Full text: Pädagogische Monatshefte - 4.1898 (4)

Benfey-Schuppe, Ist die Fröbelsache religionsfeindlhh? 
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Ist die fröbelsache religionsfeindlich? 
Yon A- Benfey-Schuppe. 
Unter den vielen Vorurteilen, mit denen Fröbels Erziehungs- 
idee zu kämpfen hatte, und die auch noch lange nicht über 
wunden sind, ist eins der schlimmsten, daß sie religionsfeindlich 
sein soll. Dieses Vorurteil machte sich schon im Anfange der 
Entstehung jener Idee, so wie ihrer teilweisen praktischen Ver 
wendung im Leben, geltend. Ja, man hielt Fröbel selbst sogar 
für einen Atheisten. Unkenntnis der Sache war daran schuld, 
so wie der traurige Zug in der menschlichen Natur, jedem Kultur 
fortschritt zuerst feindlich entgegen zu stehen, namentlich jedem 
Fortschritt, der sich auf das innere Leben des Menschen, auf 
Bildung, Erweiterung des geistigen Horizontes bezieht. Die Fort 
schritte im äußern Verkehr werden etwas günstiger von vorn 
herein beurteilt, obwohl die Kulturgeschichte uns auch unsäglich 
Trauriges aus diesem Gebiete aufbewahrt hat. Dampfbetrieb, 
Dampfschiffe, Maschinen wurden zuerst auch von einer Menge 
Menschen mit den mißtrauischesten Blicken betrachtet. Und 
immer witterte man etwas Teuflisches dahinter. Der Erste, de 
Caux in Frankreich, dem der Gedanke kam, den Dampf in den 
Dienst des Verkehrs der Menschen zu bringen, wurde als geistes 
krank deshalb betrachtet und starb im Irrenhause. Wie langsam 
die menschliche Einsicht fortschreitet, ist staunenswürdig. Wie 
wäre es sonst möglich gewesen, daß man sich Jahrtausende hin 
durch der Folter bedient hat, um den Menschen Geständnisse zu 
erpressen? Abgesehen von der furchtbaren Grausamkeit dieses 
Verfahrens, hätte es doch der menschlichen Vernunft einleuchten 
müssen, daß ein in dieser Weise gemarteter Mensch nur eben 
das aussagt, was man von ihm verlangt, um der schrecklichen 
Pein zu entgehen,' daß also von Wahrheit nicht die Rede sein 
kann! In Preußen schaffte zuerst Friedrich der Große die Folter 
ab, dann bald darauf in Österreich die Kaiserin Maria Theresia, 
nachdem einer ihrer treuesten Diener sie auf den Knieen darum 
beschworen hatte. Weit entfernt davon den edlen Fürsprecher 
gleich zu erhören, gab die große Frau erst dann nach, als jener 
sie auf das Beispiel des alten Fritz hinwies. Und so ist es ge 
blieben. Die bedeutendsten und geistvollsten Menschen sind nicht 
frei von Vorurteilen. Wenn sie in dem und jenem Punkte auch
	        
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