert wird; die übrigen fünf
Sechstel bilden die sogenannte Rückstands- oder Reserveluft. Der Kohlensäuregehalt des
verdorbenen Venenbluts ruft durch Reiz des Athmungs-Zentrums das Bedürfniß des
Athmens oder den Lufthunger hervor. Durch ein normales Athmen wird er gestillt;
eine gute, reine Lungenspeise reizt den Appetit.
Wie diese Lungenspeise stets gut und appetitlich zu erhalten sei, hat der II. Theil
ausführlich dargelegt. Hier nur noch in Kürze einige Fingerzeige über
eine normale Stillung des Lufthungers.
„Im allgemeinen ist hier, sagt Niemeyer, zu beachten, daß der Vorgang des Ath
mens eben so der Beihilfe der allgemeinen Körperhaltung bedarf, wie man der Stuhl-
und Harnentleerung mit einer bestimmten Positur zu Hilfe kommen muß, obgleich sich
im Einzelnen dabei wesentliche Unterschiede ergeben. Während nämlich dort die einfache
Bauchpresse genügt, um jene Organe als Ganzes in Thätigkeit zu versetzen, ist die
Leistung des Brustkorbs eine dreigliederige und überdies in einzelnen Stücken keine grob
mechanische, sondern mehr eine vital-elastische." Dabei ist dieselbe bei der so vielfach
sitzenden Lebensweise eines großen Theils der menschlichen Gesellschaft und die dabei ge
bräuchliche hockende Haltung, die beengende und verweichlichende Kleidung und alle die
athmungswidrigen Gewohnheiten, wie sie schon vordem angeführt und besprochen worden
sind und wie wir sie so vielfach aus eigener Erfahrung kennen, sehr beeinträchtigt. Diese
positiven Schädigungen des Athmungslebens drängen dahin, auf Mittel bedacht zu sein,
welche die möglichen schlimmen Folgen einer unvollständig vollzogenen Athmung durch
zeitweiliges mit Absicht und Methode geübtes Vollathmen im Freien
auszugleichen im Stande sind.
Die vordem angeführte dreigliederige Leistung des Brustkorbs besteht in drei Typen
des Athmens: in dem Schulter-, Rippen- und Bauchathmen.
Das Schulterathmen, ausgeführt bei Erhebung des Kopfes bei schlaffer, das
Aufsteigen der Schultern zulassender Haltung des Rumpfes und der Arme, setzt be
sonders die Lungenspitzen in Bewegung. Aber eben durch den Umstand, daß beim
Schulterathmen der wie eine Bedachung aufliegende Schultergürtel gehoben werden muß,
was eine besondere Körperhaltung voraussetzt und einen gewissen Kraftaufwand erfordert,
sind sie der Gefahr ausgesetzt, in Inaktivität zu bleiben. Außerdem tritt das Bronchial
rohr nicht, wie zu den anderen Lappen, in gerade absteigender, sondern in aufwärts ge
bogener Richtung hinzu und spaltet sich schon sehr frühe in verhältnißmäßig viele Aeste,
so daß der eingenommene Luftstrom aus ihnen gleichsam um die Ecke heraufgeholt werden
muß. So ist dieser so wichtige Theil der Lunge wie zum voraus zu einem Reservoir
von Rückstandsluft ausersehen.
Das Rippenathmen associirt sich naturgemäß dem Schulterathmen und erfor-